New York. . Fast 100 Millionen Euro ist einem Unbekannten das Bild „Der Schrei“ wert. Damit löst das expressionistische Meisterwerk des norwegischen Malers Edvard Munch ein Picasso-Gemälde als das teuerste Bild der Welt ab.

Man weiß nur, dass er durchs Telefon bot und am Ende sechs Konkurrenten ausstach: Ein unbekannter wiewohl solventer Kunst-Freund hat am Mittwochabend in New York exakt 119 922 500 Dollar (91,3 Millionen Euro) für eine Pastell-Version des weltbekannten Gemäldes „Der Schrei“ von Edvard Munch aus dem Jahr 1895 bezahlt – und damit im Auktionsgewerbe alle bisherigen Rekorde gebrochen.

Sotheby’s, der Veranstalter, hatte den Einstiegspreis auf 40 Millionen Dollar taxiert – und mit 80 Millionen Erlös gerechnet. „Dass es deutlich mehr werden sollte, hat uns wirklich überrascht“, sagte Simon Shaw, der Leiter der zuständigen Fachabteilung. Nach zwölf Minuten war die von rund 1000 Kunstanhängern live verfolgte Auktion vorbei. Am Ende gab es rasenden Applaus. Die Haupattraktion des Abends, das 80 mal 60 Zentimeter große Kunstwerk, wurde pausenlos von mehreren Sicherheitskräften bewacht. Mit 107 Millionen Dollar rangierte der so genannte Hammerpreis zum ersten Mal in der Geschichte der Auktionshäuser über der 100 Millionen-Grenze. Der Käufer musste zuzüglich das übliche Aufgeld von 12 Prozent berappen.

Katar wird als Käufer genannt

Wer kann sich so etwas leisten? Judd Tully von Magazin „Art + Auction“ glaubt, dass maximal zwölf Sammler weltweit „nördlich der 50 Millionen-Dollar-Grenze einkaufen können.“ In New York hielt sich am Mittwochabend lange das Gerücht, das arabische Königshaus von Katar könnte dem „Schrei“ verfallen gewesen sein; auch wenn er gar nicht in Öl daherkommt.

Bislang galt Picassos „Akt mit grünen Blättern und Büste“ für 106,5 Millionen als das teuerste jemals bei einer offiziellen Auktion verkaufte Kunstwerk. Abseits der üblichen Veräußerungswege wurden noch höhere Summen erzielt: Jackson Pollocks Werk „No.5“ wechselte 2006 bei einem privaten Bieterwettbewerb für rund 140 Millionen Dollar den Besitzer.

Munch-Museum geplant

Möglich wurde der gestrige Kunst-Deal mit „Der Schrei“ durch den norwegischen Geschäftsmann Petter Olsen, dessen Vater ein Freund und Mäzen des manisch-depressiven Künstlers war. „Es ist an der Zeit, dass auch der Rest der Welt die Chance erhält, dieses beachtliche Werk zu besitzen und zu würdigen“, sagte Olsen. Anteile des Verkaufspreises will der Multi-Millionär in den Bau eines Komplexes aus Museum, Kunst-Center und Hotel in Hvitsen nahe Oslo investieren, wo Munch und Olsens Vater nachbarschaftliche Beziehungen pflegten.

In Norwegens Hauptstadt verbleiben auch die übrigen Exemplare, die Munch von seinem „Schrei“ gemalt hat: eines im National-Museum, die anderen beiden im Munch-Museum. Mit letzteren Exemplaren verbinden sich zwei der größten Krimis der jüngeren Kunstgeschichte. 1994 entkamen Diebe mit der 1893er Version des Bildes aus dem National-Museum – ein Jahr später wurde das Werk unbeschädigt wiedergefunden. 2004 überfielen maskierte und bewaffnete Räuber das Munch-Museum und zogen mit der 1910er-Version davon. Diesmal dauerte es zwei Jahre, bis das auf beispiellose Weise Angst und existentielle Not darstellende Bild wieder auftauchte. Im Juni 2013, wenn sich Edvard Munchs Geburtstag zum 150. Mal jährt, werden sie in aller Pracht in Oslo gezeigt. Natürlich doppelt und dreifach gesichert.

Millionen für die Kunst

Alberto Giacomettis Skulptur
Alberto Giacomettis Skulptur "L'Homme qui marche" ging im Februar 2010 für 104,3 Millionen Dollar an einen neuen Besitzer. © AP
Gustav Klimts Gemälde
Gustav Klimts Gemälde "Adele Bloch-Bauer I" wechselte im Jahr 2006 für 135 Millionen Dollar den Besitzer. © AFP/LOS ANGELES COUNTY MUSEUM OF ART
Das Gemälde
Das Gemälde "Number 5" von Jackson Pollock wurde im Jahr 2006 für satte 140 Millionen Dollar verkauft. © ddp images/AP
Das kürzlich versteigerte Gemälde
Das kürzlich versteigerte Gemälde "Der Schrei" von Edvard Munch reiht sich nahtlos ein - es wurde für 119,9 Millionen Dollar bei Sotheby's in New York versteigert. © REUTERS
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