Kleve. MSV-Legende Bernard Dietz macht aus seiner Enttäuschung keinen Hehl. Aber wie sieht‘s aus mit den deutschen EM-Chancen? Das sagen die Experten.
„Fußball ist eine Leidenschaft, die Leiden schafft.“ – Diese einerseits abgedroschene Fußballer-Weisheit wurde bei der Podiumsdiskussion des Presseclubs Kleve wieder einmal bestätigt. Grund für diese „Leiden“ waren bei dem Talk im Vorfeld der Fußball-Euromeisterschaft in erster Linie zwei West-Vereine: Der VfL Bochum sowie der MSV Duisburg.
Einer dieser Vereine war auch dafür verantwortlich, dass ein angekündigter Talk-Gast kurzfristig absagen musste: Jupp Tenhagen, Vereinslegende an der Castroper Straße, der in Rees wohnt und in Emmerich ein Sportgeschäft betreibt, musste als Mitglied des VfL-Aufsichtsrates zu einem spontan angesetzten „Krisengipfel“ nach Bochum fahren und konnte deshalb nicht auf dem Podium in Kleve sitzen.
Doch auch drei weitere Talk-Gäste hatten Bezüge zum VfL Bochum: Der Uedemer Andreas Wessels hütete 158 Mal das Tor des Ruhrpottvereins und Joachim Böhmer aus Kranenburg-Nütterden ist Geschäftsleiter des Gocher Sportartikelunternehmens Derbystar und bekennender VfL-Bochum-Fan. Und dann war da noch Bernard Dietz. Der 76-jährige trainierte lange Bochumer Nachwuchsmannschaften und war auch kurzzeitig Bundesliga-Trainer des VfL. Doch „Ennatz“ musste zuletzt nicht nur mit dem VfL Bochum leiden, noch viel entsetzter zeigte er sich über den tiefen Fall seines Herzensvereins MSV Duisburg.
Sportjournalist Stefan Klüttermann komplettierte den interessanten Talk, der von der Klever WDR-Hörfunk-Reporterin Anne van Eickels und Sportredakteur Helmut Vehreschild vom gastgebenden Presseclub Kleve moderiert wurde.
Rund 30 Besucher hatten ihre Freude an dem rund 90-minütigen Fachsimpeln über die wunderbare Welt des Fußballs, die natürlich auch die Faszination für die „schönsten Nebensache der Welt“ immer wieder zum Vorschein brachte. Zum Beispiel, wenn die Sprache auf den neuen deutschen Meister Bayer Leverkusen kam – die „Werkself“ hat sich offenbar wirklich in die Herzen vieler Fußball-Interessierter und -experten gespielt.
Begeisterung für Bayer Leverkusen, Entsetzen über den MSV Duisburg
„51 Mal nicht zu verlieren, das gibt‘s eigentlich gar nicht. Das ist einfach überragend“, schwärmte auch Bernard Dietz von Leverkusen mit glänzenden Augen. Seine Miene verfinsterte sich jedoch schlagartig, als die Sprache auf den Drittliga-Absteiger MSV Duisburg kam: „Das ist hausgemacht und war vorhersehbar, ein schleichender Tod.“ Dann malt „Ennatz“ ein ganz düsteres Bild seiner „Zebras“, die künftig in der Regionalliga antreten müssen: „Es ist jetzt ganz schwierig: Kein Trainer da – und von der ganzen Mannschaft sind nur drei oder vier Leute, die bleiben.“ Es sei „einfach nur noch traurig“, aber seit Jahren darauf hingearbeitet worden.
Andreas Wessels betreibt mittlerweile in Köln eine Indoor-Soccerhalle und hat seine Fußball-Begeisterung und auch an seine Kinder weitergeben: „Ich habe ja drei Jungs: Einer ist Bochum-Fan, einer Dortmund und einer Schalke.“ Der 59-Jährige leidet aber noch immer mit dem VfL Bochum, den er vor wenigen Wochen im Stadion beim 1. FC Köln erlebt hat: „Das war ein ärgerliches Spiel: Wir haben ja 1:0 geführt bis zur 90. Minute, doch dann hat Köln doch noch 2:1 gewonnen.“
Mit Euphorie könnte ein Sommermärchen 2024 möglich werden
Als das Thema dann auf die Nationalmannschaft kam, hellte sich die Stimmung nach der ganzen Kritik an vielen Westvereinen doch merklich auf. Alle Experten sehen die DFB-Elf gut gerüstet für das am 14. Juni beginnende Heim-Turnier. Joachim Böhmer fasste es so zusammen. „Vor ein paar Monaten hätte noch niemand an ein Sommermärchen 2024 gedacht. Doch wenn wir jetzt das erste Spiel gewinnen, kann ich mir durchaus vorstellen, dass eine Euphorie entsteht.“ Auch Andreas Wessels traut Deutschland bei der EM im eigenen Lang einiges zu, sieht aber die Franzosen und England als die Favoriten.
Einer, der weiß, wie es sich anfühlt, Fußball-Europameister zu werden, ist Bernard Dietz. 1980 durfte er im Stadio Olimpico in Rom den Pokal nach einem 2:1-Finalsieg über Belgien als Erster in die Höhe recken. „Ennatz“ berichtete dann ganz Aktuelles: „Das Schöne ist, dass ich vor ein paar Tagen Post vom DFB bekommen habe. Wir waren ja dreimal Fußball-Europameister: 1972 war Franz Beckenbauer Kapitän, 1980 Bernard Dietz und 1996 Jürgen Klinsmann.“ Dann ergänzte er sichtlich gerührt: „Franz ist ja leider nicht mehr unter uns, aber der DFB hat beschlossen, dass die beiden Kapitäne und Frau Beckenbauer den Pokal beim Eröffnungsspiel gegen Schottland ins Stadion bringen und auf die Mittellinie stellen. Sehr schön, da bin sehr stolz drauf!“
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Anschließend fragte Moderatorin Anne van Eickels den Europameister-Spielführer von 1980: „Welchen Tipp würdest Du dem jetzigen Spielführer İlkay Gündoğan mit auf den Weg geben?“ Da musste Ennatz Dietz nicht lange überlegen: „Gas geben und am Ende den Pokal hochhalten!“