Köln. . Das Kölner Wallraf-Richartz-Museum erinnert an die legendäre Sonderbund-Ausstellung. Sie machte van Gogh, Picasso & Co. vor einem Jahrhundert in Deutschland salonfähig. Rund ein Fünftel der 650 Bilder und Skulpturen von 1912 wurde aus Museen und von Sammlern in aller Welt ausgeliehen. Ein Seh-Genuss und Geschichtsstunde zugleich.
Der Weinkelch von diesem Cézanne – völlig windschief! Und seine Vase erst, gar nicht zu Ende gemalt! Und dann der Boden auf dieser „Anrufung“ von Gauguin, der ist ja violett, das gibt’s doch nicht mal in der Südsee! Und Picasso – diese Gesichter! So ähnlich müssen viele der 60.000 Besucher gedacht haben, als sie 1912 in der Kölner Sonderbundschau standen. Es gab „zerfetzende Kritik und scharfe Abwehr“, Oberbürgermeister Wallraf hatte es geahnt.
Von heute aus gesehen aber war es der Durchbruch jener Moderne in Deutschland, die uns schon so vertraut geworden ist, dass wir sie die „Klassische Moderne“ nennen. Grund genug für das Wallraf-Richartz-Museum, einen Teil der Bilder aus der damaligen Ausstellung, die längst in alle Welt zerstreut sind, noch einmal wieder zusammenzutragen: „Mission Moderne“ versammelt nun 115 Bilder und Skulpturen von damals, Meisterwerke, Ikonen des Expressionismus. Aber auch Kleinmeister, die heute kein Mensch mehr kennt. Und man kann sich fragen, warum nur die anderen berühmt wurden.
Signacs Tupfenfeste, Munchs Erotik
Schocks und Anstrengungen drohen den Besuchern der Sonderbund-Ausstellung 2012 jedenfalls nicht. Spätestens seit Lothar-Günter Buchheims Expressionisten-Kalendern der 50er- und 60er-Jahre gehören die Bilder der Klassischen Moderne zum vertrauten, postkartentauglichen Inventar unserer Alltagskultur.
Damals aber überforderten nicht nur die „Koloritexzesse und Linientobsuchtsanfälle“, wie Kritiker ätzten, das Publikum. Eine Flut von 650 Bildern brach auf die wilhelminischen Bürger herein, in Zweier- und Dreierreihen an der Wand, allein 125 von Vincent van Gogh, der damals gerade in den Stand eines Heiligen der Kunst erhoben worden war und schon weltweit Höchstpreise erzielte.
Heute bleibt in Köln genügend Zeit, sich dem grandiosen Leuchten von van Goghs gelbem Alleegraben in Arles hinzugeben und dem azurpuren Himmel darüber. Oder mit den mohnroten Flecken Ferdinand Hodlers „Entzücktes Weib“ zu umschwärmen, sich in Cézannes traumschöner „Allee bei Chantilly“ zu verlieren oder vor van Goghs glühendbösem Selbstbildnis von 1887 zu erschrecken.
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Van Gogh ist mit 15 Werken wiederum am stärksten vertreten und genau wie Picasso, Cézanne, Gauguin als einzelner Maler gewürdigt. Alle anderen waren und sind heute wieder nach Ländern gruppiert, August Macke, der nur noch zwei Jahre zu leben hatte, gehörte schon zu den deutschen Malerstars genau wie Emil Nolde und Erich Heckel. Kokoschka und Egon Schieles dramatisch starrendes Kind mit verhärmter Mutter vertraten Österreich, Paul Signacs sommerleichte Tupfenfeste für die Augen standen für Frankreich, Edvard Munchs Landschaften, seine „Vier Mädchen auf der Brücke“ oder das erotisch aufgeladene „Amor und Psyche“ vertraten Norwegen.
Dem 1909 gegründeten Sonderbund, der sich die Moderne auf die Fahnen geschrieben hatte, gehörten Künstler, Sammler und Galeristen an (und auch Folkwang-Gründer Karl Ernst Osthaus). Seine ersten drei – viel kleineren – Ausstellungen liefen im Düsseldorfer Kunst-Palast. Aber nachdem es dort Ärger gegeben hatte, wurde man in Köln mit offenen Armen empfangen. 25 000 Goldmark gab die prosperierende Stadt dazu. Ihre Sonderbund-Ausstellung wurde, etwa mit den revolutionär weißen Wänden, zum Vorbild für Gegenwartskunst-Ausstellungen in aller Welt, bis zur Documenta von heute.