Mülheim. Beamter des PP Essen/Mülheim steht vor Gericht: Über Jahre hat er offenbar auch großzügig Familie und Bekannte mit Interna der Polizei versorgt.

Weil er privat Gewaltvideos verbreitet und Dienstgeheimnisse verraten haben soll, muss sich ein Polizist aus der Leitstelle des Präsidiums Essen/Mülheim seit Mitte April vor dem Mülheimer Amtsgericht verantworten. Die Anklage ist umfangreich, listet insgesamt 80 Vorwürfe gegen ihn auf. Im Fortsetzungstermin am Dienstag verlas Verteidigerin Victoria Grenz eine längere Erklärung ihres Mandanten. Der 44-jährige G. zeigte sich darin durchaus schuldbewusst und reumütig.

Dass er in fünf Fällen Aufnahmen brutaler Vorgänge an Bekannte gesendet haben soll, räumte G. via Anwältin unumwunden ein. Er habe zwar nicht mehr an jede Sequenz konkrete Erinnerungen, doch sein Verhalten könne er im Nachhinein nur als „inakzeptabel“ bezeichnen. Laut Anklage hatte er kurze Szenen verschickt, die etwa zeigen, wie einem Gefesselten von hinten in den Kopf geschossen oder wie eine Frau auf offener Straße verprügelt wird. „Meine tägliche Arbeit hat zu einer gewissen Abstumpfung geführt“, so die Erklärung. Heute empfinde er die Inhalte als „verwerflich und abstoßend“. Er wolle sich dafür entschuldigen, ließ der Polizist das Schöffengericht wissen.

Angeklagter entschuldigt sich für Gewaltvideos, Gericht hat diese bislang noch gar nicht gesehen

Die Richter kennen die Videoschnipsel indes noch gar nicht. Laut der Vorsitzenden, Claudia Lubenau, gab es technische Probleme, haperte es an einem Passwort. Bis zum nächsten Termin am 21. Mai soll die Staatsanwaltschaft das Problem lösen. Bis dahin wollen sich Richter und Anklägerin auch intensiv mit der nun erstmals vorgetragenen Einlassung des Polizisten zu den weiteren Anklagepunkten befassen, also mit jenen 75 Fällen, in denen G. dienstliche Geheimnisse ausgeplaudert haben soll, darunter persönliche Daten wie Wohn- und Geburtsort, Alter, Familienstand.

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Dazu ließ er seine Verteidigerin mitteilen: „Ich schäme mich dafür, ich habe mich nicht so verhalten, wie ein Polizeibeamter sich verhalten sollte.“ Er habe aber nie Schaden anrichten und keine Ermittlungen behindern wollen, beteuerte er, es sei lediglich darum gegangen, Angehörigen, Bekannten oder Nachbarn „einen Gefallen zu tun“. So habe er zum Beispiel seiner „damals nicht liierten Schwägerin“ Informationen aus den internen polizeilichen Systemen verschafft: „Es ging um ihre Online-Dates.“

Nach Kollaps eines Kickers war Interesse an dessen Schicksal groß: „Da habe ich halt nachgeschaut“

In einem anderen Fall profitierten Bekannte, mit denen er sich in der Soccerhalle traf, von seinen Insider-Kenntnissen, gab der Angeklagte zu. Via Whatsapp habe er sie darüber informiert, wie es einem auf dem Nachbar-Court verunglückten Mann erging. Dort habe man Erste Hilfe geleistet und eine Herz-Lungen-Massage durchgeführt, dann sei der Mann bewusstlos ins Krankenhaus gekommen. „Da war das Interesse groß, also habe ich nachgeschaut. Das tut mir heute leid, das war nicht richtig.“

Mehrfach sei es auch um Auskünfte nach Verkehrsunfällen gegangen, so der Angeklagte. Einmal sei ein Nachbarskind angefahren worden, und er sollte herausfinden, wie schwer die Verletzungen waren. „Ich habe immer nur auf Nachfrage gehandelt“, betonte G., „und nie nach dem Motto ,Guck mal, was ich weiß‘.“ An einige Umstände könne er sich gar nicht mehr genau erinnern. Und zum Teil habe er auch nur Informationen weitergegeben, die vorab schon als Pressemitteilungen bekannt gewesen seien - so zum Beispiel 2018 nach der Amokfahrt am Kiepenkerl in Münster.

Angeklagter: „Mir war nicht bewusst, wie locker ich damit umgegangen bin“

Der Angeklagte bezeichnete sich als „selbst überrascht“ von der Masse der Vorfälle, „mir war nicht bewusst, wie locker ich damit umgegangen bin“. Für Verteidigerin Grenz wiegen die Vorwürfe übrigens weniger schwer als in der Einschätzung der Staatsanwaltschaft. G. habe sich nicht wegen Verletzung von Dienstgeheimnissen strafbar gemacht hat, sondern allenfalls wegen Verletzung von Privatgeheimnissen. Darauf steht laut Strafgesetzbuch eine geringere Strafe. Die Infos seien nämlich nicht der Öffentlichkeit bekannt geworden, „sondern lediglich einem kleinen, ihm bekannten Kreis“.

Die Vorsitzende machte deutlich, dass sie diese Rechtsauffassung nicht unbedingt teilt. „Für uns steht die Integrität der Polizei im Vordergrund.“ Es sei offenbar bekannt gewesen, dass man bei dem Polizisten „einfach mal anrufen konnte, um Informationen zu bekommen“. Laut Anklage sei es dabei auch nicht nur um engste Vertraute gegangen, sondern um einen teils unüberschaubaren Kreis von Leuten. „Da konnte man nicht wissen, was mit den Daten weiter passiert.“

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