Neu im Kino: die Rückkehr von „Avatar“, ein Film mit Harry Styles, ein Blick auf Fassbinder und eine Doku über Chöre in der Corona-Krise.
„Avatar – Aufbruch nach Pandora“
Es gibt diese Filme, die ihren Schatten sehr lange voraus werfen; vor allem wenn der Regisseur James Cameron heißt. Rund zehn Jahre geisterte das Projekt „Avatar“ durch die Branche, dann startete die Produktion durch, um als Prestigeprojekt der 3D-Technik aufzutrumpfen. Heute weiß man: „Avatar“ überwältigte das Publikum mit bis dahin nicht gesehener Tricktechnik und avancierte in der Folge zum in absoluten Zahlen kassenträchtigsten Film aller Zeiten. Man weiß auch: Der 3D-Boom ebbte so schnell ab, wie er herbeigeredet worden war.
Nun kommt der erste Teil des Blockbusters frisch aufgerüstet erneut in die Kinos. Regisseur James Cameron verpasste dem Erfolgsfilm ein technisches Update. So beachtlich der Produktionsaufwand, so simpel bleibt die Story. Erdensoldaten sollen auf dem Planeten Pandora sagenhafte Rohstoffvorräte sichern. Die Ureinwohner, die Na’vi, wollen das nicht. Ein Soldat gerät zwischen die Fronten und verliebt sich in eine Na’vi-Kriegerin.
Blauhäutige Wesen mit Kulleraugen und Schwänzen als Ersatz für Cochise und Pocahontas - es gibt Western und Tarzan-Filme, die ganz ähnliche Geschichten in der Hälfte der Zeit und doppelt so spannend erzählten. Cameron kündigte vom Erfolg enthusiasmiert zwei Fortsetzungen an, es werden nun vier sein. Die Welt braucht Rohstoffe.
„Don’t Worry Darling“
Willkommen im Victory Project. Hier arbeiten die Männer am Fortschritt und die Frauen am häuslichen Glück zwischen Kochen, Putzen, Sex und Cocktails. Das alles findet statt in einem keimfrei idyllischen Siedlungsparadies mitten in der Wüste am Beginn der Sechzigerjahre. Jack Chambers ist der aufstrebende Victory-Mitarbeiter, seine Frau Alice (offensiv: Florence Pugh) ist beliebt und begehrt. Bis der Verdacht in ihr keimt, dass etwas mit Victory und seinem Boss Frank (diabolisch: Chris Pine) nicht stimmen könnte.
Auch interessant
Natürlich ahnt man früh, dass die Dinge in diesem Film zu schön sind, um wahr sein zu können, wenn arbeitseifrige Ehemänner im Heimlichkeitsmodus und drollig aufgeputzte Heimchen für Garten, Herd und Hormontrieb ein Muster-Amerika im Stil der Eisenhower-Ära exerzieren. Das erinnert an „Die Truman Show“ und „Die Frauen von Stepford“, und Hitchcock hatte Recht, als er Stoffen mit überzogen aufgebauschtem Geheimnis misstraute, weil die Auflösung entweder unglaubwürdig oder banal ausfallen würde.
In diesem Film ist beides der Fall, weil Olivia Wilde, die auch Alices beste Freundin Bunny spielt, in ihrer zweiten Regiearbeit in allem viel zu dick aufträgt. Wie im Musikvideo werden Bildfolgen einer Rasanzmontage unterworfen, macht die Kamera mit Schwenks auch da ständig was los, wenn es gar nicht nötig ist. Die Rolle des Alex besetzte Wilde mit Pop-Superstar Harry Styles, der gierig gucken kann, für dramatische Momente aber noch viel lernen muss.
Immerhin wurden die beiden beim Dreh ein Paar. Jetzt darf „Olivarry“ gern auch einen guten Film machen.
„Peter von Kant“
Er ist als Genie verehrt und als Mensch gefürchtet. Wer ihm nahesteht, weiß um seine Arbeitswut, sein aufbrausendes Wesen und die Verachtung gegenüber jenen, die ihn lieben. Peter von Kant ist das selbstzerstörerische Kreativzentrum des deutschen Films, das Frauen betörend schön auf die Leinwand bannt, dessen Herz aber nur für Männer schlägt. Seine neue Eroberung ist ein Orientale.
François Ozon lässt keinen Zweifel, dass sein Film dem Idol Rainer Werner Fassbinder gewidmet ist und sich dafür frei an dessen Melodram „Die bitteren Tränen der Petra von Kant“ von 1972 schadlos hält. Denis Ménochet spielt die Titelrolle mit lüsternem Blick und geifernder Fleischlichkeit, Isabelle Adjani, trügerisch verschlankt und geschminkt, sucht als Filmstar Sidonie die Nähe zur Fassbinder-Muse Margit Carstensen – Khalil Garbia und Stefan Crepon sind Kants höchst verschieden geartete Lustknaben, und Hanna Schygulla hat einen Kurzauftritt als Fassbinders Mutti. In der Summe ergibt das eine schwitzige Stilübung mit kunstvoll arrangiertem Studiolicht, aber die eine Erkenntnis, dass Fassbinder schwul und schwierig war, ist wirklich nicht neu.
„Unsere Herzen – ein Klang“
Hier spielt die Musik. Im September 2019 leitet der britische Stardirigent Simon Halsey in Hannover mit Kollegin Judith Kamphues eine Masterclass für Chordirigenten. Mit dabei ist die koreanische Studentin Hyunju Kwon, die ihre Sporen erst noch verdienen muss. Was niemand ahnt: Ein halbes Jahr später bescherte ihnen die Corona-Pandemie eine Zwangspause. Ein Thema für Simone Dobmeier und Torsten Striegnitz und ihren Dokumentarfilm „Unsere Herzen – ein Klang“.
Auch interessant
Vorab: Der Film bietet keinen Blick in das Innenleben der Sängerinnen und Sänger. Und Chorgesang gibt es zwar oft, aber immer nur auszugsweise zu hören. Der Fokus liegt hier auf die Arbeit hinter den Kulissen. Halsey, Kamphues und Kwon kommen dabei immer abwechselnd zu Wort. Alle drei verfolgen Projekte, bei denen die Kamera sie begleitet. Und alle müssen erstmal damit klarkommen, dass sie durch Corona ausgebremst werden.
So muss das Mitsingkonzert mit 1000 Chorsängern ausfallen; man sieht Halsey statt dessen mit Frau und Hund daheim in England, wie er über die Zukunft nachdenkt. Während auch Kwon eine Prüfung verschieben muss und die Zeit bei ihrer Familie in Korea verbringt, stellt Judith Kamphues enttäuscht fest, dass sie mit ihrem Frauenchor via Zoom nicht proben kann. Alle sind überglücklich, als sie endlich wieder zusammen sein können.
„Unsere Herzen, ein Klang“ ist ein liebevoller Beitrag über das Wirken der Chorleiter, der jedoch vor allem für Insider interessant ist. Aber auch Nicht-Sänger freuen sich am Ende mit den Protagonisten, die doch noch alle an ihr Ziel gelangen. Die beste Nachricht bleibt jedoch: Die Kunst hat Corona überlebt.