Essen. Auch als Geschenk geeignet: Im Dezember-Krimi „Die rote Jawa von Matthias Wittekindt reist Kriminaldirektor A. D. Manz in seine Vergangenheit.

Auf den ersten Blick möchte man das neue Buch wohl in die Schublade der „Gemütlichkeitskrimis“ stecken. Aber die Geschichte hat einen doppelten Boden, verbirgt Geheimnisse, auch ungemütliche. Das liegt daran, dass diese Krimireihe uns „Alte Fälle von Kriminaldirektor a. D. Manz“ vorstellt, indem sie stets im normalen Pensionärsalltag beginnt, dann aber in seine Vergangenheit zurückblendet. Dafür gibt es wechselnde Auslöser: Die Wiederaufnahme eines alten Prozesses, oder die Neugier von Vater Manz, der seine große Tochter, die Anwältin, mal vor Gericht erleben möchte.

In Matthias Wittekindts neuestem Band „Die rote Jawa“ aber „spricht“ die Erinnerung selbst, und zwar so spontan oder „unwillkürlich“ wie in den größten Werken der Weltliteratur, von Homer bis Marcel Proust. Bei dem spielt bekanntlich ein Gebäck namens „Madeleine“ eine Rolle, bei Manz ist es am Weihnachtsabend der Duft der festlichen „Milchhähnchen“ im Backofen.

Der Kriminaldirektor Manz als 16-Jähriger bei der Feuerwehr

Wie auch immer: Wunderbar verjüngt, reist der kleine Manz (16), ansässig in Berlin, Hauptstadt der DDR, im Sommer 1961 frohgemut und wohlversorgt mit (westlichen) Kondomen nach Mecklenburg, jetzt „Bezirk Neubrandenburg“. Bei Waren an der Müritz kann er in den Sommerferien in der Feuerwehr hospitieren, die ist ja vorerst sein Lebensziel. Aber nun bringen ihn Zwei auf andere Gedanken: Maja (19) mit den langen blonden Haaren und ihre rote Jawa – ein international sehr geschätztes Kleinmotorrad aus tschechoslowakischer Produktion, hier mit Gepäckträger über dem Hinterrad. „Du kannst ihm dann ja mal zeigen, wie es geht“, meint Majas jovialer Vater mit schwedischen Wurzeln. Und das tut sie dann auch, in den rasanten Kurven – „Festhalten!“ – wie später „im Klee“ („nochmal?“) und „hinter dem Holunderbusch“…

Mord, Totschlag und ein abgebranntes Wohnhaus

Aber es geht nicht nur um „Frühlings Erwachen“, sondern um Mord und Totschlag. Oder doch nur um einen Unfall? Jedenfalls ist das Wohnhaus der Gärtnerei abgebrannt und das Ehepaar Pannwitz darin zu Tode gekommen. Ihre zwei halbwüchsigen Töchter haben zum Glück draußen übernachtet. Es ist ja August. Dem jungen Feuerwehrhelfer Manz missfällt aber die mangelnde Sorgfalt des Kommissars aus Neubrandenburg. Er bemüht sich, mit Majas und der Jawa Hilfe, um Nachbesserung. Sein lebenslanger Ermittlersinn ist dauerhaft erwacht! Doch dann schlägt plötzlich die unselige Politik in die Szenerie, und zwar gleich doppelt.

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um einen zeigt sich, dass es im Fall Pannwitz wohl um eine Selbsttötung aus Verzweiflung geht. Ihre Gärtnerei stand der Zwangskollektivierung im Wege, die spät auch den mecklenburgischen Winkel erreicht hat (eine moderne Variante des uralten Mythos von Philemon und Baucis, nebenbei bemerkt). Zum andern aber reißt der gut informierte „Onkel“ Jochen (ein gesamtdeutsches Codewort für Liebhaber alleinstehender Mütter) den kleinen Manz fast mit Gewalt aus seinem privaten Sommermärchen und verfrachtet ihn – nach Westberlin. „Zwei Tage später wurde die Mauer gebaut.“ Und dort wird er später einmal Karriere machen …

All dies erzählt Opa Manz seinem Lieblingsenkel, ehe er dann die Hähnchen aus dem Ofen holt. Das kleine Buch in weihnachtlichem Design passt jedenfalls gut unter jeden Christbaum.

Matthias Wittekindt: Die rote Jawa. Kampa Verlag, 221 S, 19,90 €.