Kreis Wesel. Ingo Brohl zieht Bilanz: Man könne nicht für alles Ausputzer sein, sagt er mit Blick auf Land und Bund. Was funktioniert hat und was nicht.
Am Jahresanfang geschmiedete Pläne geraten über die Monate mitunter außer Reichweite. Entweder durch eigenes Verschulden oder äußere, unkalkulierbare Einflüsse. Auch im Kreis Wesel hat einiges nicht so funktioniert wie ursprünglich geplant. Dennoch zeigt sich Landrat Ingo Brohl zufrieden mit dem Jahr 2023.
Die Liste, die Brohl Ende vergangenen Jahres aufgestellt hatte, war lang, und einiges habe sich bewegt, so der Landrat. Zum Beispiel beim Thema Investitionsstau. „Ein Dauerthema“, sagt Brohl. Das er aber bei Verwaltungsvorstandsmitglied Svenja Reinert sehr gut aufgestellt sieht. Mit ihrer Arbeit sei er sehr zufrieden. Nicht nur hinsichtlich der Abarbeitung des Investitionsrückstands, „im ersten Quartal soll der Entwurf der Machbarkeitsstudie für das Kreishaus vorliegen“, so Brohl, sondern auch in Hinblick der infrastrukturellen Neuaufstellung der Förderschulen im Kreis Wesel, die ab 2024 Fahrt aufnehmen werde.
Andere Dinge haben nicht funktioniert, wie die gescheiterten Bemühungen um ein zusätzliches Frauenhaus auf Kreisgebiet zeigen. Die Schuld sieht Brohl aber in erster Linie nicht beim Kreis: „Ich habe von Bund und Land schon erwartet, dass nach den großen Ankündigungen auch mehr Taten folgen.“ Er könne die Auffassung des Kreistages verstehen, „dass der Kreis aufgrund der allgemein schwierigen Lage der Kommunalfinanzen nicht permanent Ausputzer für Bund und Land sein kann“, auch wenn er sich im Sinne der Betroffenen anderes erhofft habe. „Bei den Stichwörtern Schutzpunkte und Frauenhäuser bleibe ich aber dran“, kündigt Brohl an.
Die Arbeit der Sozialverbände im Kreis und die nicht auskömmliche Finanzausstattung ist eine weitere Dauerbaustelle im Kreis. Der SPD-Forderung eines Sozialgipfels folgte Brohl in diesem Jahr nicht. Gleichwohl sei man „im guten, kontinuierlichen und konstruktiven sowie pragmatischen Austausch mit den Wohlfahrtsverbänden“, so der Landrat. „Aber auch hier gibt es das Spannungsfeld zwischen fehlender, auskömmlicher Aufgabenfinanzierung aus Bund und Land und der Tatsache, dass die kommunale Ebene nicht weiterhin in der Lage ist, Ausputzer zu spielen.“ Allerdings war eine bessere Finanzierung nur ein Teil der Forderung, die unter anderem die AG Wohlfahrt formuliert hatte. Vielmehr fehlte ihr Anfang dieses Jahres auch ein Ausschöpfen der „Interpretations- und Gestaltungsspielräume, ohne sofort auf Land oder Bund zu zeigen“.
Beim Thema Wasserstoff sieht der Landrat den Kreis Wesel grundsätzlich auf einem guten Weg. Zwar habe die Krise im Bundeshaushalt Auswirkungen gehabt, „bei den Voraussetzungen, in Zukunft wichtige Region im Bereich Wasserstoff zu sein, sind wir aber in 2023 weitergekommen“.
Beim Dauerthema und -ärgernis Nahverkehr und Mobilität fordert der Landrat für das kommende Jahr Grundlegendes: „Es muss an der Zuverlässigkeit gearbeitet werden.“ Dabei knüpft er auch an die im vergangenen Jahr erstmals wieder erhobene ÖPNV-Umlage bestimmte Erwartungen: „Die Erwartung ist, dass das, was bestellt und bezahlt ist auch verlässlich geleistet wird, egal ob auf der Schiene oder beim Bus.“
Verlässlichkeit sei „die Währung der Mobilitätswende, gerade im ländlichen Raum“, so Brohl weiter, der in dem Zusammenhang auch Offenheit einfordert: „Die Leistungserbringer müssen klar und ehrlich erklären, an welchem Punkt sie sich befinden und was verlässlich leistbar ist.“ Ein Geist, den auch der neue Nahverkehrsplan atmen soll, der nicht nur auf Bus- und Schienenverkehr ausgerichtet sein soll, sondern auch den Radverkehr in den Fokus rückt.
Die Ausweitung dieser Strukturen stößt allerdings nicht auf ungeteilte Gegenliebe, besonders das Fahrradverleihsystem, das der Kreis an den Start bringen möchte, sorgt in einigen Kreiskommunen für Skepsis. Allerdings möchte der Landrat das Thema nicht ohne Weiteres begraben: „Wir lassen es noch nicht fallen.“ Ein deutliches Bekenntnis sieht gleichwohl anders aus, allerdings stellt Brohl klar: „Mobilitätswende heißt auch, dass man mal was ausprobieren muss. Was spricht dagegen, das Fahrradverleihsystem projekthaft mal für drei Jahre auszuprobieren?“