Mülheim. . Ein Dokumentarfilm gibt Einblick in die christliche Mülheimer Lighthouse-Gemeinde. Deren Art, die Bibel auszulegen und Gottesdienst zu feiern, wirkt auf Deutsche befremdlich. Über Jahre begleiteten die Regisseure Matthias Tränkle und Hendrik Lietmann die Gemeinde.
Vom Edeka zur „Empowerment Zone“: Die afrikanische Lighthouse-Gemeinde kaufte 2011 einen ehemaligen Supermarkt an der Auerstraße und machte ihn zum „House of Solution“. Ein Gotteshaus für 5000 Gläubige sollte es werden, nach dem Vorbild der Pfingstkirchen, die in Afrika Massenbewegungen sind und Hunderttausende anziehen. Über Jahre begleiteten die Regisseure Matthias Tränkle und Hendrik Lietmann die Gemeinde. Die dabei entstandene Dokumentation „More Jesus“ war Dienstag im Rio-Kino zu sehen. Eine neutrale, beschreibende Form wählten die Essener Filmemacher – und können auf das bewertende Auge des Betrachters zählen.
Um den Esstisch sitzt die Familie: Der Vater ist evangelischer Pfarrer, der Sohn Mitglied des „Lighthouse International Christian Fellowship“. Die Gemeinde ist Tischgespräch. „Was für Deutsche (...) schwierig wäre“, sagt der Vater, „sind bestimmte Formen, wo man anfängt zu kreischen, zu schreien. Also, das kennen wir nicht, und das ist uns natürlich unheimlich.“ Die nächste Szene, plötzlich ein Schrei in höchsten Tonlagen. Dann Menschen in Abendgarderobe in diversen Stadien der Ekstase: weinend, wankend, hüpfend, die Arme um sich schwingend. Ein Mann legt einem anderen die Hand auf die Stirn, der bricht sofort zusammen. Auch ein zweiter kippt bei Berührung um, landet auf dem gekachelten Supermarktboden.
Nur drei deutsche Mitglieder
Befremdlich ist das für Deutsche, die andere Gottesdienste gewohnt sind, die bei Handauflegen oft an Scharlatanerie denken und bestenfalls amüsiert sind. Es ist der Blick in eine fremde Welt, den Matthias Tränkle mit Hendrik Lietmann gewähren wollte. Immerhin hat die afrikanische Gemeinde nur drei deutsche Mitglieder. Dabei, so Matthias Tränkle, kam deren Pastor mit missionarischem Anspruch. Eine Umkehrung: Früher gingen Europäer nach Afrika, um das Christentum zu verbreiten. Heute kommen Afrikaner, um Deutschen zu zeigen, wie Christlichkeit geht. Wobei sich der Mülheimer Prediger, wie Tränkle kritisch anmerkt, nicht um Mentalitätsunterschiede schert. Der Gottesdienst wird auf Englisch gehalten, der Kontakt zwischen den Kulturen ist minimal. Missionieren ist da schwierig.
Nach jahrelangem Kontakt sieht der Filmemacher und Fotograf Tränkle die Gemeinde durchaus kritisch: Zwar findet er toll, wie die Leute in den mehrstündigen Gottesdiensten Erlebtes verarbeiten, und er betont, dass er sich eine Auseinandersetzung wünscht, fernab von Hysterie und Überheblichkeit, die Deutsche bei dem Thema zeigen. Doch er spricht auch von einer „radikalen Bibelgemeinde“, die Homosexualität verurteilt, sich in der Endzeit wähnt und auf Jesus’ Rückkehr wartet, in der sich vieles um Geld dreht und Spenden massiv eingetrieben werden. Kein Wunder also, dass das Ziel der 5000 Mitglieder bisher noch nicht erreicht wurde.