Essen. Die Kulturhauptstadt hat einen neuen Hauptsponsor - die Finanzgruppe Deutscher Sparkassen- und Giroverband gibt 2 Millionen Euro für ein Fotoprojekt, mit dem Künstler der "Düsseldorfer Schule" den Wandel im Ruhrgebiet dokumentieren sollen

Das SANAA-Haus auf dem Gelände der Essener Zeche Zollverein ist ein fantastisches Gebilde. Ein weißer Kubus mit 134 verschieden großen Fenstern – diese Architektur hat eine außerordentliche, künstlerische Aura. Noch schöner als der Blick von außen ist der von innen heraus – die Fenster verwandeln die Welt in gerahmte Bilder.

Große Wirkung

Eins davon zeigt das Doppelbockgerüst der Zeche Zollverein aus ungewohnter Seitenansicht, rechts daneben Schacht I. Der Blick der Gegenwart erfasst die Zeugen der Vergangenheit – ein besserer Ort ist nicht denkbar für eine Fotoausstellung, die das neue Ruhrgebiet präsentieren soll. Unter dem Titel „Ruhrblicke” wird sie vom 24. April bis 24. Oktober 2010 hier stattfinden, gesponsert von der Finanzgruppe Deutscher Sparkassen- und Giroverband.

Fast genau sechs Monate vor der Eröffnungsfeier der Kulturhauptstadt, die am 9. Januar auf Zollverein stattfindet, stellte 2010-Geschäftsführer Oliver Scheytt am Dienstag den fünften Hauptsponsor vor, und das neue, auf große Wirkung angelegte Projekt.

Elf Fotografen, darunter Laurenz Berges, Andreas Gursky, Candida Höfer und Thomas Struth, werden das Ruhrgebiet neu fotografieren. Sie sollen den Bildern von qualmenden Schloten neue entgegensetzen; sie sollen den Wandel künstlerisch dokumentieren und so das Bild vom Ruhrgebiet auch außerhalb der Region verändern.

Bild vom Ruhrgebiet verändern

Das Geld dazu gibt die Kulturstiftung der Sparkassen-Finanzgruppe, die Fotografie als Förderschwerpunkt pflegt; sie steht dem Kulturhauptstadt-Gedanken nahe, auch Weimar wurde 1999 unterstützt. Geld bekam auch das Emil-Schumacher Museum in Hagen, das Ende August eingeweiht wird. Das Engagement für das neue Bild vom Ruhrgebiet allerdings erfordert einigen Mut von den Geldgebern – sie bezahlen, was es noch nicht gibt.

Doch ihnen bürgen die Namen der Fotografen, unter ihnen Hilla Becher, die in diesem Jahr 75 Jahre alt wird. Gemeinsam mit ihrem verstorbenen Mann Bernd Becher hat sie das alte Revier mit Fotos eindrucksvoll porträtiert, deshalb wird eine Auswahl dieser historischen Aufnahmen die neuen Eindrücke ergänzen. Sie werden die einzige Reminiszenz an das Vergangene bleiben, und Hilla Becher will mit neuen Fotos zu der Schau beitragen.

Nachhaltigkeit ist gewährleistet

„Ruhrblicke” folgt mit seinem Konzept einer langen Tradition. Schon im 19. Jahrhundert, wenige Jahre nach der Erfindung der Fotografie, ließ der französische Staat historische Bauwerke in der Provinz möglichst komplett von Fotografen registrieren. Eine Aktion von sozialem Format startete Theodor Roosevelt in den 1930er Jahren: Er ließ das Elend der Farmer dokumentieren, die unter der Dürre und den Auswirkungen der Weltwirtschaftskrise litten. Roosevelt warb mit diesen Bildern in der Öffentlichkeit um Verständnis für seine Reformpolitik des New Deal. In Deutschland hat Ute Eskildsen, die Leiterin der Fotografischen Sammlung des Folkwang Museums Essen, 1987 eine Fotoserie präsentiert, die sich den Veränderungen des Ruhrgebiets widmete. Hier knüpft „Ruhrblicke” an.

Die Fotografen selbst haben sich für ihre Präsentation den SANAA-Kubus gewünscht, dessen eigenwillige Fenstervielfalt auf die Lichtsituation im Inneren abgestimmt ist. Das Gebäude, das von den Japanern Sejima und Nishizawa (der SANAA-Gruppe) errichtet und 2006 eingeweiht wurde, diente bisher der Zollverein School of Management and Design. Nach deren Rückzug zieht im November die Folkwang Hochschule ein. Teile der Foto-Schau werden später als Wanderausstellung gezeigt, so soll die erwünschte Nachhaltigkeit gewährleistet werden. Und natürlich wird es einen Katalog geben.

Fotografie wird einen Schwerpunkt im Kulturhauptstadt-Jahr bilden. Neben „Ruhrblicke” soll es elf weitere Fotoaustellungen geben, eine richtet das Ruhr Museum aus, eine andere Folkwang Museum aus. 2010 werden außerdem Schüler zu einem Fotowettbewerb aufgerufen.