Köln. . Das Wallraf-Richartz Museum macht Dom und Kathedrale zum Mittelpunkt einer spannenden Ausstellung. Gemälde des Kölner Doms, aber auch der großen Kathedralen Frankreichs zeigen in der Schau mehr als nur das Staunen über Architektur. „Die Kathedrale“ erzählt auch von Idealen, Visionen und Propaganda.

„M’r losse de Kathedrale in Kölle“ könnte man ja auch nur ganz schlecht singen. Also hat es seinen Sinn, dass man Kathedralen in Deutschland stets Dom nennt oder Münster. Warum sie meist nur in Frankreich so genannt werden? Weiß der Himmel. Die „Ecclesia Cathedralis“, die Kirche des ­Bischofssitzes, wurde im Mittel­alter und besonders in der Gotik immer mehr zum prächtig prunkenden Gotteslob in Stein, das himmelhoch ausfallen sollte. Doch weil Fehlkalkulationen und Kostenexplosionen kein Privileg der Neuzeit sind, blieb so manche gotische Kathedrale am Ende des ­Mittelalters unvollendete Ruine. Köln, Mailand und Prag sind da nur die prominentesten Beispiele.

Künstlerische Wirksamkeit entfalteten Kathedralen erst wieder, als zwei Großschriftsteller markante Exemplare ins Blickfeld rückten: Goethe, der 1770 vom ­Anblick des Straßburger Münsters geradezu in einen Sinnestaumel versetzt wird, schreibt eine Hymne auf den Bau und dessen Archi­tekten Erwin von Steinbach: „Von deutscher Baukunst“. Und Victor Hugo löst 1831 mit seinem Roman „Notre-Dame de Paris“ rund um den Glöckner und die schöne ­Esmeralda ein Kathedralen-Fieber in Frankreich aus, bald sollte es ­sogar den Dekorationsstil „à la ­cathédrale“ geben.

Mal unheimlich, mal ganz lieblich

Deshalb zeigt das Kölner Wallraf-Richartz-Museum unter den rund 200 Ausstellungsstücken seiner „Kathedralen“-Ausstellung auch das imposante Manuskript dieses folgenreichen Romans. Esmeraldas Rettung in Öl wurde schon ein Jahr nach Erscheinen des Romans fertig. Aber hier ist die Kathedrale nur mehr Kulisse, während sie gleichzeitig bei den deutschen Romantikern im Mittelpunkt steht: Unheimlich dräuend im Gebirgswald (!) oder als lieblicher Blickfang aus einer Gartenlaube bei ­Caspar David Friedrich, als Gipfel von Stadtansichten bei dem kaum minder begabten Carl Gustav ­Carus.

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Karl Friedrich Schinkel, der Haus- und Hofarchitekt der ­Hohenzollern, macht Kathedralen zum strahlenden Mittelpunkt seiner perfektionssüchtigen Bilder, da sind sie wieder Symbole für das himmlische Jerusalem auf Erden. Dass dies nur eine Utopie sein konnte, schlug sich in den ungleich realistischeren Bildern der Romantiker nieder. Sie malten die Kirchen gern als Ruinen, nicht selten unter einer Schneedecke – Ausdruck der politischen Eiszeit.

Bilder korrespondieren mit einem Panoramafenster zum „echten“ Dom

Einige der interessantesten ­Bilder der Ausstellung zeigen ­hingegen den fertigen Kölner Dom – in einer Zeit, in der man mit dem Weiterbau noch gar nicht oder ­gerade erst begonnen hatte. Propagandabilder. Der Clou: Sie hängen sich in einem Raum, dessen Panoramafenster einen spektakulären Blick auf den nahen Dom freigibt, weil ja nichts so spannend ist wie das wirkliche Leben.

Malerische Schaulustobjekte sind die romantischen Kathedralen-Bilder ebenso wie die vielen ­impressionistischen dieser Aus­stellung, von Alfred Sisley, Eugéne Boudin, oder dem Expressionisten-Wegbereiter Gauguin. Spannend, wie Delaunay und ein manischer ­Kirchenmaler wie Lyonel Feininger die Architektur in Geometrie, in gebrochenes Lichtspiel auf­lösen: Auch im Blick auf die Kirche gibt es keine Wirklichkeit, nur Perspektiven auf sie.

Monets Kathedralenbilder

Geradezu umwerfend schön aber: Claude Monets bekannte ­Serie, die er der Kathedrale von Rouen widmete. Im Restaurierungsfieber, das Victor Hugos Roman auslöste, hatte man auch deren vom Blitz zerstörten Westturm wieder errichtet, so dass die Kathedrale 1876 mit 151 Metern zum höchsten Gebäude der Welt wurde – für vier Jahre allerdings nur, dann stellte man den Kölner Dom mit seinen 157-Meter-Türmen fertig.

Nationale Symbole Europas

Überhaupt galten die Kathedralen hier wie dort als nationale Sym­bole: Die Franzosen waren stolz, die Gotik erfunden zu haben, was seit der Mitte des 19. Jahrhunderts auch Kunsthistoriker in Deutschland einräumten. Dafür geriet hier die Fertigstellung des Kölner Doms, die seit der Niederlage ­Napoleons propagiert wurde, ab 1844 zu einer Art Pilotprojekt der Reichsgründung von 1871.

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Im deutsch-französischen Krieg zuvor hatten deutsche Geschütze auch das Straßburger Münster nicht verschont, so wie später im Ersten Weltkrieg die Zerstörung der Kathedrale von Reims vor allem den Nationalstolz treffen sollte. Diese Barbarei, die den Kulturvernichtungsfeldzügen der Islamisten in nichts nachsteht, ist gerade einmal 100 Jahre her.

Die größte Kathedrale der Welt ist übrigens eine ehemalige Moschee: die Mezquita in Cordoba.

Die Kathedrale. Wallraf- ­Richartz-Museum Köln, ­Obenmarspforten am Rathaus, bis 18. Januar 2015.

Eintritt: 13 Euro, erm. 8 Euro, Familien 26 Euro, Schulklassen 2 Euro, Gruppen 10 Euro. ­Audioguide 3 Euro

Katalog: 30 Euro, Begleitheft: 12 Euro. Kostenlose Einführung: Sonntags, 15 Uhr.