Oberhausen. Im Arthouse-Programm der Lichtburg erzählen Filmdramen von Prägungen der Kindheit. Das Walzenlagerkino zeigt den „Ausbruch“ einer älteren Dame.

Besondere Blicke auf die Kindheit sind das Leitmotiv des Arthouse-Programms in der Lichtburg. Dafür stellt uns das kleine Kino im Walzenlager im dokumentarischen Roadmovie eine geradezu verwegene alte Dame vor.

Das Drama eines altmeisterlichen Gemäldes

Die Verfilmung eines annähernd tausendseitigen Romans, Donna Tartts mit dem Pulitzer-Preis ausgezeichneten „Distelfink“ von 2013, kann nur ein Appetizer sein für das große Lektüre-Erlebnis – in der Lichtburg um 17.30 und 20.15 Uhr zu sehen. Als 13-Jähriger besucht Theo Decker mit seiner Mutter Audrey das New Yorker Metropolitan Museum, als dort ein Terroranschlag verübt wird. Theo überlebt, seine Mutter nicht. Im Chaos nach der Explosion drängt ihm ein sterbender alter Mann nicht nur seinen Ring auf, sondern auch ein kleines, altmeisterliches Gemälde: „Der Distelfink“. Das Bild wird Theos kostbarster Schatz und gibt seinem Leben eine neue Richtung. Doch es führt auch dazu, dass Theo über die Jahre in die kriminelle Unterwelt abrutscht.

Blick zurück auf ein Missbrauchs-Trauma: Denis Ménochet als François, Éric Caravaca als Gilles, Swann Arlaud als Emmanuel  und Melvil Poupaud als Alexandre in „Gelobt sei Gott
Blick zurück auf ein Missbrauchs-Trauma: Denis Ménochet als François, Éric Caravaca als Gilles, Swann Arlaud als Emmanuel und Melvil Poupaud als Alexandre in „Gelobt sei Gott". © Pandora Filmverleih

Von Kriminalität gegen Kinder erzählt der vielseitige François Ozon in seinem Drama „Gelobt sei Gott“, in der Lichtburg zu sehen um 17.45 und 20.30 Uhr, auf der Berlinale mit dem Silbernen Bären für die beste Regie ausgezeichnet. Drei Kindheitsfreunde vergleichen ihre Erfahrungen im familiären und beruflichen Leben. Alexandre, François und Gilles sind unterschiedlichster Natur. Alexandre ist sehr katholisch, François ein Kämpfer und Gilles ein absoluter Lebemensch. So philosophieren sie über das Leben, über Liebe und Partnerschaft. Gemeinsam ist ihnen ein Trauma: Sie wurden als Kinder vom selben Priester missbraucht und beginnen nun, diese Erfahrungen öffentlich zu machen.

Der Helferin gehen die Optionen aus

Ebenfalls Berlinale-geehrt ist der intensive Debütfilm von Nora Fingscheidt: „Systemsprenger“, in der Lichtburg täglich um 18 Uhr, erzählt von der neunjährigen Benni, von der jungen Helena Zengel in einer erstaunlichen Performance verkörpert. Durch ein frühkindliches Trauma hasst Benni es, im Gesicht berührt zu werden, eine Schwäche, die andere Kinder in der Schule oder den wechselnden Heimen, durch die sie gereicht wird, ausnutzen. Kommt es zum Streit, reicht eine Berührung und Bennis rastet aus. Die Sozialarbeiterin hat trotz allem große Sympathien für das kluge Kind – doch langsam gehen ihr die Optionen aus.

Die Sozialarbeiterin und ihr schwierigster Schützling: Helena Zengel spielt mit unglaublicher Intensität die neunjährige „Systemsprengerin“ Benni.
Die Sozialarbeiterin und ihr schwierigster Schützling: Helena Zengel spielt mit unglaublicher Intensität die neunjährige „Systemsprengerin“ Benni. © Yunus Roy Imer / Port au Prince Pictures

Einen „Ausbruch“ der liebenswürdigen Art wagt die 64-jährige Margot Flügel-Anhalt im Dokumentarfilm „Über Grenzen“, täglich um 18 Uhr im Kino im Walzenlager. Sie setzt sich auf eine 125er Reise-Enduro und steuert das kleine Motorrad bis nach Zentralasien. 117 Tage dauert die Abenteuer-Tour über 18.046 Kilometer durch 18 Länder. Einen Motorrad-Führerschein besitzt die Dame so wenig wie Zweirad-Erfahrung. Doch der alte graue Pkw-Führerschein genügt offiziell für die kleine 125er. Den Rest erledigen selbstbewusste Neugier, Mut zum Risiko sowie sympathische Offenheit. Für Margot gerät die Tour zum Glückstrip ihres Lebens – für das Publikum zum charmanten Road-Movie.