Kreis Wesel/Berlin. Bauern in der Region demonstrieren gegen das Vorhaben der Regierung beim Agrardiesel. Was die höhere Belastung für die Familienbetriebe bedeutet.
Freitag in Berlin: Trecker legen die Hauptstadt lahm, Bauern demonstrieren gegen die von der Ampelkoalition angekündigte Streichung des vergünstigten Diesels für Landwirtschaft und Forstwirtschaft, außerdem sollen ihre Zugmaschinen und Anhänger künftig nicht mehr steuerfrei sein. Auch aus dem Kreis Wesel haben sich etliche Landwirte aufgemacht, um zu protestieren. Für sie ist das Maß voll.
Wir haben mit Johannes Leuchtenberg, Vorsitzender der Kreisbauernschaft Wesel, darüber gesprochen, was die Regierungsvorhaben für die mittelständischen Betriebe der Region bedeuten.
400 Euro zusätzlich pro Hektar und Jahr für Milchviehbetriebe
Es geht um 21,48 Cent Steuernachlass pro Liter auf Agrardiesel, die wegfallen sollen – kann das soviel Verlust für die Betriebe ausmachen? Leuchtenberg sagt, dass es insgesamt um eine Milliarde Euro Einsparungen geht, auf dem Rücken der Bauern. „Wie viel Diesel ein Betrieb verbraucht, das hängt ganz von der Art der Produktion ab. Gemüseanbau und Kartoffeln müssen beregnet werden“, erläutert er, die Pumpen werden mit Diesel betrieben. Für sich selbst, Leuchtenberg hat einen Milchviehbetrieb in Neukirchen-Vluyn, würde der Verlust „in den fünfstelligen Bereich gehen und ich habe keinen großen Betrieb“. Im Bereich Milchvieh rechne der Rheinische Landwirtschaftsverband mit etwa 400 Euro pro Hektar und Jahr an zusätzlichen Kosten. Hinzu komme der Verlust der Steuerbefreiung für Trecker und Anhänger.
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2023 war ein sehr gutes Jahr für die Landwirtschaft, besser als viele zuvor. Und das, obwohl die Weizenernte ein Komplettausfall war. Letztlich sind die Preise für Milch, Kartoffeln und Schweine noch angezogen. „Wir haben viele Durstjahre hinter uns“, sagt Leuchtenberg, in denen die Landwirtschaft zurechtkommen musste. Jetzt, Ende 2023, müsse man eigentlich investieren. Doch die Investitionen blieben aus, die Bauern sind verunsichert.
Was er an Agrardiesel verbraucht, müsse er dem Zoll nachweisen. „Da wird auch gefragt, warum es in einem Jahr mal mehr Fahrten sind“, sagt Leuchtenberg. Die Steuerermäßigung wird nur gewährt, wenn es sich tatsächlich um landwirtschaftliche Fahrten handelt. Warum der Verbrauch mal steigen kann? Das hänge unter anderem mit der Entfernung zu den Weiden und Feldern ab. Kommt ein weiter entferntes Stück Land hinzu, fallen auch weitere Fahrten an.
Hoffnung, dass die Ampelkoalition doch noch zurückrudert
Dass Betriebe wegen der jetzt beschlossenen Steuererhöhungen im kommenden Jahr aufgeben müssen, glaubt Johannes Leuchtenberg nicht. „Es ist eher die Summe der Dinge, viele Kollegen haben keine Lust mehr, weil sie keine Zukunftsaussichten mehr sehen.“
Doch die Bauern hoffen noch, dass die Bundesregierung zurückrudert. „Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir hat immer versprochen, dass das nicht kommt. Jetzt werfen ihm viele Wortbruch vor“, sagt Leuchtenberg. Özdemir hatte aber auch seine eigene Regierung kritisiert und sich hinter die Bauern gestellt, er sehe die Schmerzgrenze als überschritten an. Aus der FDP kommt ebenfalls Kritik. „Wir hoffen, dass es wieder zurückgenommen wird“, sagt Leuchtenberg, „hier wird eine Branche extrem belastet“. Aber: „Wir spielen als Wähler nicht mehr die große Rolle. Viele Bauern haben wegen Landwirtschaftsministerin Julia Klöckner zuletzt die FDP gewählt. Jetzt sind sie bitter enttäuscht.“ Wie groß Ärger und Frust sind, zeige die Geschwindigkeit, mit der der Protest ins Rollen kam.
Derweil haben wir Svenja Stegemann aus Hamminkeln, Aktive im Verein „Land sichert Versorgung“, auf dem Rückweg aus Berlin erreicht. Sie ist begeistert von der Prostestaktion der Bauern und ihrem Zusammenhalt, „das waren Trecker vom Berliner Tor bis zur Siegessäule“, schwärmt sie. Allerdings sind die Kreis Weseler per Bus oder Auto angereist. Dass Özdemir sich auf die Seite der Bauern schlägt, da hegt sie ihre Zweifel. „Er sagt das immer, aber man fühlt es nicht“, urteilt sie über den Minister. Für Stegemann ist klar: „Das war nur der Anfang.“ Aktuelle Solidaritätsbekundungen wie die der Kreis-CDU, kommentiert sie auf Anfrage bissig: Das sei ja schön „aber Probleme gibt es nicht erst, seit die Ampel an der Regierung ist. Die gab es schon vorher unter Merkel. Von uns gibt es Beifall nur noch für Taten, nicht mehr für Worte.“