Essen. Extreme Gefühle, starke wie dunkle sind der Motor für einen Ausnahmekünstler gewesen. Ein Kinofilm erzählt aus dem Leben von „Egon Schiele“.
Alles beginnt mit einem Moment sinnloser Zerstörung. In einem Ofen lodert Feuer, ein Mann in Uniform ist vollkommen außer sich und wirft immer mehr Aktien und Obligationen in die Flammen. Seine Frau versucht vergebens, ihn aufzuhalten. Seine Kinder zerren an ihm. Schließlich fällt er einfach um und stirbt, während das Vermögen der Familie und damit auch deren Zukunft verbrennt. Dieses irre Feuer aber endet nur scheinbar – fortan wird es in Egon Schiele, dem Sohn des Rasenden, weiter lodern.
Wahn des Vaters
Der alles verzehrende Wahn des Vaters steht nicht zufällig am Anfang von „Egon Schiele“: Dieter Berner hat unter diesem Titel Hilde Bergers Roman „Tod und Mädchen“ verfilmt. Er ist der Quell, aus dem heraus sich Berner zufolge alles weitere erklären lässt. Jahre später wird sich der von Noah Saavedra gespielte Egon Schiele mit solcher Wucht dieser Nacht der Zersetzung erinnern, dass er fast das Bewusstsein verliert. Die Bilder vom flackernden Feuer und vom delirierenden Vater verfolgen ihn wie ein Fluch. Trotzdem gibt er seinem Vater sogar Recht: Geldscheine seien nichts weiter als grüne Fetzen, davon ist der expressionistische Maler überzeugt. Und dennoch ist es das Geld, das ihm immer wieder seine Entscheidungen diktiert.
Wie Hilde Bergers Roman konzentriert sich auch Berners Kinoadaption auf die Frauen in Schieles Leben. Seine Obsession für den weiblichen Körper, die sich in einigen seiner berühmtesten Werke spiegelt, geht einher mit ebenso obsessiven Beziehungen. Zunächst ist es seine damals erst 16-jährige Schwester Gerti (Maresi Riegner), mit der ihn ein inzestuöses Verhältnis verbindet und die all sein Handeln bestimmt. Später sind es dann Modelle wie Moa Mandu (Larissa Aimée Breidbach) und Wally Neuzil (Valerie Pachner), die es ihm ermöglichen, die Grenze zwischen Kunst und Leben immer weiter zu verwischen.
Erotik als Motor und Motiv
So wird in Berners Künstler- und Zeitporträt die Erotik zum zentralen Motiv und Motor. Es ist eine sehr Freud’sche Sicht auf die Wiener Moderne der 1910er-Jahre. Die vieles andere, etwa den schleichenden Untergang der K.-u.-k.-Monarchie und die verheerenden Verwüstungen des Ersten Weltkriegs, weitgehend ausblendet. Aber diese einseitige Auseinandersetzung mit Schiele und seinem Werk, das der Film eher am Rande streift, entwickelt ihren eigenen Sog.
Berners Kinobilder, die oft im Licht der Kerzen oder im strahlenden Sonnenschein regelrecht zu zerfließen scheinen, und sein junges, extrem unbekümmert aufspielendes Ensemble, das sich immer wieder dem Rausch der Leidenschaften wie der Visionen überlässt, beschwören eine ungeheuere Sinnlichkeit herauf. So kommt der Film über einen Umweg Schieles Zeichnungen und Gemälden letztlich doch sehr nahe.