Essen. WAZ-Bibliothek des Ruhrgebiets: Hatice Akyüns Erinnerungen an Kindheit, Familie und das Aufwachsen in dem Buch „Einmal Hans mit scharfer Soße“.

„Ich muss zugeben, dass ich mir heute manchmal wünsche, mein Vater hätte mich irgendwann zwangsverheiratet. Das hätte mir viel lästiges Suchen, zahllose Hoffnungen und ebenso viele Enttäuschungen erspart.“ Diese schockierenden Sätze fallen mitten in Hatice Akyüns Buch „Einmal Hans mit scharfer Soße“ , und schon der Titel warnt ja vor, dass in diesem Buch nichts so heiß gegessen wird, wie es vom Fabulierherd der Deutschtürkin aus Duisburg kommt. Ironie und oft auch Selbstironie ist der heitere Grundton dieser Erinnerungen, die Hatice Akyün aus gutem Grund nicht „Roman“ nennt, weil es sich um die Erinnerungen an ihre ersten 30 Jahre handelt.

Hatice Akyün hat in der Duisburger Lokalredaktion der WAZ mit der Zeitungsarbeit angefangen, ein Volontariat gemacht und startete dann in der Glamour-Zeitschriften-Welt im Berlin der Nuller-Jahre durch, bevor sie auch für renommierte Organe wie den Spiegel, Emma oder den Tagesspiegel schrieb, etwa Reportagen über die Situation der Frauen in Afghanistan.

Erinnerungen an Kindheit, Familie und das Aufwachsen

Ihr Vater war Schafhirt in Anatolien, bevor er Anfang der 70er-Jahre nach Duisburg zog, um als Bergarbeiter anzuheuern. In Deutschland wird er religiöser werden, aber das ist nur eine von diesen Nebenbei-Beobachtungen, die Hatice Akyün schildert. Es sind Erinnerungen an ihre Kindheit, ihre Familie und das Aufwachsen zwischen Moschee und Kohleofen, sommerlichen Fahrten in ihr Geburtsdorf, die vier Tage dauern, und den Essgewohnheiten türkischer Einwanderer, die viel mehr mit Symbolik, Lebensstil und Sozialverhalten zu tun haben als mit deutscher Nahrungsaufnahme – und die saukomisch sein können, obwohl kein Schweinefleisch drin vorkommt.

Man lernt viel über dieses „Leben in zwei Welten“ und die kleine Hatice, die ganze Stapel aus dem Bücherbus der Bibliothek hortet und als einzige in der Familie zum Kern der deutschen Sprache findet, weil sie liest, liest, liest. Man lernt, dass Deutsche bei Türken Hans und Helga heißen, und dass emanzipierte türkische Frauen wie Hatice Akyün an neudeutschen Männern einiges vermissen, was mit der „scharfen Soße“ des Titels gemeint ist.

Die glückliche Kombination des Besten aus beiden Welten

Hatice Akyün verkörpert eigentlich die glückliche Kombination des Besten aus beiden Welten. Dass man auch damit ausgerechnet in Herzensdingen auch unglücklich werden kann, überspielt die Autorin in ihrer ironischen Leichtigkeit, mit der sie deutsche Männer verspottet, die beim Ausgehen die Rechnung teilen oder beim Abholen im Auto sitzen bleiben, statt die Tür zu öffnen und wenigstens verbal einen roten Teppich auszurollen. Hinter der Widmung dieses Buches („Dem zukünftigen Hans“) steckt mehr als Koketterie, ihren Hans hat Hatice bis heute nicht gefunden.

Sie kann aber auch ganz unbefangen-heiter von „einer ganz neuen Art von Frauenbewegung“ schreiben, „die auf zehn Zentimeter hohen Absätzen daherkommt“ und dazu führt, dass sie ihre Körpergröße mit 1,70 Metern angeben kann, weil ihr diese Absätze längst zu einem Körperteil geworden sind.

Mentalitäten der ersten und zweiten Einwanderer-Generation

Dieses Buch über Mentalitäten der ersten und zweiten Einwanderer-Generation aus der Türkei ist eine charmante Bilanz über das,was an Integration immerhin gelungen ist – und sorgt zugleich für ein tieferes, besseres Verständnis für alles, was nicht gelingen konnte, durfte, sollte.

Hatice Akyün: Einmal Hans mit scharfer Soße. Leben in zwei Welten. WAZ-Bibliothek des Ruhrgebiets , Klartext Verlag, 190 S., 9,95 €.

Bislang besprochen wurden die „WAZ-Bibliothek des Ruhrgebiets“-Bände: - die Kumpel Anton-Glossen - Max von der Grüns „ Irrlicht und Feuer “ - Michael Klaus’ „ Nordkurve “ - „ Streuselkuchen in Ickern “ von Hans Dieter Baroth - Ralf Rothmanns Revier-Roman „ Milch und Kohle “ - Liselotte Rauners „ Ein Stück Himmel. Gedichte und Epigramme “ - „ Nennt mich nicht Nigger. Kurzgeschichten aus zwei Jahrzehnten “ von Josef Reding, und Inge Meyer-Dietrichs „ Plascha – oder Von kleinen Leuten und großen Träumen “.