Mülheim. Mülheims St. Marien-Hospital hat eine neue Anlaufstelle für seelisch bedingte Leiden. Wer keinen Therapieplatz findet, bekommt Erste Hilfe.
Depressionen, Angsterkrankungen, seelisch bedingte Schmerzen: Betroffene warten oft monatelang auf einen Therapieplatz, allein auf ein Erstgespräch. Nun gibt es am Mülheimer St. Marien-Hospital eine neue Klinik für psychosomatische Medizin und Psychotherapie, die regelrecht um Patientinnen und Patienten wirbt. „Wir möchten Überbrückungshilfe leisten“, erklärt Chefärztin Dr. Natalie Kirstein. „Betroffene oder auch Hausärzte können sich an uns wenden, wenn jemand keinen Psychotherapeuten findet.“
In diesen Fällen biete das Klinikteam über die Institutsambulanz ambulante Behandlungstermine in größeren Abständen an - um die Menschen aufzufangen, bis sie eine reguläre Psychotherapie beginnen können. Für viele könnte dies ein Hoffnungsschimmer sein. Es ist nur eines von verschiedenen Angeboten der neuen Einrichtung.
Neue Klink für Psychosomatik und Psychotherapie in Mülheim
Seit 1. Dezember 2023 ist die Klinik für Psychosomatik eine eigenständige Abteilung im St. Marien-Hospital. Sie setzt sich bewusst ab von der Klinik für Psychiatrie, in der Dr. Kirstein zuvor als Leitende Oberärztin arbeitete, besonders von der Akutpsychiatrie. „Bei uns müssen keine Menschen mit Demenz oder akuten Psychosen notfallmäßig aufgenommen werden“, erklärt sie. Auch Suchterkrankungen oder schwerwiegende Essstörungen werden in der Klinik für psychosomatische Medizin nicht behandelt.
Anlaufstelle ist sie für vielfältige andere Erkrankungen, bei denen „die Seele durch den Körper spricht“, wie es auf der Website der Klinik anschaulich heißt. Dazu gehören neben Depressionen, Angst-, Traumafolge- oder Zwangsstörungen auch körperliche Beschwerden, die sich organisch nicht erklären lassen. Oder psychische Probleme, die auftreten, weil jemand eine schwere körperliche Krankheit nicht bewältigen kann, beispielsweise Krebs oder einen Herzinfarkt. Chefärztin Natalie Kirstein hat eine Oberärztin, einen Stationsarzt und eine Psychologin an ihrer Seite, auch Fachkräfte aus den Bereichen Ergotherapie, Sozialpädagogik, Pflege, Bewegungs- und Musiktherapie verstärken das Team. Medikamente würden bei Bedarf unterstützend eingesetzt, stünden aber nicht im Vordergrund der Behandlung, erklärt die Chefärztin.
15 stationäre Plätze, zwei in der Tagesklinik
Die 15 Betten im stationären Bereich und zwei Plätze in der Tagesklinik sind aktuell belegt. Da die Behandlungen in der Regel sechs bis acht Wochen dauern, geht es auch in der Psychosomatik nicht ohne Wartezeiten. Doch sie sind überschaubar. „Meist bekommen wir die Patienten spätestens innerhalb von vier Wochen unter“, sagt die Chefärztin. Viele Betroffene hätten einen langen Leidensweg hinter sich, eine letztlich erfolglose Suche nach körperlichen Ursachen für quälende Schmerzen, Schwindel, Herzrasen oder permanente Erschöpfung.
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„Da ist nichts“ – diese Einschätzung niedergelassener Ärzte nach gründlicher Untersuchung sei meist nicht abwertend gemeint, sondern positiv, meint Dr. Natalie Kirstein. Nur helfe sie psychosomatisch Erkrankten nicht weiter. „Bei uns werden die Beschwerden und die Stärke ihrer Ausprägung nicht in Zweifel gezogen. Auch wenn sie rein seelisch bedingt sind.“ Betroffene zweifelten oft an sich selber, „dabei sind sie weder schwach noch verrückt, aber in irgendeiner Form über ihre Grenzen gegangen“.
Studentin leidet an Depressionen und Erschöpfung: Trotzdem zu Klausuren geschleppt
Wie die jüngste Patientin, die derzeit in der neuen Klinik behandelt wird, eine Studentin, eine leistungsorientierte junge Frau, die an Depressionen leidet, Konzentrationsproblemen, totaler Erschöpfung. Trotzdem habe sie sich immer noch zur Uni geschleppt, schildert die Chefärztin, auch zu Klausuren. „Doch in ihrer Freizeit reichte die Kraft zu keinerlei Aktivitäten mehr. Sie hat sich völlig zurückgezogen.“
Dass es im Leben niemals zu spät ist, sich Hilfe zu holen, zeige das Beispiel eines älteren Mannes, deutlich über 80, den Dr. Natalie Kirstein bei der Patientenveranstaltung „Tischgespräch“ traf. Er leidet an Schwindel, den weder HNO-Arzt noch Neurologe erklären können. Im Gespräch habe sich dann herausgestellt, dass der jüngere Bruder des Mannes vor einigen Jahren verstorben sei, berichtet die Chefärztin. „Sein Tod wurde nicht richtig betrauert, der Kummer weggedrängt, kein Foto mehr betrachtet.“ Einen Zusammenhang mit dem Schwindel des Patienten hält sie für plausibel. „Dieser Mann wartet jetzt auf die Therapiegruppe, die wir planen.“
Therapiegruppen für Psychosomatik und Traumafolgestörungen
Möglichst noch im Frühjahr soll am St. Marien-Hospital die erste Psychosomatik-Gruppe starten. Ergänzend soll es eine Therapiegruppe für Menschen geben, die schwere Traumata erlitten haben. Dr. Natalie Kirstein und ihr Team wollen niederschwellig helfen, wenn chronischer Stress, Überforderung, verdrängte Konflikte krank machen. „Wir hoffen, dass wir künftig noch viel mehr Patienten erreichen“, erklärt die Chefärztin, auch überregional. „Und wenn wir sehen, die Leute rennen uns die Bude ein, können wir noch eine weitere Psychologin einstellen.“ Mit anderen Fachabteilungen im St. Marien-Hospital will die Psychosomatik eng kooperieren, etwa mit der neuen Abteilung für Schmerzmedizin.
Erste Anlaufstelle für Patientinnen und Patienten ist die Institutsambulanz, erreichbar unter 0208/305-42473 oder psychosomatik.ambulant@contilia.de.
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