Essen. Der Dokumentarfilmer Brett Morgen hat ein schillerndes David-Bowie-Porträt geschaffen. Jetzt kommt „Moonage Daydream“ in die Kinos.
Alles ist vergänglich. David Bowie betont es gleich zu Anfang. Nun, sicher sein kann man sich in diesem Fall nicht. Als der charismatische Rockstar 2016 im Alter von nur 69 Jahren starb, hinterließ er ein gigantisches Archiv. Der Dokumentarfilmer Brett Morgen hat es mit hochoffizieller Erlaubnis gesichtet: ein riesiger Fundus. Und der Beginn eines Mammutprojekts.
Vier Jahre dauerte es, bis er das Material zusammengestellt hatte. Weitere 18 Monate benötigte er für die Gestaltung der Soundkulisse, der Animationen und der Farbpalette. Nun kommt sein exzellentes Bowie-Porträt in die Kinos. Satte 140 Minuten dauert „Moonage Daydream“ – und ist trotzdem keine Sekunde zu lang.
Ziggy Stardust, Major Tom und der Mann im Mond
Er war der Mann im Mond; der außerirdische Rockstar Ziggy Stardust, Major Tom, Thin White Duke und noch einiges mehr: David Bowie, Verwandlungskünstler, genialer Selbstvermarkter – gefeierter Popstar. Aber er war auch Philosoph, Maler und Dandy. Und alles das zeigt diese Film.
Brett Morgen hat ein schillerndes Kaleidoskop aus Gedanken, Bildern und Musik geschaffen. Eine Dokumentation – aber von einer trockenen Biografie Tausende Meilen entfernt. Denn „Moonage Daydream“ ist mehr. Ein Musikfilm mit tollen Livemitschnitten. Ein liebevolles Fan-Porträt.
Aber vor allem ist er eine Charakterstudie, der es gelingt, Bowies Entwicklung deutlich zu machen; vom exaltierten, leicht unsicheren jungen Künstler und schrägen Paradiesvogel mit der Lust an der Provokation bis zum reflektierten Mann mittleren Alters, der in der Ehe mit dem Fotomodel Iman wohl endlich seine Ruhe fand.
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Gleich in den ersten Minuten rückt man an Bowie heran. Dem Buddhismus nahestehend, spricht er, am 8. Januar 1947 im Londoner Stadtteil Brixton geboren, über die Endlichkeit menschlichen Seins, die für ihn vor allen Dingen eins mit sich brachte: den besten Grund, das Leben zu lieben.
Filmzitate und ein Ausflug in den Buddhismus
Hier beginnt eine wahre Flut von Film- und Literaturzitaten: „Metropolis“, „Nosferatu“, Nietzsche, dazu Bilder vom Weltall, schnell geschnitten und immer wieder unterlegt von psychedelisch-bunten Bildern. Man wird förmlich hineingesogen in diese pulsierende Bowie-Galaxie, die sich von den 60ern bis in die 90er Jahre erstreckt.
Vor allem einer kommt ausführlich zu Wort: Bowie selbst. Er hat dem englischsprachigen Fernsehen gut durchdachte Interviews gegeben, die auszugsweise zu sehen sind. „Ich bin ein Sammler und habe immer Persönlichkeiten gesammelt“, sagt er etwa über sich. Und gibt seinen Zuhörern einen Rat mit auf den Weg. „Alle Menschen wünschen sich, sie hätten das Leben mehr genossen. Also nutze die Zeit!“
David Bowie als gut gekleideter Privatmann auf Reisen
Wir erleben den Exzentriker auf der Bühne – und begleiten einen gut gekleideten Privatmann auf Reisen. Dabei geht es vorbei an Lebensstationen wie dem alten West-Berlin („Die härteste Stadt der Welt“) und Los Angeles. Viele Konzertaufnahmen sind zu sehen, Performances von „Life on Mars“, „Space Oddity“, „Ashes to Ashes“, „Heroes“, „Sound and Vision“, „Starman“ und später „Let’s Dance“. zwischendurch kommen entrückte Fans zu Wort („Man muss für ein Make-up doch nicht schwul sein, es sieht einfach nur gut aus“). Dazu gibt es Privataufnahmen, etwa aus Berlin und aus Thailand.
Und so ist man ihm am Ende sehr nah gekommen, diesem rätselhaften David Robert Jones alias David Bowie: hervorragender Musiker, komplexer Charakter, Freund des Lebens. Alles ist vergänglich. Aber mit diesem Film hat ihm Brett Morgen wieder zu einem Stück Unsterblichkeit verholfen.