Essen. . Kleine französische Filme sorgen derzeit für Sensationserfolge. Mit „Nathalie küsst“ soll der Kino-Aufstieg weitergehen. Da liebt die zauberhafte Audrey Tautou, die aus dem Film “Die fabelhafte Welt der Amélie“ bekannt ist, mal einen Außenseiter.
Wer derzeit übers französische Kino redet, der redet nicht einfach von stinknormalen Filmen, sondern verbindet seine Ausführungen in der Regel mit Begriffen wie „Sensationserfolg“ oder zumindest „Phänomen“. Das französische Kino ist zum Exportschlager geworden, Und nicht nur die Amerikaner fragen sich derzeit mit fiebrigem Blick, wie man sich das erklären kann mit den Erfolgen made in Baguette-Land.
Da pumpen die großen Hollywood-Studios jeden noch so überschaubaren Stoff zu Blockbustern auf, honorieren Stars mit zig Millionen und stecken ein Viertel des Budgets allein in die Werbung. Und dann kommen diese kleinen Filme quasi aus dem Nichts, mit Gesichtern, die keiner kennt und Namen, die keiner aussprechen kann – und werden zum Triumph.
Man muss nicht nur die im Kino derzeit ziemlich besten und ziemlich erfolgreichen Freunde herbeizitieren, die mit weit über sieben Millionen Zuschauern allein in Deutschland ein Kassenschlager sind und demnächst in über 40 Ländern der Welt in die Kinos kommt. Oder an den grandiosen Erfolg von „Willkommen bei den Sch’tis“ erinnern, der mit über 20 Millionen Zuschauern den französischen Kinobesucherrekord hält.
Man darf vor allem auch am die „fabelhafte Welt der Amélie“ erinnern, mit der das französische Kinowunder 2001 so richtig Fahrt aufgenommen hat. Und wenn Audrey Tautou, die anmutige Zauberfee des Pariser Pralinékinos, in „Nathalie küsst“ nun wieder antritt, um uns die Welt durch ihre braunen Rehkitzaugen ein wenig zuversichtlicher sehen zu lassen, dann darf man sich auf einigen Zuspruch gefasst machen.
Ein Mann wie ein Ikeaschrank
Dabei ist die Romanverfilmung der Brüder David und Stéphane Foenkinos durchaus nicht nur in Pastellfarben gemalt. Nathalie, schön, charmant und voller Zuversicht, findet in Francois (Pio Marmai) den Mann ihrer Träume und verliert ihn ebenso schnell bei einem Unfall. Der erste Akt des Erfolgsromans ist im Film nun Auslöser für den eigentlichen Plot, der die französische Romanze so anziehend macht.
Wie sie uns nämlich in Zeiten von Partnerbörsen-Filtern und Facebook-Bewertungen immer noch den Glauben an die Anziehungskraft von Gegensätzen erhält. In diesem Fall geht es um Nathalie, eine Frau wie eine kostbare Sonderanfertigung aus feinstem Mahagoniholz. Und um ihren schwedischen Mitarbeiter Markus (Francois Damiens), ein Mann wie ein Ikeaschrank, kantig, hölzern, unauffällig. Als Nathalie dieses sympathische Trumm in Beige eines Tages aus heiterem Himmel küsst, ist der Mann so vom Donner gerührt wie Nathalies Umfeld, das sich wenig sensibel zeigt im Umgang mit dem dicklichen Kauz, „Das ist wie Liechtenstein, das mit den USA spazieren geht, stammelt Markus eines Abends, als die beiden im Lichterglanz des Eiffelturms miteinander turteln. Dieser ungenierte Umgang mit Klischees und Kontrasten, auch das beherrschen die Franzosen.
Lauter große Glücksversprechen
Dazu kommt die Leichtigkeit, mit der die Produktionen noch vom Glücksversprechen träumen, das in solchen unmöglichen Begegnungen liegt. Ob es nun um die Liebe der trauernden und verletzlichen Nathalie zu ihrem biederen Bewunderer geht oder um die Freundschaft zwischen dem querschnittsgelähmten Aristokraten Philippe, der sich vom großmäuligen Pfleger und Ex-Knacki Driss im Rollstuhl durch Paris schieben lässt und das Leben neu entdeckt.
„Nathalie küsst“ ist am Ende ein Märchen, natürlich. Weil mit Audrey Tautou einfach alles zu schweben scheint. Das Irreale, Abgehobene, scheint ihr natürlicher Lebensraum. Und so entsteht die fabelhafte Welt der Nathalie am Ende sogar in einem biederen Buchhalterbüro. Franzosen können das.