Essen. . Die Dortmunder Filmemacher Freddie Röckenhaus und Petra Höfer zeigen „Deutschland von oben“. Was im ZDF erfolgreich war, hat auch im Kino seine Chance. Am Montag feiert der Film Premiere in Essens Lichtburg.

Von Premierenfieber will er nichts wissen. Dabei sind Spannung, Aufregung, ja Vorfreude mit Händen zu greifen. Filmemacher Freddie Röckenhaus sitzt auf einer Bistro-Terrasse in der Essener Innenstadt und schaufelt Nudeln, als wolle er die Tour de France gewinnen. Tatsächlich ist der 57-jährige Dortmunder auf der sprichwörtlichen Zielgeraden. Am Montag feiert sein Kino-Film in der „Lichtburg“ bundesweite Premiere: „Deutschland von oben“. Eine Doku im Kino – kann das gutgehen?

Alle Beteiligten glauben daran. Der Filmemacher und seine Co-Autorin Petra Höfer (49) sowieso, aber auch Filmverleih Universum und Koproduzent ZDF. „Deutschland von oben“ startet gleich mit 150 Kopien – eine stattliche Zahl.

Reihe erfolgreich im Fernsehen

Der Optimismus hat Gründe. Einer davon: „Deutschland von oben“ lief bisher in zwei Staffeln in der ZDF-Reihe „Terra X“. Die Marktanteile lagen weit überm ZDF-Schnitt, selbst bei der Fernsehjugend. Röckenhaus weiß, warum: „Wir haben alle eine Sehnsucht, fliegen zu können. Da muss man nicht zu Ikarus zurück. Der Blick aus der Höhe hat etwas Erhabenes, man gewinnt Distanz, Dinge verlieren ihr kleines Karo ein wenig, man gewinnt ein Gefühl für die größeren Strukturen.“

Dennoch stellt sich die Frage: Ist der Kino-Film eine neue Form des Bezahlfernsehens? Röckenhaus legt die Gabel zur Seite, kontert. Er hebt auf die prallen Bilder ab, zu wuchtig fürs Fernsehen, zum guten Teil eigens fürs Kino gedreht. „Es ist also Bezahlkino, zugegeben, aber sicher kein Bezahlfernsehen.“

Nicht bloß Google Earth mit bewegten Bildern

Zweifler mögen das Breitwand-Epos für Google Earth mit bewegten Bildern halten. Röckenhaus retour: „Google Earth wertet nicht, stellt keine Zusammenhänge her, erzählt keine Geschichten. Das sind halt starre Satellitenbilder. Im Film fliegen wir neben Zugvögeln, Schulter an Schulter sozusagen, oder schauen den Schiffslotsen bei Orkan über der Nordsee zu, wie sie auf die zu lotsenden Schiffe abgeseilt werden.“

Röckenhaus, Höfer und ihr Kameramann Peter Thompson nehmen ihr Publikum mit auf einen gut zweistündigen Flug über die Republik, Rhein und Ruhr inklusive. Es ist Wohlfühl-Kino mit opulenten Bildern von Natur, Stadt, Industrie. Manchem erscheint der Kino-Rundflug wie ein Trip ohne Drogen: „Wenn ich mit einem Wingsuit-Jumper auf den Möhnesee hinunterstürze“, sagt Röckenhaus, „ist das auf der Kino-Leinwand schon etwas, das man im Bauch spürt.“

Essener Philharmoniker spielen live

Im Bauch spüren die Zuschauer mit Sicherheit auch die Filmmusik, die die Essener Philharmoniker live spielen. Komponist Boris Salchow mixte druckvolle Elektronik-Sounds mit schwebendem Orchester-Klang.

Hinter leichter Kost steckt schwere Arbeit. „Man ist beim eigentlichen Arbeiten in der Luft sehr angespannt“, gibt Röckenhaus zu, „jede Flugminute ist sehr teuer, das Kamerasystem, das ja außen am Hubschrauber-Bauch angebracht ist, ist sehr teuer und aufwendig. Leider stellt sich das Hochgefühl des Fliegens bei mir oft erst ein, wenn ich mir hinterher im Studio die geschossenen Bilder anschaue.“

In der Lichtburg, beim Probelauf, geht es indes ums Hören. Kann sich Sprecher Benjamin Völz gegen die Musiker durchsetzen? Wie klingen Sprache und Musik, wenn der Saal voll ist? Beim Probelauf gleicht Röckenhaus’ Miene dem Wetter: heiter bis wolkig. Genauso beginnt der Film. Seine Struktur folgt einer Erkenntnis über Deutsche, die ins Warme flohen. Werden sie gefragt, was ihnen im Süden fehlt, sagen viele: „Die Jahreszeiten.“ Der Film greift das auf. Er fliegt durch Raum und Zeit.