Kalkar. Kalkar wird Flüchtlinge in Containern unterbringen. Gut 100 Bürger verfolgten Debatte. Wie die Politik eine langfristige Lösung finden möchte.
Der Rat der Stadt Kalkar hat eine zumindest kurzfristige Lösung zur Unterbringung von geflüchteten Menschen gefunden. In einer rund vierstündigen Sitzung, davon allein zweieinhalb Stunden zu diesem Thema, rang sich die Politik zu zwei Teilbeschlüssen durch: Demnach sollen für zunächst zwei Jahre Container angemietet werden, um darin bis zu 50 Flüchtlinge unterzubringen. Der Standort steht noch nicht fest. Eine langfristige Lösung soll eine Arbeitsgruppe aus der Verwaltung und den Fraktionsvorsitzenden erarbeiten.
Mehr als 100 Bürgerinnen und Bürger verfolgten am Donnerstagabend im überfüllten Ratssaal, teilweise stehend und auf dem Boden sitzend, die trotz der deutlich spürbaren Brisanz meist sachlich geführte Debatte. Dabei ging es hauptsächlich – anders als ursprünglich geplant und in der Beschlussvorlage ausführlich dargelegt – nicht um den möglichen Neubau einer Gemeinschaftsunterkunft für 75 Menschen. Dagegen hatten sowohl Anwohner aus Altkalkar als auch aus Kehrum protestiert (die NRZ berichtete).
Ab Mitte bzw. Ende Oktober kommen pro Woche 15 geflüchtete Menschen nach Kalkar
Die jüngste Entwicklung änderte die Diskussion. Was Bürgermeisterin Britta Schulz bereits gegenüber der NRZ bestätigt hatte, erklärte Stefan Urselmans, Leiter des städtischen Fachbereichs Bürgerdienste, im Detail: Die Stadt Kalkar muss sich, wie andere Kommunen auch, kurzfristig auf eine massiv erhöhte Zahl an Zuweisungen von Flüchtlingen durch das Land in schnellem Tempo einstellen. Ab Mitte bzw. Ende Oktober werden voraussichtlich zehn bis 15 Geflüchtete pro Woche nach Kalkar kommen. Und dies ist bereits ein zeitlicher Aufschub, den die Stadt erwirkte. „Wir konnten mit der Bezirksregierung Arnsberg aushandeln, dass es bis dahin nur gemäßigte Zuweisungen gibt“, sagte Urselmans.
In Kalkar wohnen derzeit 254 Flüchtlinge, darunter 105 mit einem laufenden oder abgelehnten Asylverfahren, 93 mit einem dauerhaften Bleiberecht und 56 Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine. Insgesamt ist die Stadt aktuell verpflichtet, 114 weitere Menschen aufzunehmen. Ab dem 26. September werden die Neuzugewiesenen in der bereits vorbereiteten, aber noch nicht belegten Bürgerbegegnungsstätte in Altkalkar untergebracht. Maximal 30 Plätze stehen dort bereit. „Innerhalb von drei Wochen ist die Bürgerbegegnungsstätte voll, und dann wird es eng, eng, eng“, sagte Bürgermeisterin Britta Schulz. „Deshalb brauchen wir eine kurzfristige Lösung.“
350.000 Euro für Mietcontainer
Wegen des enormen Zeitdrucks und des leer gefegten Immobilienmarktes blieben dafür nicht allzu viele Möglichkeiten. Die Stadtverwaltung hat ein Angebot zur Miete von gebrauchten, möblierten Containern für bis zu 50 Menschen vorliegen. Kosten: 350.000 Euro für zwei Jahre. Bis Montag muss sie diese Option ziehen – und bekam dafür einstimmig grünes Licht vom Stadtrat. „Die Containerlösung ist sicher nicht ideal, aber die Alternative wäre, die Turnhallen zu belegen. Und dies möchte niemand“, stellte Schulz fest.
Wo die Containeranlage mit Gemeinschaftsräumen aufgestellt werden soll, ist noch offen. Zwei Standorte diskutierten Rat und Verwaltung intensiver: zum einen die Fläche am Bovenholt nahe der Kleingartenanlage und des Hauptpumpwerks, die derzeit als Bauhoflagerplatz genutzt wird. Dort müsse noch der Boden geprüft werden, so Schulz. Zum anderen ist der Reisemobilplatz an der Wayschen Straße hinter dem Sportplatz von SuS Kalkar im Gespräch. Allerdings gab es im Rat Bedenken, den Stellplatz aufzugeben. „Wir suchen eine konfliktarme Lösung“, meinte Britta Schulz.
SPD-Vorschlag: „Besondere Schutzräume“ für Frauen und Familien
Bis November, so sagte die Bürgermeisterin, sei die temporäre Containerlösung umsetzbar. In kurzer Zeit muss die Stadt allerdings neben dem genauen Standort weitere Einzelheiten klären. SPD-Fraktionsvorsitzende Manuela Bühner-Lankhorst, die als Sozialarbeiterin beim Caritasverband Kleve tätig ist und auch bereits in einer Erstaufnahmeeinrichtung für Flüchtlinge gearbeitet hatte, sprach über die Probleme von „teilweise schwerst traumatisierten Menschen“ in Gemeinschaftsräumen. Sie regte deshalb an, die Obdachlosenunterkunft am Deichweg zu ertüchtigen und dort „besondere Schutzräume“ für Frauen und Familien zu schaffen. In den Containern könnten dann eher Alleinstehende untergebracht werden.
Geld dürfte dafür zur Verfügung stehen. Kämmerer Stephan Paeßens teilte mit, dass die Stadt Kalkar im April vom Land eine zweckgebundene Zuwendung in Höhe von fast 400.000 Euro erhalten habe, die bis zum Ende des laufenden Jahres zur Unterbringung von Flüchtlingen eingesetzt werden könne.
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Arbeitsgruppe soll langfristige Lösung erarbeiten
Die nun beschlossene Containeranmietung „entbindet uns nicht von einer langfristigen Lösung. Wir haben auch eine moralische Verpflichtung“, betonte Bürgermeisterin Britta Schulz. Diese sollen in der jetzt gewonnenen Zeit die Fraktionsvorsitzenden gemeinsam mit der Verwaltung finden und dafür bei Bedarf Fachleute etwa von Sozialverbänden hinzuziehen. Nur Dietmar Klein (FDP/Unabhängige Wähler im Rat der Stadt Kalkar) stimmte dagegen, weil er sich von einem weiteren Arbeitskreis nicht überzeugt zeigte.
Klar ist: Alle ziehen eine dezentrale Unterbringung in Wohnungen einer Gemeinschaftsunterkunft vor. Doch Johannes Kösters, Fraktionschef des Forums, benannte ein großes Problem: „Viele Vermieter scheuen sich, Flüchtlinge aufzunehmen.“ Carsten Naß (CDU) setzte dennoch Hoffnung darauf, dass durch die aktuellen Bauprojekte in der Stadt in den nächsten zwölf Monaten Wohnungen frei werden. Sollte dies so kommen, „müssen die Container sukzessive leergezogen werden“, forderte FBK-Fraktionsvorsitzender Günter Pageler.