Am Niederrhein. Das Kiesunternehmen Hülskens hat ein Rechtsgutachten vorgelegt, das mit strafrechtlichen Konsequenzen droht. Ob das vor Gerichten standhält?
Zu einem öffentlichen Schulterschluss der von Kiesabbauplänen besonders betroffenen Kommunen kam es am Montag. Hintergrund ist ein Rechtsgutachten, das das Kiesunternehmen Hülskens aus Wesel in Auftrag gegeben hatte. Darin wird den Kommunen strafbare Veruntreuung von Steuergeldern vorgeworfen, sollten sie für den Kiesabbau vorgesehene Flächen aufkaufen.
Die Bürgermeister der Städte Kamp-Lintfort, Neukirchen-Vluyn, Rheinberg und Alpen, letzterer in Abwesenheit, nahmen nun öffentlich Stellung zu dem Rechtsgutachten. Den Vorwurf der möglichen Untreue wollen sie so nicht stehen lassen. Der Kamp-Lintforter Verwaltungschef Christoph Landscheidt zeigte sich „befremdet“ über das Vorgehen des Kiesunternehmens. Anlass sei schließlich ein „Prüfauftrag an den Kreis“, zu klären, ob die Kommunen Vorkaufsrechte erwirken könnten. Nicht mehr und nicht weniger. „Als Jurist darf ich das sagen: Es ist abwegig, hier mit dem scharfen Schwert des Strafrechts zu drohen, mit dem Ziel, einen bisher nicht gekannten Raubbau zu sichern.“ Juristisch sei der Vorwurf nicht haltbar und „strafrechtlich absurd“.
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Es sei auch politisch unklug, so Landscheidt weiter, in diesem Stadium mit einer Anzeige zu drohen. In einer schriftlichen Stellungnahme wird dieses Vorgehen als „Einschüchterungsversuch“ bewertet. Die Bürgermeister sehen in dem Vorgehen der Firma Hülskens auch den Ausdruck von „Nervosität“. Darüber hinaus sei die Sache mit dem Vorkaufsrecht für die Kommunen ohnehin „nicht ganz einfach“: „Aber darauf geht das Gutachten gar nicht ein.“
Köpke: „Ein einmaliger Vorgang“
Neukirchen-Vluyns Stadtchef Ralf Köpke erklärte: „Ich war richtig wütend.“ Das Gutachten sei am Freitag bekannt geworden. Köpke nannte es einen „einmaligen Vorgang“, einen politischen Beschluss schon im Vorfeld anzugreifen. Köpke erklärte auch, dass er schon mit Eigentümern der für den Kiesabbau ins Auge gefassten Flächen gesprochen habe mit der Bitte, mit der Stadt Kontakt aufzunehmen, bevor an die Kiesindustrie verkauft wird. Wie aggressiv die Kiesindustrie auf Einkaufstour geht, machte Köpke daran fest: „Zwei Tage, nachdem der RVR-Beschluss zur Offenlegung der Pläne gefasst war, war schon ein Makler aus Köln im Auftrag der Kiesunternehmen in Neukirchen-Vluyn unterwegs. Das Argument: Ihr könnt jetzt verkaufen, das Thema ist eh’ gegessen.“ Soweit sei es keineswegs, bekräftigte Köpke.
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Rheinbergs Bürgermeister, Dietmar Heyde, äußerte im Zusammenhang mit den vom Land geforderten Flächen zur Kiesgewinnung Bedenken, dass hier landwirtschaftliche und ökologisch wertvolle Flächen vernichtet werden sollen. Das stehe im krassen Widerspruch zum Projekt „Öko-Modellregion Niederrhein“, in das das Land investiere. Er ergänzte: „Rheinberg hat jetzt schon die größten Abbauflächen Europas.“
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„Wir sind die letzten, die moralisch darüber urteilen wollen, wenn jemand seine Fläche an Kiesunternehmen verkauft“, sind sich die Bürgermeister einig. Gleichwohl setzen sie auf Sensibilisierung beim Thema Kiesabbau. Auch die Stadt Kamp-Lintfort wird sich jetzt mit einem Schreiben an die Eigentümer vor allem in Saalhoff wenden mit der Bitte, zunächst Kontakt mit der Verwaltung aufzunehmen, bevor es um Verkauf an Kiesunternehmen geht. Ebenso setzen die Kommunen auf den wachsenden Widerstand der Bürger. Hilfe beim Formulieren von Einsprüchen bieten alle an.
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Im Übrigen nannte es Christoph Landscheidt eine „neoliberalistische Sichtweise“, wenn der Preis einer Fläche nur nach der möglichen Rendite für die Kommunen berechnet werden könne. „Da gibt es wichtige andere Rechtsgüter und öffentliche Interessen, die da mit reinspielen können, wenn wir Flächen erwerben.“
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Der Regionalplan sieht in Kamp-Lintfort 225 und in Neukirchen-Vluyn 180 Hektar Abgrabungsfläche vor. Rund um Alpen stehen weitere 221 Hektar in Rede. Im kleinen Rheinberger Ortsteil Vierbaum stehen noch einmal über 90 Hektar zur Disposition.
Den Bedarf an Kies legt das Land NRW nach Vorgaben der Kiesindustrie fest, der Regionalverband Ruhr sucht nach entsprechenden Flächen und weist sie aus.