Essen. Robert Redford hat seinen Abschied von der Leinwand verkündet – dabei sieht man ihm seit Jahrzehnten gern bei der Arbeit zu. Mittwoch wird er 85.
Sein Abschied von der Leinwand vor drei Jahren war leise. Eine kleine altersmilde Komödie mit dem Titel „Ein Gauner und Gentleman“, in der es ausgerechnet um einen lebenslustigen Ganoven geht, der nicht aufhören kann, weil das Spielen sein Leben ist und ihn jung hält. Robert Redford aber, der mehr als ein halbes Jahrhundert lang Kinogeschichte(n) geschrieben hat, kündigte damals an, dass es das wohl war. Oder?
Robert Redford: Immer 30, blond und perfekt
Er wird immer 30, blond und perfekt sein, hat sein Lieblingsregisseur Sydney Pollack einmal über ihn gesagt. Es fällt uns in der Tat auch heute nicht schwer, in diesem wettergegerbten Gesicht den ewig jugendlichen Mann aus Santa Monica zu sehen, der am Mittwoch tatsächlich 85 wird. Man könnte glauben, das Schicksal habe sich in diesen Robert Redford verliebt, durchdrungen von der Leichtigkeit des Gelingens -- gäbe es nicht private Dramen im Schatten des Erfolgs. Der vierfache Vater hat zwei Söhne verloren: James starb im vergangenen Herbst mit 58 Jahren an Krebs, Scott 1959 bereits nach wenigen Monaten.
Als Filmstar indes, der die Leinwand zum Strahlen brachte, katapultierte er sich in die oberste Etage Hollywoods, in den 70ern kassierte er für eine Weile die höchsten Gagen. An seiner Schönheit, seiner Perfektion dürfte er kaum gelitten haben – seiner Wertschätzung als Schauspieler stand das aber oft im Weg. Man besetzte ihn mit seinem umwerfenden Lächeln gern als romantischen Helden: In Schmachtfetzen wie „So wie wir waren“ mit Barbra Streisand oder gehobenen Boulevardkomödien wie „Barfuß im Park“ mit Jane Fonda polierte er früh das Image des amerikanischen Traummanns.
Als er Meryl Streep im Hochglanz-Melodram „Jenseits von Afrika“ 1985 in der Wildnis mit der liebevollsten Haarwäsche der Filmgeschichte verwöhnte, verliehen ihm die mitgespielten Risse der Lebenserfahrung eines knapp 50-Jährigen noch mehr Verführungskraft: Ein Freiheitsliebender, der sich nicht einfangen lässt.
„All is Lost“ ist vielleicht Redfords beste Arbeit
Der Ein-Mann-Mythos entfaltet sich indes am stärksten in den Filmen, in denen Redford als Einzelgänger wortlos mit uramerikanischer Wucht zupackt: Regisseur Sydney Pollack (1934–2008), mit dem er sieben Filme drehte, schickte ihn 1972 in einem Meisterwerk als Trapper „Jeremiah Johnson“ in die unbarmherzige Natur, in der er zum vollbärtigen Überlebenskünstler mit Bärentöter und Fellmantel avanciert. Und mit immerhin 77 kämpfte Redford 2013 als Solist ums Überleben auf seiner sinkenden Yacht – „All is Lost“ ist vielleicht seine beste Arbeit überhaupt.
Es sind Filme, die zu Redfords darstellerischem Minimalismus passen, fernab von den Exzessen der Kollegen Pacino, De Niro oder Nicholson: ein Gesicht, in dem sich nicht alles ablesen lässt, ein Spiel, das Leerstellen lässt, die wir mit unserer Fantasie füllen. Einer Figur anderthalb Stunden beim Überleben zuzusehen, das funktioniert nur bei einem, der nie um unsere Sympathie buhlen musste: Wir waren immer auf Redfords Seite. Spätestens mit den beiden hinreißendsten Gaunerkomödien schlechthin hatte er uns eingewickelt: „Butch Cassidy and the Sundance Kid“ und „Der Clou“ – beide mit seinem Freund Paul Newman – machten ihn in den 70ern zum Weltstar.
Abgründige Typen spielt Redford nicht
Abgründige Typen hat er tatsächlich nie gespielt, das mag man ihm künstlerisch ankreiden. Aber es waren anspruchsvollere Stoffe, die ihn elektrisierten und vorantrieben. Enthüllungsthriller wie „Die Unbestechlichen“ über die Watergate-Affäre, „Bill McKay – der Kandidat“ über politische Korruptheit und „Die drei Tage des Condor“ über die schmutzigen Praktiken der Geheimdienste, gehören zu den amerikanischen Filmperlen aus einer Zeit, in der das Vietnam-gepeinigte Land seinen Institutionen misstraute und viele Landsleute Aufklärung verlangten. Robert Redford lieferte sie ihnen, ohne dass sein Status gelitten hätte. Er prangerte die Missstände seines geliebten Heimatlandes an, und stets schien es, als trauerte er dem ursprünglichen Amerika nach. „Ich bin interessiert daran, was falsch ist in dem, was so perfekt aussieht“, hat er mal gesagt.
Kein Oscar als Schauspieler, dafür als Regisseur
Natürlich hat Hollywood Robert Redford reich gemacht, aber es zog ihn schon früh zu kleinen Projekten, die den Studios zu speziell und nicht lukrativ genug schienen. Was ihm als Schauspieler verwehrt wurde, gelang ihm hinter der Kamera bei einem seiner neun Versuche: Für das Drama „Eine ganz normale Familie“ belohnte ihn die Academy 1981 mit dem Regie-Oscar.
In den Bergen von Utah, wo Redford 1968 ein ganzes Skigebiet kaufte und mit den Jahren ein traumhaft schönes Ökoresort errichtete, erfand er das unabhängige amerikanische Kino mit dem Sundance-Festival praktisch im Alleingang. Aus ihm gingen Filmemacher wie die Coen-Brüder, Quentin Tarantino oder Jim Jarmusch hervor.
Sundance, wo Robert Redford mit seiner zweiten Frau lebt, der Hamburger Malerin Sibylle Szaggars (64), wird sein Rückzugsort bleiben: „Andere haben Psychotherapeuten, ich habe Utah.“