Kleve / Nimwegen. Komplikationen nach Hirn-OP: Logopädinnen üben mit dem Karnevalsprinzen die Rede ein, Satz für Satz, mit Betonung
Es ist wahrlich der Karneval, der Großes schafft. Jahrelang hat sich der Sportredakteur und Kellener „Brejpott-Quaker“-Karnevalist Helmut Vehreschild vor-gefreut, dass er 2015/2016 Karnevalsprinz in Kleve werden sollte. Doch dann gab es im April 2015 bei einer Hirn-Operation Komplikationen. Eine Hirnblutung hatte das Sprachzentrum beschädigt. „Als ich nach der OP aus dem Koma erwachte, fielen mir einfachste Worte nicht mehr ein. Noch nicht einmal an die Namen meiner beiden Töchter konnte ich mich erinnern“, erzählt der Zeitungsredakteur.
Anne Horschig (29) von der logopädischen Praxis Natascha Menzel in Kleve kann sich noch gut an den Anruf von Astrid Vehreschild erinnern. „Sie teilte uns mit, dass ihr Mann Helmut an Aphasie leidet“. Noch bevor der Patient seine Reha begann, starteten schon die ersten Übungen. Vehreschild machte schnell Fortschritte. So schnell, dass er sogar für die Wissenschaft interessant wurde. Jeanine Coopmans, Dozentin und Koordinatorin im deutschsprachigen Studiengang Logopädie an der Hogeschool van Arnhem en Nijmegen (HAN) in Nimwegen und Expertin für Aphasie, erfuhr von Vehreschilds Fall. Nachdem der 58-Jährige eingewilligt hatte, schrieb Coopmanns ein Forschungsprojekt aus, an dem sich Studierende beteiligen sollten. Maike Dehmer (22) und Laura Aliano (23), beides Logopädie-Studentinnen an der HAN, wurden so zu Vehreschilds Therapeutinnen Nummer zwei und drei.
Vier Mal in der Woche stehen für den Sportredakteur Übungen auf dem Programm. Am Anfang Worte finden für das Bild vom Apfel, Kugelschreiber, dann Synonyme finden, Sätze ergänzen, Wortfelder bestimmen: „Was ist ein Fön und was macht man damit?“. Maike Dehmer: „Helmut hat von Anfang an toll mitgezogen. Hilfreich ist dabei, dass er gerne redet“, lobt sie mit Schmunzeln.
Große Motivation für Vehreschild war und ist, da sind sich Therapeutinnen und Patient einig, dass jetzt die Karnevalssession beginnt, in der Vehreschild als Prinz Helmut der Sportliche die große Rolle spielt. Das haben die drei Logopädinnen auch in die Therapie einfließen lassen. „Wir haben Helmuts Karnevalsrede mit ihm eingeübt. Satz für Satz, mit Betonung. Dabei haben wir alles auf Video aufgenommen“, berichtet Maike Dehmer. Die Logopädinnen bereiteten ihren Patienten auch auf unangenehme Situationen vor, etwa, wenn bestimmte Wörter fehlen oder wenn die Rede ins Stocken gerät. „Dann muss man nach Umschreibungen suchen“, sagt Laura Aliano.
Für die Studierenden in Nimwegen ist Helmut ein echter Glücksfall. „Normalerweise lernen wir nur anhand von Theorie und haben keine realen Patienten. Auf dem Papier sehen wir aber keine Emotionen“, erläutert Maike Dehmer. Vehreschild wurde während jeder Therapiesitzung gefilmt. Jede Stunde ist dokumentiert. Die Studierenden bekommen die Videos während der Vorlesungen zu sehen. Und am 19. Januar wird sich Vehreschild den 40 Studierenden in Nimwegen persönlich vorstellen.
Die drei Logopädinnen sind zuversichtlich, dass Vehreschild wieder „ganz der Alte“ wird.