Kreis Wesel. Ständige Verspätungen und spontane Zugausfälle im Kreis Wesel werden zur Belastungsprobe. Die Politik möchte jetzt den Druck erhöhen.
Wer im Kreis Wesel auf der Schiene unterwegs ist, braucht schon lange eine hohe Frustrationstoleranz. Die Grenze scheint aber mittlerweile nicht nur bei den Fahrgästen erreicht zu sein, die tagtäglich auf die RB 31 oder den RE49 angewiesen sind, wenn sie denn fahren. Auch in der Politik wächst der Ärger über den in ihren Augen unzuverlässigen Schienenverkehr und äußerte sich im Mobilitätsausschuss des Kreises jetzt in Form von zwei Anträgen.
Zum einen forderte die Grünen-Fraktion schnellstmöglich eine Busverbindung aus dem Bereich Xanten/Sonsbeck/Alpen/Rheinberg zum Berufsschulcampus nach Moers, weil man sich auf den RB 31 augenscheinlich nicht verlassen kann. Grünen-Fraktionsmitglied und Oberstudienrat Lukas Aster garnierte den Antrag mit einem deutlichen wie einprägsamen Satz: „Ich habe den Papp sowas von auf!“
Ständig seien Züge verspätet oder fielen gleich ganz aus, so Aster weiter, dann gebe es eine zweistündige Stellwerksstörung oder es seien zu wenig Waggons angehängt. Was auch immer der Grund ist, eines haben alle gemeinsam: Die Schülerinnen und Schüler kämen viel zu spät oder gar nicht zum Unterricht. Er wisse, dass die Rhein-Ruhr-Bahn, der VRR und DBNetz dafür verantwortlich seien, „aber wir brauchen einfach eine schnelle Lösung“, sagte Aster und schlug den Bogen zur Kreisverwaltung als Schulträger: „Wir sind zwar nicht verantwortlich für den Schienenverkehr, aber wir sind verantwortlich für die Bildung im Kreis.“ Der jetzige Zustand sei eine Katastrophe.
Mit dem Schlagwort Bildungsgerechtigkeit beackerten anschließend auch alle anderen Fraktionen und Ausschussmitglieder die Kreisverwaltung. Vor allem deshalb, weil das zuständige Verwaltungsvorstandsmitglied Karl Borkes sehr schnell darauf verwies, dass man als Kreis nicht zuständig sei und lediglich mit dem VRR über die Verstärkung des Schienenersatzverkehrs sprechen könne.
„Danke für die Ausführungen, aber irgendwie reicht mir das nicht“, sagte Constantin Borges von der FDP. Auch die SPD warf Borkes daraufhin zwischen den Zeilen ein allzu statisch-bürokratisches Verhalten vor. Er solle „nicht sagen, was nicht geht, sondern, was möglich ist“, sagte Gabriele Wegner, die gemeinsam mit Fraktionskollegin Doris Beer den zweiten Antrag vorstellte, der sich vor allem auf die gravierenden Bauarbeiten auf der Betuwe-Linie bezieht, die ab November 2024 eine 80-wöchige Vollsperrung zur Folge hat.
Schienenverkehr im Kreis Wesel: Warum die Verwaltung jetzt mit dem VRR sprechen will
Um möglichst früh und gut auf die dadurch entstehenden Verkehrsengpässe vorbereitet zu sein, wollte die SPD-Fraktion den Kreis beauftragen, bis zum zweiten Sitzungszug 2024 „ein Konzept für einen abgestimmten, zuverlässigen und barrierefreien Schienenersatzverkehr auf der Bahnlinie Wesel-Oberhausen bis zum Ende der Betuwe-Bauarbeiten“ zu erarbeiten und dazu alle auf der Bahnlinie tätigen Eisenbahnverkehrsunternehmen sowie den VRR, das Planungsbüro, die Anrainerstädte, Fahrgastverbände und Schwerbehindertenvertretungen an einen Tisch zu holen.
Man sei nicht zuständig, wiederholte Karl Borkes, „eine Aufgabenanmaßung ist unzulässig“. Es gehe auch eher um eine koordinierende Rolle des Kreises, sagten Doris Beer und Gabriele Wegner Richtung Verwaltung. Denn klar sei, es müsse sich etwas tun. „Was sich derzeit auf der Strecke Wesel-Oberhausen abspielt, ist ein Desaster“, sagte Gabriele Wegner, die selbst den RE49 nutzt und dies anscheinend auch gerne häufiger tun würde, wenn es denn ginge. Doch die Fahrt mit dem Regionalexpress beschrieb Wegner als Glücksspiel. Auf dem Bahnsteig werde man nicht über Zugausfälle informiert und was morgens im Internet stehe, könne vormittags am Bahnhof schon wieder falsch sein. Pendler kämen nicht pünktlich zur Arbeitsstelle, Schülerinnen und Schüler nicht in die Schule, Azubis nicht zur Lehrstelle, Studenten nicht zur Uni und Patienten nicht zu wichtigen Behandlungen. Sie habe bereits Bekannten davon abgeraten, in den Kreis Wesel zu ziehen.
Wenn bereits jetzt die Lage beim Schienenersatzverkehr so bedrohlich sei, sei es umso wichtiger, vor der großen Baumaßnahme alle an einen Tisch zu holen, so die SPD. Karl Borkes sagte zumindest zu, den Druck auf VRR, Eisenbahnverkehrsunternehmen zu erhöhen und das Gespräch zu suchen, sowohl für den Schienenersatzverkehr zum Berufsschulcampus Moers und zum Mercator-Berufskolleg als auch für die Vorbereitungen auf die Betuwe-Baustelle. Zu diesem Zweck soll Anfang kommenden Jahres ein VRR-Vertreter in den nächsten Mobilitätsausschuss eingeladen werden. Beide umformulierten Anträge brachten die Ausschussmitglieder am Ende einstimmig auf den Weg.