Essen. Wilhelm Herbert Koch aus Bochum-Linden schuf mit 1400 Kumpel-Anton-Glossen einen Kosmos, in dem das Ruhrdeutsche zum höchsten Vergnügen wurde.

Kumpel Anton kennen selbst Menschen, die nie eine Zeile von ihm gelesen haben. Eine Museumsausstellung rückte ihn vor zehn Jahren in eine Reihe mit der Heiligen Barbara und den Beatles – als Leitfigur, als Vorbild. Dabei war es genau umgekehrt: Der große Erfolg von Kumpel Anton rührte ja gerade daher, dass der kleine Mann sein Vorbild war, der Bergarbeiter von nebenan, der Kleingärtner, der manchmal auch Kleinkarierte, freigegeben zum Belächeln. Und auch andere Figuren im Kumpel-Anton-Kosmos wie Taumfatters Jupp wurden als lebensechte Typen sprichwörtlich.

WAZ-Sportredakteur Wilhelm Herbert Koch aus Bochum-Linden erfand Kumpel Anton

Erfunden hat ihn der 1905 geborene WAZ-Sportredakteur Wilhelm Herbert Koch aus Bochum-Linden. Ab dem Barbaratag 1954 erschienen Insgesamt rund 1400 Kumpel-Anton-Glossen, ein Vierteljahrhundert lang.

Der Witz ist, dass eigentlich ja Cervinski in den Kumpel-Anton-Glossen das große Wort führt und als ihr Held dasteht. Ein bisschen pfiffig, ein bisschen wetterwendisch, durch und durch pragmatisch und zutiefst menschlich, allzu menschlich. Und doch hat es seine Richtigkeit, dass Kumpel Anton die steile Karriereleiter zur Symbolfigur erklommen hat. Denn es war ja er, der die revolutionäre Tat vollbrachte, so zu schreiben, wie die Menschen im Revier sprachen und teilweise noch bis heute sprechen. Über Dinge, die alltäglicher nicht sein könnten: „Dann erzählsse fon deine Weweekes“, „Spass am Gaatn“ oder „Watt annen Mann schön is“.

Mit ruppiger Zärtlichkeit heißt die Ehefrau nur „Olle“

Zwinkernd geklagt wird über die Jugend, lästernd wird spekuliert, dass „Glattbeck“ oder „Härne“ „Hauptstatt fom Kohlenpott“ werden muss, weil man in Essen ja nicht von „Düsburch“ aus regiert werden will. Mit ruppiger Zärtlichkeit heißt die Ehefrau nur „Olle“ und überhaupt ist das Frauen- und Menschenbild von Kumpel Anton so antiquiert, dass man schon wieder darüber lachen kann. Und zwischendurch gibt’s sogar ein rührendes „Feiaahmt“-Idyll im „Klaingaatenfa-ein“.

Bis heute aber besteht das Haupt-Vergnügen beim Lesen der Kumpel-Anton-Dialoge darin, dass man unablässig Übersetzungsarbeit leisten muss: Die Bedeutung der Wörter ist nicht am Schriftbild zu erkennen wie sonst bei hochdeutschen Texten. Nein, man muss die recht ungewohnt geordneten Buchstaben in Klang übersetzen, erst dann erschließt sich ihre Bedeutung. Das hält auf, sorgt aber für einen kleinen Heiterkeitsausbruch nach dem anderen.

Kumpel Anton bereitete den Boden für berühmt-beliebte Nachfolger

Wie mag das geschriebene Ruhrdeutsch erst gewirkt haben, als sich die Menschen für den falschen Dativ ungefähr so sehr schämten wie für Kohlenstaub unter den Fingernägeln? Kumpel Antons offensives Bekenntnis zur eigenen Art machte aus scheinbaren Schwächen liebenswerte Macken von echten „Tüppen“. Kumpel Anton bereitete den Boden für berühmt-beliebte Nachfolger, die von Adolf Tegtmeier bis Herbert Knebel reichen.

Wilhelm Herbert Koch: Kumpel Anton. Der dollste Kwatsch zusammengefriemelt aus „Kumpel Anton, Ersten Bannt“ und „Kumpel Anton. Zweiten Bannt“. Geb. Klartext Verlag, 173 S., 9,95 Euro.