Essen. Lichtburg: Oskar Roehler präsentiert Fassbinder-Film „Enfant Terrible“. Warum Hauptdarsteller Oliver Masucci großen Respekt vor der Rolle hatte.

Der Rote Teppich musste diesmal ausfallen. In Corona-Zeiten sehen auch Lichtburg-Premieren anders aus üblich. Pech für die Schaulustigen und Autogrammjäger, die sonst den Eingang zum Filmpalast säumen. Die Zuschauer in der Lichtburg aber erlebten einen gut aufgelegten Regisseur Oskar Roehler, dessen Film „Enfant Terrible“ über Leben und Werk des Regisseurs Rainer Werner Fassbinder am Freitagabend in Essen NRW-Premiere feierte. Mit dabei auch Hauptdarsteller Oliver Masucci, („Er ist wieder da“), der die Rolle des begnadeten Regie-Berserkers auch ein Jahr nach Drehschluss immer noch nicht ganz abgelegt hat. „Es gibt Momente, die werde ich mein Leben lang erinnern.“

Hauptdarsteller Oliver Masucci hatte „wahnsinnigen Respekt“ vor der Rolle

Szene aus „Enfant terrible“ mit Oliver Masucci als Rainer Werner Fassbinder.
Szene aus „Enfant terrible“ mit Oliver Masucci als Rainer Werner Fassbinder. © Weltkino

Dabei wollte Masucci die Rolle des 1982 verstorbenen Rainer Werner Fassbinder anfangs gar nicht spielen, „ich hatte auch wahnsinnigen Respekt davor“. Geht Roehler in seiner Fassbinder-Verfilmung doch alles andere als heldenverehrend mit dem bajuwarischen Kino-Kraftwerk um. Er zeigt vielmehr auch dessen selbstzerstörerische und sadomasochistische Seite, seine manische Arbeitswut, die von Alkohol und Drogen gekennzeichneten Abgründe. Wie Fassbinder sein Schauspieler-Team manipulierte, erniedrigte, aber auch wie er seine Film-Familie um sich scharte und mit Arbeit versorgte. „Ich habe ihn am Ende auch sehr liebgewonnen“, versichert Masucci, der sich dem Bürgerschreck Fassbinder auf eine ganz faszinierende Weise nähert.

„Ich hätte keine Lust gehabt, mit jemand anderem den Film zu machen“, sagt Roehler über seinen Hauptdarsteller, der neben Stars wie Katja Riemann und Eva Mattes glänzt. Mattes ist in dem Film als Brigitte Mira in dem legendären Fassbinder-Film „Angst essen Seele auf“ zu erleben, für den der bayerische Leinwand-Berserker 1974 bei den Filmfestspielen in Cannes den Kritikerpreis bekam.

„Enfant Terrible“ hätte im Mai bei den Filmfestspielen von Cannes laufen sollen

Eigentlich hätte auch „Enfant Terrible“ im Mai im Wettbewerb von Cannes laufen sollen. Dann kam Corona. Ein Tiefschlag, denn Roehler hat viele Jahre für die Realisierung dieses Filmprojekts gekämpft. Mitgeholfen hat vor allem auch die Filmstiftung NRW. In den Kölner MMS-Studios wurde denn auch ein Großteil des Films gedreht. Vor theatralen Kulissen, deren bewusst ausgestellte Künstlichkeit und Atmosphäre Roehler heute als „wichtige Entscheidung“ bewertet. „Das hat mich komplett von allen Konventionen befreit.“

Der Regisseur, der in den vergangenen Jahren mit Ausnahme-Projekten wie der Verfilmung des Houellebecq-Romans „Elementarteilchen“ oder dem bitter-poetischen Mutter-Porträt „Die Unberührbare“ immer wieder Glanzpunkte abseits vom Kino-Mainstream gesetzt hat, wollte mit „Enfant Terrible“ kein herkömmliche Kinobiografie über den Star des Neuen Deutschen Films machen, der mit nur 37 Jahren starb und in seiner manischen Arbeits-Wut bereits 40 Filme gedreht hatte. Das Lichtburg-Premierenpublikum jedenfalls schloss sich Roehlers Intention mit viel Applaus an: „Wir leben in intensiven Zeiten, da braucht es intensive Bilder.“

„Enfant Terrible“ kommt am 1. Oktober in die Kinos.

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