Essen. Die Finanzkrise geht auch an der Kulturhauptstadt nicht spurlos vorbei, die Sponsoren spenden nicht recht. Am Donnerstag verkündeten die Organisatoren erste Sparmaßnahmen: Die Eröffnungsparty auf Schalke wird eingestampft, die Ballon-Aktion "Schachtzeichen" steht auf der Kippe.

Die Macher der Ruhr 2010 hatten ein sanftes Ambiente für die Verkündung unangenehmer Botschaften gewählt. Vor den Fenstern des Stammsitzes in der Essener Brunnenstraße sangen die Vögel, als gäbe es keine Krise. Drinnen stimmte ein hochrangiges 2010-Dreigestirn ein Loblied an auf die Metropole Ruhr und den Verlauf der Planungen, wenn auch ein etwas verhaltenes. „In programmatischer und organisatorischer Sicht sind wir gut dabei“, in finanzieller – aber dazu später.

Die Krise trifft auch die Kultur

Dieses „Aber“ stand im Raum, während Kulturhauptstadt-Chef Fritz Pleitgen, der zweite Mann Oliver Scheytt und Dieter Gorny als einer der Künstlerischen Direktoren Bericht zum Planungsstand erstatteten. Letzte Woche hatten die Verantwortlichen dem zuständigen EU-Panel bereits Rechenschaft abgelegt. In Brüssel sei man angetan gewesen von der Art, wie im Ruhrgebiet die Menschen und die Kommunen einbezogen werden und die Nachhaltigkeit des Ganzen gesichert werden soll.

Doch die Krise trifft auch die Kultur und mit ihr die „Metropole Ruhr“. Die Macher setzen den Rotstift an. So wird die geplante Eröffnungsparty in der Arena auf Schalke ausfallen. Schließlich werde die Eröffnungsfeier mit geladenen Gästen auf Zollverein deutschlandweit vom ZDF übertragen, wie Fritz Pleitgen betonte, und mit dem „Day of Song“ am 5. Juni sei man ja auch in jedem Fall weiterhin auf Schalke vertreten. Extrem unwahrscheinlich ist außerdem die geplante Ausstellung „Welt der Religionen“ im Gasometer Oberhausen geworden.

Keine Ballons für Schächte?

„Auf dem Prüfstand“ steht auch die Aufsehen erregende „Schachtzeichen“-Aktion, bei der über zahlreichen ehemaligen Schächte im Revier riesige gelbe Ballons aufsteigen sollen. Man sei jedoch „guten Mutes“, da sich Einzelsponsoren aus dem Mittelstand, aus Heimat- und Geschichtsvereinen bereits mit Beträgen von 5.000 Euro beteiligen könnten. Bis September soll entschieden werden.

Mit den Worten „wir kämpfen auch sehr um die Zweite Stadt“ wurde die Führung durch das Sparpanorama fortgesetzt. Auf der Zeche Zollverein sollten Besucher 1.000 Meter unter Tage die Lichtkunst in alten Bergmannstollen erleben können. Hier sollte es vor allem um die „Ewigkeitsprobleme“ des Bergbaus gehen. 0,5 Millionen Euro sei man hier „vom rettenden Ufer entfernt“. Zwei spektakuläre Aktionen mit Bezug zur Kohle-Vergangenheit könnten somit dem Sparzwang zum Opfer fallen. Schließlich stehe auch die „Sinfonie der 1.000“ „auf dem Prüfstand“, wie die 2010er diesen Schwebezustand zwischen Wunsch und Wirklichkeit gern paraphrasieren. Vielleicht würden es keine 1.000, wird versichert, aber irgendwie werde man Gustav Mahlers „Achte“ schon zur Aufführung bringen.

Neue Akquisewelle geplant

Diese Sparmaßnahmen erwachsen aus einer Finanzierungslücke. Scheytt greift zum Filzstift und erklärt. Der organisatorische Kern des Gebildes Ruhr 2010 strebt ein Gesamtbudget von 65,5 Millionen Euro an. Das teilt sich wie folgt auf: 17 Millionen kommen vom Bund, 12 Millionen vom Land, 12 Millionen vom Regionalverband Ruhr, 6 Millionen von der Stadt Essen und – dann wird es schwierig.

