Essen. Der dritte Band der WAZ-Bibliothek des Ruhrgebiets: „Nordkurve“ von Michael Klaus – ein Buch, das noch mehr vom Revier als vom Fußball erzählt.

Man staunt nicht schlecht, wenn man liest, dass Michael Klaus seine Geschichte von der „Nordkurve“ schon 1982 veröffentlicht hat – ein heiter-grimmiges Drama über die Seuche der Kommerzialisierung, die dem Fußball schon damals jede Menge Dellen einbrachte, bei aller Spielfreude.

Deshalb geht es hier mit ruppigem Charme eigentlich auch gar nicht mehr um den Fußball, sondern um eine ganze Ruhrgebiets-Lebenswelt, um die Menschen drumherum. Stadion, Kneipe, Wohnzimmer, und darin lauter Typen, mit kraftvollem, oft gekonnt grobem, ja satirischen Strich gezeichnet: Teddy, der einstige Star der Mannschaft und jetzt ein Wirt, der jedem Streit aus dem Weg geht und nebenbei illegal Hunde für Tierversuche an Kosmetikfirmen liefert; Uschi, seine Frau, die das Bettlaken auch gern mit anderen teilt; etwa mit dem hoffnungsvollen Jungstar Clemens, dem sein Vater als geldgeiler Pseudomanager im Nacken sitzt, der Vereinsboss mit den unlauteren Absichten, und der Finanzchef des Vereins, dessen Ruin nur ebensoschwer abzuwenden ist wie der sportliche Abstieg für den Verein Union 86 Dortmund, dem ein Gelsenkirchener wie Michael Klaus voller Ironie eine Nordkurve andichtete.

„Nur die Klopper“

Und natürlich Erich Przybylski, der Alt-Internationale des Vereins aus den 40er-Jahren: „Ich war kein Treter“, sagt der beim Bier, „nie einer gewesen. Immer elegant. Aber ich hab so manchen Klopper kennengelernt.“ – „Und die hast du kaputtgetreten!“ – „Nur die Klopper“.

Die kurzen, knallharten Dialoge waren die eine große Stärke von Michael Klaus, der, 1952 in Brilon geboren, in Gelsenkirchen aufwuchs und hier auch schon 2008 seinen Kampf gegen den verdammten Krebs verlor, den er in seinem Roman „Totenvogel. Liebeslied“ (2006) mit grimmigem Humor umso ergreifender schilderte. Michael Klaus, früh beeinflusst vom Lautsprecher unter den Arbeiterdichtern Richard Limpert, gefördert von Hugo Ernst Käufer, fand recht schnell seine eigene Sprache, seinen eigenen Sound. Kurze Sätze. Knackige Szenen.

Deshalb hat Michael Klaus auch ein Tatort-Drehbuch geschrieben („Schimanski muss leiden“), das Libretto für ein Musical wie „Nullvier – Keiner kommt an Gott vorbei“ oder für ein Fußballoratorium der Ruhrtriennale: „Aus der Tiefe des Raumes“, vertont von Moritz Eggert. Michael Klaus erzählte dramatisch und knapp, auch eine Jugendstory aus dem Revier ganz unten wie „Scherpe & Ziska“. Dieser Autor konnte in eine einzige Anekdote so viele Geschichten hineinstecken, dass andere ganze Romane daraus gemacht hätten.

„Nordkurve“ ist prallvoll mit Stories aus dem wirklichen Leben

Auch die „Nordkurve“ ist trotz ihrer zweistelligen Seitenzahl prallvoll mit Stories, die pulswarm aus dem wirklichen Leben gegriffen und nur ein bisschen auf die Spitze getrieben sind. Dass diese Geschichte mit beinharten, schnellen Schnitten in lauter Szenen geschrieben ist, die man unwillkürlich plastisch vor Augen hat, sprang auch den Dortmunder Filmemacher Adolf Winkelmann an. Seine Verfilmung der „Nordkurve“ vervollständigte nach den Vorläufern „Die Abfahrer“ und „Jede Menge Kohle“ 1993 die Ruhrgebiets-Trilogie des Kult-Regisseurs.

Michael Klaus: Nordkurve. Roman. WAZ-Bibliothek des Ruhrgebiets. Klartext Verlag, 99 S., 7,95 €.

Bislang besprochen wurden die „WAZ-Bibliothek des Ruhrgebiets“-Bände zu den Kumpel Anton-Glossen und Max von der Grüns „Irrlicht und Feuer“.