Kreis Wesel. „Alle stoßen an ihre Grenzen“, sagen Brunhild Demmer und Andreas Fateh von der AG Wohlfahrt im Kreis Wesel. Warum es dabei nicht nur um Geld geht.

„Wir verändern“, steht auf einem Banner in der Moerser Kreisgruppengeschäftsstelle des Paritätischen. Ein immerwährendes ambitioniertes Ziel. Vor allem bei der gemeinnützigen Arbeit. Das wissen nicht nur der Paritätische, sondern alle Sozialverbände, die in der AG Wohlfahrt des Kreises Wesel zusammenarbeiten. Dort hat der Geschäftsführer des Paritätischen im Kreis, Andreas Fateh, mit Beginn des neuen Jahres turnusgemäß den Sprecherposten von Brunhild Demmer, Vorstandsvorsitzende des Caritasverbandes Moers-Xanten, übernommen - und damit auch die immergleichen Probleme geerbt, wie beide im Gespräch mit der Redaktion darlegen.

Demmer und Fateh fordern eine grundsätzliche Bereitschaft, sich den immer größer werdenden sozialen Problemen zu widmen - abseits der finanziellen Forderungen. Die bleiben gleichwohl bestehen. Kaum ein Sozialbereich könne kostendeckend arbeiten, abgesehen vom Pflegebereich, so Brunhild Demmer, wenngleich man dort keine Gewinne erzielen und keinerlei Rücklagen bilden könne.

In allen anderen Bereichen ist die Lage noch schwieriger. Als Beispiel nennt Andreas Fateh die Kindertagesstätten. „Es gibt bekanntlich nach wie vor ein erhebliches Defizit an Kita-Plätzen“, so Fateh. Freie Träger wären eine Lösung, „aber Sie finden keinen mehr, der Kita-Plätze anbieten will“. Das Problem liegt in der Finanzierungspolitik: Freie Kita-Träger müssen einen Eigenanteil einbringen. Geld, das viele nicht mehr aufbringen können.

Wohlfahrtsverbände im Kreis Wesel erwarten von Kreis und Kommunen mehr Einsatz

„Alle stoßen an ihre Grenzen“, sagt Brunhild Demmer mit Blick auf die Sozialverbände, die sich von Förderanträgen zu Förderanträgen hangeln müssen, die teilweise zu kurzfristig ausgelobt werden oder ein viel zu kompliziertes und zeitfressendes Antragsverfahren haben.

Hinzu kommt der generelle Kostendruck. Inflation und Energiekrise belasteten die Verbände, „die Leistungsentgelte werden aber nicht angepasst“, so Andreas Fateh. „Wenn das so weitergeht, können einige den Laden dichtmachen“, so der neue AG-Sprecher deutlich, der eine nicht repräsentative bundesweite Umfrage des Paritätischen zitiert, an der laut Fateh 1300 Mitgliedsorganisationen teilgenommen haben. Demnach habe der allergrößte Teil der Teilnehmer gesagt, dass sie „unter den jetzigen Umständen noch ein Jahr durchhalten“.

Ein anderes Thema, das Brunhild Demmer und Andreas Fateh umtreibt, ist die Teilhabe der Menschen, die sie betreuen und die immer weiter abgehängt werden, zum Beispiel durch das Digitalisierungsgesetz. Viele Behördenangelegenheiten sollen in Zukunft von zu Hause erledigt werden können. Wenn man weiß, wie es geht und einen PC hat, ist das kein Problem, „aber unsere Klientinnen und Klienten haben große Probleme, digitale Zugänge zu finden“, weiß Demmer. Abgesehen davon, dass viele Menschen mit den Anträgen selbst überfordert seien.

Sowohl Demmer als auch ihr Nachfolger vermissen auf allen Ebenen einen grundsätzlichen Willen, diese Probleme zu beheben. Damit sprechen sie vor allem die Behörden an. Wenn sie beim Kreis nachfrage, höre sie häufig: „Dafür sind wir nicht zuständig.“ Das mag formal richtig sein, aber der Kreis und auch die Kommunen könnten mehr tun, als nur ihre Zuständigkeiten zu beackern, finden beide Sozialexperten. „Wir wünschen uns ein gemeinsames Angehen der Probleme“. Dazu gehöre auch, „Interpretations- und Gestaltungsspielräume zu nutzen, ohne sofort auf Land oder Bund zu zeigen“.

>>> Die AG Wohlfahrtspflege<<<

Zur AG Wohlfahrtspflege im Kreis Wesel gehören der Awo-Kreisverband Wesel, der Caritasverband für die Dekanate Dinslaken und Wesel, der Caritasverband Moers-Xanten, die Kreisgruppe des Deutschen Paritätischen Wohlfahrtsverbands, der DRK-Kreisverband Dinslaken/Voerde/Hünxe, der DRK-Kreisverband Niederrhein, das Diakonische Werk des Evangelischen Kirchenkreises Dinslaken, die Grafschafter Diakonie Moers sowie das Diakonische Werk des Kirchenkreises Wesel. Die Arbeitsgemeinschaft bündelt die Interessen der Wohlfahrtsverbände und vertritt sie in der Öffentlichkeit.