Essen. . Ruhrtriennale-Spielstätten sind vielfältig. Manche werden zur Dauer-Bühne, andere bleiben einmaliges Experiment. Ein Rückblick auf Höhepunkte.

Die Ruhrtriennale geht an Orte, die ursprünglich niemals gedacht waren für die Kunst. Alte Industriehallen, stillgelegte Zechen, Äcker und Häfen. Es sind Orte, die dann aber im Nachhinein wirken, als wären sie wie geschaffen für Musiktheater, Tanz, Schauspiel oder Installation. Ruhrtriennale-Intendant Johan Simons hatte vor seinem Amtsantritt den Wunsch formuliert, jedes Jahr einen neuen Spielort zu erschließen. Und tatsächlich haben er und sein Team seit 2015 viele neue Orte auf die Kultur-Landkarte des Ruhrgebiets gesetzt. Eine Auswahl.

Vorplatz der Jahrhunderthalle

Die Bochumer Jahrhunderthalle ist bei der Ruhrtriennale nicht wegzudenken. Ihre Geschichte reicht zurück ins Jahr 1903. Damals gebaut als Gaskraftzentrale im Herzen des Stahlwerks „Bochumer Verein für Bergbau und Gußstahlfabrikation“, versorgte sie mehr als 60 Jahre lang das Werk und die Siedlung Stahlhausen mit Energie. Als Ende der 1960er der letzte Hochofen erlosch, diente die Halle bis 1991 als Lager, erst ab 2002 wurde sie eine Veranstaltungsstätte. Am 30. April 2003 wurde die Jahrhunderthalle ihrer neuen Bestimmung übergeben. Gerard Mor­tier, der Gründungsintendant der Ruhrtriennale, sprach von einer „Montagehalle für die Kunst“. Auch Johan Simons, der inzwischen fünfte Intendant der Ruhrtriennale, setzt auf die Einzigartigkeit der Halle, er spricht von einer „industriellen Kathedrale“– doch er macht die Kunst auch auf dem Vorplatz sichtbar. Dort entstand 2015 die Großinstallation „The Good, the Bad and the Ugly“ – ein außergewöhnliches Kunstdorf. Es wird in diesem Jahr letztmalig zu sehen sein, alle Veranstaltungen sind kostenlos: „Ein Geschenk von uns an alle Besucher“.

"Accattone" in der Kohlenmischhalle der Zeche Lohberg. © dpa

Kohlenmischhalle Lohberg

Im Rückblick betrachtet Johan Simons die 2015er-Aufführung von Pasolinis „Accattone“ in der Kohlenmischhalle der Zeche Lohberg als einen der Höhepunkte seiner Zeit als Intendant. „Das Gelände bot uns sehr gute Möglichkeiten. Schon der Weg vom Parkplatz zur Halle war beeindruckend, es wirkte wie eine Prozession, als die Besucher dort entlangschritten“, sagt er. Ab 1912 wurde in Lohberg Kohle gefördert, parallel entstand in direkter Nähe eine Arbeiterkolonie. Über Jahrzehnte wuchs die Anlage. Doch der Strukturwandel erreichte auch Lohberg. 100 Jahre nach ihrer Gründung wurde die Zeche geschlossen. Einiges wurde abgerissen, anderes erhalten, etwa die Kohlenmischhalle und die Zentralwerkstatt.

Die Aufführung von
Die Aufführung von "Die Fremden" in der Kohlenmischhalle der Zeche Augusta Victoria. © Julian Roeder JU/Ruhrtriennale

Zeche Auguste Victoria

116 Jahre Steinkohleförderung, dann das Aus: Im Dezember 2015, kurz vor Weihnachten, wurde sie geschlossen: Zeche Auguste Victoria in Marl. Sie war die vorletzte des Reviers, jetzt ist nur noch Prosper-Haniel übrig. 2016 wurde die Kohlenmischhalle der Zeche zum Ruhrtriennale-Spielort. Johan Simons führte dort Regie bei seinem politischen Musiktheater „Die Fremden“, basierend auf Kamel Daouds Roman „Der Fall Meursault – eine Gegendarstellung“. Das Publikum war beeindruckt von der Industriekulisse. Nach der Aufführung mussten sich die Menschen den Kohlestaub von ihren Schuhen putzen

Die Installation in Duisburg war begehbar und wurde von Künstlern unterschiedlicher Erdtteilen und Sparten gestaltet.
Die Installation in Duisburg war begehbar und wurde von Künstlern unterschiedlicher Erdtteilen und Sparten gestaltet. © Fabian Strauch

Eisenbahnhafen

Der Eisenbahnhafen in Duisburg-Ruhrort wurde 1912 geschlossen. In den 60 Jahren zuvor wurden dort Waggons der August-Thyssen-Hütte mit einem Trajektschiff auf die andere Rheinseite gebracht – bis eine neue Brücke das Verfahren überflüssig machte. 2015 wurde das Areal zum Spielort der Ruhrtriennale. Urbane Künste Ruhr setzte dort eine begehbare Installation aufs Wasser: „Nomanslanding“. Besucher nannten sie „einen der versteckten Höhepunkte“. Das Publikum lief über Stege zu einer geteilten Kuppel, und darin, in der Dunkelheit des „Flüsterdoms“, wurde eine Sound-Collage abgespielt und mit Live-Gesang vermischt.

Vom Edeka-Markt zur „Empowerment Zone
Vom Edeka-Markt zur „Empowerment Zone © MATTHIAS GRABEN

House of Solution

Vom Edeka-Markt zur „Empowerment Zone“– und schließlich zum Ruhrtriennale-Spielort bei „Urban Prayers Ruhr“: Die afrikanische Lighthouse-Gemeinde kaufte im Jahr 2011 einen ehemaligen Supermarkt an der Auerstraße in Mülheim und machte daraus ihr „House of Solution“. Es war 2016 eine der Stationen der „Urban Prayers Ruhr“-Reihe, die an sechs Sonntagen in sechs verschiedenen Gotteshäusern in der Region gastierte, unter anderem auch in der Merkez-Moschee in Duisburg-Marxloh, dem Hindu-Tempel in Hamm und der Synagoge in Bochum. Angelegt war „Urban Prayers Ruhr“ als Format für Austausch und Dialog, die Menschen sollten ins Gespräch kommen und sich über das Erlebte austauschen. So konnten sie mehr über die Religionen und das Gemeindeleben erfahren.

Sumpfland

Ein Acker in Bottrop wurde 2016 für die Ruhrtriennale zur Outdoor-Theaterbühne. Mit allem, was dazugehört! So lässt sich bei Freiluft-Veranstaltungen vieles planen – nicht aber das Wetter. Die „Sumpfland“-Premiere beispielsweise wurde von einem schweren Gewitter gestoppt. Weil eine riesige Stahltribüne inmitten von Maisfeldern nicht der sicherste Aufenthaltsort bei einem Unwetter ist, brach das belgische Ensemble ORKA die „Sumpfland“-Aufführung kurz vor Schluss ab. Die Zuschauer nahmen es gelassen. Für einen Moment übertönte der stürmische Beifall des Publikums sogar das Donnergrollen und den prasselnden Sommerregen, dann machten sich die Gäste auf den Heimweg. Pitschnass. Aber bestens gelaunt.