Essen. Neu im Kino: In „Inside“ bringt Willem Dafoe als Kunstdieb Nemo eine One-Man-Show auf die Leinwand. Eine schauspielerische Wucht und Wonne.
Es soll ein ganz großer Coup werden. Nemo, spezialisiert auf Kunstraub, bricht in ein luxuriöses Penthouse ein, um die Werke eines Kunstsammlers zu stehlen. Doch diesmal geht alles schief. Das Sicherheitssystem verriegelt alle Ausgänge, die „intelligente“ Technik spielt verrückt. Der Dieb sitzt fest.
Der Beginn eines klaustrophobischen Alptraums, eines Überlebenskampfes in einem Goldenen Käfig, bei dem sich Nemos gesamte Kreativität entfalten muss. Mit dem Psychothriller „Inside“ hat der griechische Filmemacher Vasilis Katsoupis ein atmosphärisch dichtes, faszinierendes Kammerspiel geschaffen, in dem US-Schauspieler Willem Dafoe mit einer überzeugenden One-Man-Show glänzt. Eine schauspielerische Wucht und Wonne.
Der Kühlschrank spielt „Macarena“, sobald man seine Tür öffnet
Das 90-minütige Solo erinnert dabei an „Cast Away – Verschollen“ mit Tom Hanks als Schiffbrüchigen oder an „All Is lost“; Robert Redford allein auf hoher See: Es wird kaum gesprochen. Alles hängt an einem Darsteller.
Es ist zum Glück eine Freude, Willem Dafoe zuzuschauen, diesem hageren Kerl mit dem zerfurchten Gesicht und den irren Augen, in denen sich so viel abspielt. Wie er am Anfang sein Gefängnis erkundet, wie er hofft und verzweifelt, verbissen nach einem Ausweg sucht. Und irgendwann dem Irrsinn nah zum Hit „Macarena“ tanzt, den der smarte Kühlschrank abspielt, sobald man seine Tür öffnet.
Kaviar und Hundefutter als Proviant
Telefone und Sprechanlagen blockieren, die Klimaanlage macht, was sie will: Erst ist es heiß, dann eiskalt. Die Vorräte sind mager, bestehen aus Crackern, Kaviar, Hundefutter und dem Wasser, das einen Kunst-Dschungel inmitten der Wohnlandschaft versorgt. Auf einem Überwachungsbildschirm kann Nemo andere Menschen nur beobachten. Die junge Reinigungskraft Jasmine (Eliza Stuyck) wird dabei zur stummen Ansprechpartnerin und sinnlosen Hoffnung. Und immer wieder sehen wir den Gefangenen von hinten vor der Fensterfront sitzen und auf die Lichter der Stadt blicken. Der einsamste Mensch der Welt.
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„Inside“ kommt mit einem experimentellen Sound (Frederik Van de Moortel) in langen, intensiven Bildern daher (Kamera: Steve Annis), die an sich kleine Kunstwerke sind: Die Kamera beobachtet das Wasser beim Sprudeln und Tropfen formen, spiegelt sich in den Kristallen eines Designer-Schachspiels. Sie nimmt eine verletzte Taube auf dem Balkon ins Visier, Sinnbild wie die Fische im Aquarium. Und sie folgt Nemos Hand, wenn sie langsam über die Fensterscheibe streicht.
Ein millionenschweres Selbstporträt von Egon Schiele
Und stets hat sie die Kunst im Blick, die ihn, den Protagonisten umgibt und mehr und mehr erdrückt, so dass er zwischendurch wirkt, als sei er geschrumpft. Von Gemälden herab starren ihn Figuren an. Videoinstallationen scheinen ein gruseliges Eigenleben zu führen.
Und in einem verborgenen Zimmer hält ein künstlicher Toter Wache über ein millionenschweres Selbstporträt von Egon Schiele. Für Nemo ist es nichts mehr wert.
Vasilis Katsoupis hat eine Sinfonie aus düster-poetischen Sequenzen geschaffen, die von Zerstörung und Schöpfung erzählen: ein Trip durch den schleichenden Wahnsinn, der auch den, der zusieht, gefangen nimmt. Die Sache mit dem smarten Eigenheim sollte man sich vielleicht noch einmal überlegen.
>>> Das Luxusappartement entstand in Köln <<<
Willem Dafoe, 1955 in Appleton, Wisconsin, geboren, wurde durch zahlreiche Filmrollen bekannt. Unter anderem spielte er in „The Florida Project“ (2017), „Van Gogh – an der Schwelle zur Ewigkeit“ (2018), „Der Leuchtturm“ (2019), „Spider-Man: No Way Home“ (2021) und „The Northman“ (2022).
Der Thriller „Inside“ feierte im Rahmen der Berlinale-Reihe Panorama Premiere. Das Drehbuch schrieb Vasilis Katsoupis mit dem Autor Ben Hopkins.
Fast der gesamte Film wurde in den Kölner MMC Studios gedreht. Das Studio bot die Möglichkeit, ein 800 Quadratmeter großes und zehn Meter hohes Luxusappartement aufzubauen und auszustatten.