Bochum. Am Platz vor der Jahrhunderthalle wird im Sommer die begehbare Großplastik „The Good, The Band And The Ugly“ des Ateliers van Lieshout installiert.
Anfang nächster Woche will Intendant Johan Simons in der Jahrhunderthalle das Programm seiner 1. Ruhrtriennale-Spielzeit (14. August bis 26. September) vorstellen. Die Programmpunkte sind noch top secret, schließlich soll der Überraschungseffekt gewahrt bleiben.
Nun ist ein Triennale-Coup doch schon öffentlich geworden. Auf dem Platz vor der Jahrhunderthalle wird im Spätsommer wie schon bei der Triennale 2012 abermals eine begehbare Großplastik installiert, allerdings eine, die es in sich hat. Denn das Projekt „The Good, The Bad And The Ugly“ des niederländischen Ateliers van Lieshout wird sich wie ein Künstlerdorf präsentierten, mit einem riesigen Frauentorso aus Polyester namens „Bikini Bar“ als Mittelpunkt. Und mit einer „Bar Rectum“ – einem in verschiedenster Weise nutzbaren, real überdimensionalen Darmausgang – als Beigabe.
Provokativ, aber auch humorvoll
Das Atelier AVL des Künstlers Joep van Lieshout (*1963) ist für seine benutz- und begehbaren Skulpturen ebenso bekannt wie für den provokativen Ansatz seiner künstlerischen Arbeiten. Sie stellen erfinderisch und oft humorvoll die Frage nach der Nützlichkeit und der Ästhetik von Skulpturen im öffentlichen Raum. Behausung, Verpflegung, Entsorgung, Fortbewegung und Fortpflanzung sind Themen, die in den konzeptionellen Überlegungen des Künstlerateliers eine Rolle spielen. Wiederkehrende Motive in den Arbeiten des AVL sind aber auch Autarkie, Anarchie, Politik und Sex.
Plattform für Experimente
Van Lieshout ist nicht nur im internationalen Kunstbetrieb kein Unbekannter, vielmehr hat er auch im Ruhrgebiet schon Spuren hinterlassen. So war der begehbare Darmausgang „Bar Rectum“, der, wie gesagt, demnächst auch in Bochum zu bewundern sein wird, vor sechs Jahren bereits in Essen ausgestellt. Und zur Ruhr.2010 steuerte das Atelier Lieshout eine Wellblechbaracke zur Ausstellung „Die Schönheit der großen Stadt entlang der A 40“ auf dem D-&-W-Parkplatz in Wattenscheid bei.
Mut zum Ungewöhnlichen
Zunächst denkt man: hä?! Ein riesiger, begehbarer Darmausgang, direkt vor der Jahrhunderthalle? Ein Frauentorso, durch den man hindurchgehen kann? Klingt provokant, und ist es wohl auch.
Und ist es doch nicht, denn die Kunst des Ateliers van Lieshout ist eben nicht „abgehoben“, und sie will auch nicht schocken nur um das Schockeffekts willen. Sie fordert im Wortsinn zum Mitmachen auf. Und zum Nachdenken. Darüber, wie und was wir unter „Kunst“ verstehen. Aber auch darüber, wie wir die Welt sehen, welche Vorurteile wir pflegen und wie flexibel wir gedanklich sein können.
Die Triennale ist immer wieder für Überraschungen gut. Nach Schneiders Installation „Kunstmuseum“ folgt gleich der nächste Streich. Bochum beweist einmal mehr Mut zum Ungewöhnlichen.
Jürgen Boebers-Süßmann
Die Ruhrtriennale als Festival der Künste hat jenseits von Oper und Schauspiel in den letzten Jahren immer wieder als Plattform für skulpturale Experimente von sich reden gemacht. Zu erinnern wäre an die raumgreifende Holzplastik „CenturY“ von der Jahrhunderthalle, aber auch an die umstrittene Installation „Kunstmuseum“ im letzten Herbst. In einer Röhre zwang der Künstler Gregor Schneider die Museumsbesucher zum gebückten Gang und zum Erspüren klaustrophobischer Momente; das ursprünglich als „Totlast” deklarierte Werk sollte erst in Duisburg gezeigt werden und wurde dann nach Bochum umgeleitet, weil man am Rhein Vorbehalte hatte.