Am Niederrhein. Der der Regionalplan sieht in Kamp-Lintfort 225 und in Neukirchen-Vluyn 180 Hektar Abgrabungsfläche vor. Kurios wird es für die Segelflieger.

Für mächtigen Wirbel sorgt der jetzt bekannt gewordene Entwurf des Regionalplans in den Rathäusern unter anderem in Kamp-Lintfort und Neukirchen-Vluyn. Denn die darin ausgewiesen Flächen für einen möglichen Kiesabbau sind noch größer als erwartet. Allein in Kamp-Lintfort soll danach auf 225 Hektar gebaggert werden können. Für Neukirchen-Vluyn weist der Entwurf 180 Hektar aus, auf denen Kies gewonnen werden soll. Rund um Alpen stehen 221 Hektar in Rede, wie der SPD-Landtagsabgeordnete René Schneider erklärt. Im September soll das Ruhrparlament über die Pläne beraten.

„Die schlimmsten Befürchtungen“ sieht die Bürgerinitiative Mitgestalten-NV bestätigt, die sich seit Mai gegen Auskiesungen in Neukirchen-Vluyn positioniert. Hier ist laut den Plänen unter anderem ein großes Gebiet am Fuße der Halde Norddeutschland betroffen. „Das geht von der Halde Norddeutschland bis zur Tersteegenstraße“, beklagt die Initiative.

Die gute Nachricht: Das Wickrather Feld in Kamp-Lintfort scheint aus der Planung raus zu sein. Was den Kamp-Lintforter Bürgermeister Christoph Landscheidt freut: „Es wäre fatal, wenn dieser intakte Landschaftsraum der Kiesindustrie zum Opfer gefallen wäre.“ Aber ob das das Ende vom Lied ist? Schon zum dritten Mal hatte die Kiesindustrie ein Auge auf 94 Hektar des beschaulichen, landwirtschaftlich genutzte Fleckchen nahe des Oermter Bergs geworfen, obwohl das Gebiet offenkundig nicht besonders viel Ertrag versprach. Auch die Bönninghardt, ebenfalls ein lange umstrittenes, potenzielles Kiesgewinnungsgebiet, scheint nicht mehr im Fokus zu stehen.

Schlimm könnte es die Segelflieger in Kamp-Lintfort treffen

Bürgermeister Christoph Landscheidt macht aus seinem Herzen keine Mördergrube. Er misstraut der Kiesindustrie aus tiefstem Herzen. Das wurde in einem Pressegespräch deutlich, zu dem er anlässlich der geplanten Offenlegung des Regionalplans eingeladen hatte. „Ich höre seit Jahrzehnten dieselben Argumente, dass es ohne weitere Flächenausweisung zu Ressourcenengpässen kommen kann. Ich behaupte, das ist ein Märchen.“ Noch immer sei der Bedarf, den die Kiesindustrie jeweils anmelde, nicht transparent. Reden wir von regionalen, nationalen Mengen oder von lukrativen Exportwünschen?“, fragt Landscheidt. Rossenray sei ein markantes Beispiel. „Wir hatten eine klare Zusage, aber jetzt sind wir sechs Jahre über dem vereinbarten Zeitraum, zu dem es ,blühende Landschaften’ dort geben sollte. Alles hohle Sprüche, da ist bis heute nicht ausgekiest.“ Und er fürchte, dass der See bis 2030 noch weiter still ruhen werde, wenn nun dank der Regionalplanung andere, lukrativere Gebiete ins Visier genommen werden könnten. Denn Rossenray könnte nur tiefer ausgekiest werden. „Das kostet Geld.“

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Leichter könnte es in Alpsray und Saalhoff werden. Wer die ausgewiesenen beiden Flächen betrachtet, fragt sich, wer sowas erfindet: nördlich und südlich des Segelflugplatzes sollen auf 82,1 beziehungsweise

