Essen. . Ein Film über einen Skandal, aber kein Skandalfilm: Gelegenheits-Regisseurin und Pop-Ausdauerturnerin Madonna deutet in „W. E.“ die Liebe des britischen Königs Edward VIII zu der Amerikanerin Wallis Simpson: Eine Liebe ohne Klassenschranken, das ist es, was die dem Reiz von Fitnesstrainern nicht abgeneigte Madonna am Ende fast altmodisch feiert.
Als Futterstelle öffentlichen Skandalhungers war das britische Königshaus eigentlich immer eine verlässliche Adresse. Hier mussten Tyrannen sterben und Köpfe rollen, zumindest Herzblut fließen. Aber Lady Diana ist tot. Queen Elizabeth II. mit der Amts-Ausdauer eines Gewerkschafts-Jubilars gesegnet.
Wer also echte Dramen bei den Windsors sucht, muss in die Vergangenheit blicken. Tom Hooper hat das zuletzt mit der Oscar-reifen Verfilmung über den stotternden Thronfolger George gemacht. Mit „W. E.“ hat sich Gelegenheits-Regisseurin und Pop-Ausdauerturnerin Madonna nun dessen Bruder Edward VIII. und seiner Mesalliance mit der Amerikanerin Wallis Simp-son vorgeknöpft. Und dabei das seltsame Kunststück geschafft, in einer feministisch-grundierten Romanze zu schwelgen, die am Ende vielleicht weniger über eine unstandesgemäße Liebe bei Hofe erzählt als über die Tatsache, dass auch aus goldenen Hähnen dicke Wermutstropfen fließen können.
Alles glänzt und glitzert
Wer sich also fragt, was diese Königinmutter des Pop ausgerechnet mit einem Historienstoff will, findet rasch eine Erklärung. Madonna schreibt die royale Jahrhundertliebe in eine späte Wiedergutmachung für Wallis Simpson um. Als der britische Thronfolger Edward (Blondschopf mit Großjungencharme: James D’Arcy) Wallis (sehr porzellanhäutig und forsch: Andrea Riseborough) Anfang der 1930er verfällt, ist die Amerikanerin bereits in zweiter Ehe verheiratet. Ihre Affäre mit dem künftigen König sorgt für ein politisches Erdbeben. Nach wenigen Monaten auf dem britischen Thron muss Edward abdanken. Seitdem sind die öffentlichen Rollen verteilt: Ein Mann, der das Herz seiner Krone vorzog. Und eine Frau, für deren Kompromisse und Entbehrungen man sich angesichts dieser romantischen Großtat nicht weiter interessierte.
Dass eine Frau, die alles hat, nicht immer glücklich ist, wird Madonna (53) selbst oft erfahren haben. Im Kino unterstreicht sie diese Erkenntnis nun bemüht, indem sie Wallis eine moderne Wiedergängerin zur Seite stellt: die junge New Yorkerin Wally (Abby Cornish). Ihr Mann ist eine gute Partie, leider aber auch handgreiflich. Als Wally bei einer Sotheby-Auktion auf den Nachlass des Paares trifft, erkennt sie in Wallis eine Seelenverwandte. Und so wie Zeiten und Welten von nun an ineinanderfließen, verschwimmt der ganze Film zu einer Collage weiblicher Sehnsüchte.
Liebe ohne Klassenschranken
Die sonst ambitionierte Kameraarbeit des deutschen Bilderzauberers Hagen Bogdanski wirkt dabei bisweilen wie ein QVC-Beitrag auf Queen-Kanal. Immerzu taxiert die Kamera etwas Glitzerndes, Kostbares. Diamanten und Damast, Silber und Seide. Alles wird kurz vorgezeigt und schnell wieder zurück in die Schubladen geschoben: Wallis’ unglückliche Ehen, ihre zeitweilige Sympathie zu den Nazis, ihre politische Meinungsfreudigkeit, die den fortschrittlichen Edward fasziniert. Und natürlich immer wieder die Blitzlicht-Attacken und Hetzjagden, die diese Liebe übersteht, bis zum letzten Twist am Totenbett.
Eine Liebe ohne Klassenschranken, das ist es, was die dem Reiz von Fitnesstrainern nicht abgeneigte Madonna am Ende fast altmodisch feiert. Und so küsst auch Wally schließlich den armen, russischstämmigem Security-Mann von Sotheby’s, der in Wahrheit Konzertpianist ist und Rachmaninov spielt. Den Titelsong zu „W. E.“ aber hat natürlich Madonna eingespielt.