Denn man rechnete letztes Jahr noch mit 17 Millionen Fördergeldern aus der Wirtschaft. Die Hälfte dieser Summe hatte der Initiativkreis Ruhrgebiet bereits zugesagt, die andere Hälfte würde schon zusammenkommen, war man sich sicher. Statt 8,5 wurden bisher allerdings nur 1,5 Millionen gesammelt, es bleibt eine Finanzierungslücke von 7 Millionen.

Diese Zahlen stellen nur die organisatorische Spitze des finanziellen Eisbergs dar: Prestigeprojekte wie der Umbau der Küppersmühle im Duisburger Innenhafen werden größtenteils mit öffentlichen Geldern gefördert, die in diese Rechnung gar nicht erst einfließen. Insgesamt sollen 350 bis 400 Millionen Euro bewegt werden, doch der organisatorische Kern um Pleitgen und Scheytt hantiert mit eben jenen 65,5 Millionen Euro. Oder weniger, wie es jetzt aussieht, wenngleich man Hoffnung in eine neue „Akquisewelle“ setzt.

Zentrum für die Kreativwirtschaft entsteht

Ein Trostpflaster immerhin kleben die Kulturhauptstädter auf die frische finanzielle Wunde. In Dortmund soll ein Zentrum für die Kreativwirtschaft entstehen, das sogenannte „European Centre for Creative Economy“, kurz ECCE. Förderung für das Institut im Dortmunder U kommt vom Bund, vom Land und der Stadt Dortmund, Träger ist die Wirtschaftsförderung, von der Kulturhauptstadt kommt die „Anschubfinanzierung“ und „ein Teil unserer Mitarbeiter“, wie Gorny sagt. Zu den Kosten heißt es: „Das hat nichts mit Millionen zu tun“, aber viel mit Nachhaltigkeit.

Ohne den Machern übel zu wollen, klingen Sätze wie „NRW hat dieses Thema für Europa erfunden“ dann aber doch ein wenig wie das Pfeifen im Walde. Und wenn Gorny von „kleinen Einschnitten“ spricht, dann beeilt sich Spannmann Pleitgen zu versichern, die Streichungen täten ihnen schon leid. Aber man habe natürlich Verständnis, mit der Krise sei nun einmal „force majeure“ am Werke. Auf die Nachfrage, ob das alles gewesen sei, kommt die bemerkenswert knappe Replik: „Im Moment ja.“

Die Metropole im Rückwärtsgang

Ach ja, und in noch einer Hinsicht legt die Kulturhauptstadt den Rückwärtsgang ein: Die EU-Kommission bemängelte beim Termin in Brüssel, dass die Planer sich vom ursprünglichen Motto „Essen für das Ruhrgebiet“ wegbewegt haben, hin zur „Metropole Ruhr“. Doch da Absprachen einzuhalten seien, wird auf der Homepage und in Werbebroschüren nun wieder das alte Motto benutzt werden – wie die Städte ihre Aktionen bewerben, das soll ihnen dann offenbar überlassen werden. „Dass die da in einer Namenlosigkeit verschwinden, wollen wir ja auch nicht“, sagt Pleitgen.

Dass viele Projekte bis zum Beginn des Kulturhauptstadtjahres gar nicht fertig sein werden, ficht die Verantwortlichen, darf man ihnen glauben, nicht an. Es sei doch egal, ob etwas „vor dem 31.12. vollendet wird oder danach“, betont Pleitgen, „Hauptsache, die Metropole Ruhr hat das Ding!“ Das sei ja auch im Sinne der Nachhaltigkeit.

Nur, dass Scheytt sich zum Schluss zu einem selbstbewussten „Keine Krise bei uns!“ hinreißen lässt, das klingt dann doch arg nach leisem Gesumme im dunklen Wald.

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