Bürgermeister Landscheidt, der Vorsitzende der Luftsportgemeinschaft Peter Blumbach und René Schneider (SPD-Landtagsabgeordneter) blicken sorgenvoll auf den Entwurf des Regionalplans.
Bürgermeister Landscheidt, der Vorsitzende der Luftsportgemeinschaft Peter Blumbach und René Schneider (SPD-Landtagsabgeordneter) blicken sorgenvoll auf den Entwurf des Regionalplans. © FUNKE Foto Services | Volker Herold

56,9 Hektar Baggerseen entstehen. Der Flugplatz würde zum Streifen dazwischen. „Wie lange soll das so weitergehen“, fragt der Bürgermeister, „solange, bis wir am Niederrhein mit dem Boot von Stadt zu Stadt fahren?“ Der Vorsitzende der Luftsportgemeinschaft, Peter Blumbach, hat seinen Humor noch nicht verloren: „Vielleicht sollten wir dann nicht nur Segelfliegen sondern auch Segeln anbieten.“ Kurioserweise ist der Verein seit genau einer Woche Eigentümer des Platzes, der Kaufvertrag abbezahlt. Blumbach ist durchaus klar, dass der Platz Begehrlichkeiten bei der Kiesindustrie wecken könnte. Und wie attraktiv das Clubgelände noch sein kann, wenn man auf riesige Baustellen guckt und permanent vom Lärm umgeben ist, sei dahingestellt.

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„Sparringspartner“ sei beim Thema Kies keineswegs der Regionalverband Ruhr, der den Plan aufstelle. Das tue der RVR im Auftrag des Landes. „Laschet will mehr Kiesabbau, nicht weniger“, sagt Landscheidt. Da werde halt ausgewiesen, wo Platz ist. Ein Schelm, der Böses dabei denkt: Das Gebiet Wickrather Feld taucht nicht mehr als Auskiesungfläche auf. Da war die Rede von gut 90 Hektar. Dafür sind nun allein auf Kamp-Lintforter Gebiet jetzt insgesamt 230 Hektar im Fokus. „Mehr als das Doppelte“, stellt der Bürgermeister

Noch liegt der Kamp-Lintforter Flugplatz mitten in den Felder
Noch liegt der Kamp-Lintforter Flugplatz mitten in den Felder © FUNKE Foto Services | Volker Herold

fest und vermutet, dass das die Strategie der Kiesindustrie gewesen sein könnte. Erst das idyllische Wickrather Feld bedrohen, damit es vor lauter Freude darüber, dass es dort nicht zum Kiesabbau kommt, übersehen wird, dass in Saalhoff, im Rossenrayer und im Niephauser Feld die Bagger so richtig kreisen sollen. „Wir nehmen erstmal viel, und schauen, wie sich die Konfliktlage entwickelt“, vermutet auch der Landtagsabgeordnete René Schneider, nicht zuletzt auch mit Blick auf Neukirchen-Vluyn. das bisher nur Erweiterungsflächen zu befürchten hatte, aber nun mit einer Fläche von 180 Hektar im Plan steht, „wie auf einer Perlenschnur aufgereiht“.

Verärgert blicken er und der Landtagsabgeordnete René Schneider auf die „Hinhaltetaktik“ des Landes bei der Klage des Kreises Wesel mit den Städten Kamp-Lintfort, Neukirchen-Vluyn und Alpen gegen den Landesentwicklungsplan. Darin ging es um den Bedarfsbegriff. „Das muss doch im Interesse des Landes liegen, hier Klarheit zu haben“, wundert sich Schneider. Landscheidt fürchtet, das nun mit dem Regionalplan Fakten geschaffen werden sollen, bevor es ein Verfassungsgerichtsurteil gebe.

Die beiden Sozialdemokraten fordern wie auch die Grünen im RVR und im Kreis ein Ausstiegsszenario für den Kiesabbau. „Es muss mehr recycelt werden, wir kriegen das hin“, glaubt Schneider. Bisher fehle für die Kiesunternehmen durch die Ausweisung großer Flächen einfach der Anreiz, mehr Substitute zu nutzen.