Kreis Wesel. Seit einem Jahr sind die Kreise Wesel und Kleve Ökomodellregion. Doch viel hat sich noch nicht geändert. Was auch an unserem Verhalten liegt...
Manche Projekte brauchen Zeit. Seit einem Jahr läuft das vom Land geförderte Projekt Ökomodellregion Niederrhein, bei dem die Kreise Wesel und Kleve als eine Musterregion den Ausbau der ökologischen Landwirtschaft vorantreiben und die heimische Wirtschaft stärken wollen. Das Projekt ist auf drei Jahre angelegt. Viel Überzeugungsarbeit muss Projektmanagerin Kirstin Surmann leisten. Konkrete Ergebnisse sind noch rar. Erst müssten Netzwerke und ein Bewusstsein geschaffen werden, um einen nachhaltigen Sinneswandel zu erzeugen.
Dass das erste Jahr vor allem von Öffentlichkeitsarbeit, von Arbeitsgruppen, Gesprächen und Kontaktpflege geprägt war, überraschte die Ausschussmitglieder nicht. Dass noch kein einziges konkretes Ergebnis präsentiert werden konnte, allerdings schon.
Grünen-Fraktionschef Hubert Kück wünschte Projektmanagerin Surmann und der beteiligten Entwicklungsagentur Wirtschaft (EAW) „einen langen Atem“, forderte aber gleichzeitig auch „mehr Druck auf dem Kessel“. So habe man noch „keinen einzigen“ konventionellen Bauern überzeugen können, auf biologische Landwirtschaft umzusteigen. Auch habe er nicht herausgehört, „dass man die ein oder andere Kantine hinzugewonnen hätte“. Selbst in der Kreiskantine könne man keinen nennenswerten Anteil an Bioprodukten vorweisen, so Kück, der dazu auf den aktuellen Speiseplan verwies, der nur ökologische Teilprodukte enthalten habe.
Umstieg auf Bio-Anbau im Kreis Wesel: Noch fehlen stabile Absatzmärkte
Kirstin Surmann und EAW-Geschäftsführer Lukas Hähnel antworteten, dass man vor allem die Rahmenbedingungen anpassen müsse, um die Landwirte zu überzeugen. Zum Beispiel müsse man zunächst stabile Absatzmärkte für Bioprodukte schaffen.
Die haben es bekanntlich gerade schwer. Darauf verwies auch CDU-Kreistagsmitglied und Landwirt Arnd Cappell-Höpken. So habe man schon einige Biobetriebe im Kreis. „Wenn denen die Bude eingerannt würde, würden sicherlich auch andere nachziehen“, sagte Cappell-Höpken. Ukraine-Krieg, Energiekrise und die hohe Inflationsrate setzten die Betriebe allerdings sehr unter Druck, „daher bin ich froh über jeden einzelnen Betrieb, der nicht dicht-, sondern weitermacht“, so Cappell-Höpken.
Um Anreize zu schaffen, hat der Kreistag vor der Sommerpause eine Förderrichtlinie beschlossen, mit der kleine und mittelständische Unternehmen aus den Bereichen Lebensmittelverarbeitung, Gastronomie, Gemeinschaftsverpflegung und Handel dabei unterstützt werden, eine Bio-Zertifizierung zu bekommen. Je nach Größe, Unternehmensstruktur und Art des Bioeinsatzes liegen die Kosten laut Kreisverwaltung zwischen 200 und 800 Euro. Mit der Förderrichtlinie sollen bis zu 75 Prozent des Netto-Betrags und maximal 400 Euro Fördersumme pro Betrieb bezuschusst werden. Insgesamt 4000 Euro stehen für das laufende Jahr zur Verfügung, die jeweils zur Hälfte von den Kreisen Wesel und Kleve getragen werden. Die Förderung läuft bis Ende des Jahres, danach soll über eine Neuauflage entschieden werden.
Der Kreis Wesel fördert den Wechsel auf biologische Landwirtschaft
Die Förderung ist ein Baustein, um das Prinzip der Ökomodellregion im Kreis Wesel zu festigen. Daneben werden Surmann und die EAW wieder Gespräche führen. So soll ein Aktionsbündnis entstehen, um die Idee offensiver in die Fläche zu tragen. Außerdem soll es eine Vermarktungsförderung für Grünlandbetriebe geben.
Grundsätzlich sei es ein langer Prozess, der für Landwirte und Großküchen mit großem Aufwand verbunden sei, sagt Kirstin Surmann. Aber allein, dass die Arbeitsgruppe seit Beginn regelmäßig tage und kein Mitglied ausgestiegen sei, „zeigt, dass sich etwas bewegt“. Viele Gespräche im Hintergrund führten am Ende auch zu konkreten Ergebnissen. „Das kann aber dauern.“
Dass es nicht nur auf Betriebe, Kantinen oder Unternehmen, sondern auch auf Verbraucherinnen und Verbraucher ankommt, sagt der Vorsitzende der Kreisbauernschaft, Johannes Leuchtenberg. „Die Nachfrage muss sich ändern. Es gibt einige Kollegen, die bereit sind zu wechseln.“ Allerdings nehme der derzeitige Markt das Bioangebot nicht auf. Als Beispiel nennt er die Milchpreise. „Selbst wenn ein Landwirt Biomilch liefern möchte, bekommt er dafür im Moment nur den konventionellen Preis.“ Das sei nicht darstellbar, so Leuchtenberg, der die Ökomodellregion ausdrücklich begrüßt. „Ich hoffe, dass wir damit erfolgreich sind, aber wir können nicht am Markt vorbei produzieren.“