Kalkar. Die Stadt Kalkar sucht Platz für eine Flüchtlingsunterkunft – doch die Pläne stoßen auf starken Widerstand. Warum Bürger sich übergangen fühlen.
In der Kalkarer Bevölkerung regt sich deutlicher Widerstand gegen den Bau einer neuen Gemeinschaftsunterkunft für Flüchtlinge. Die Stadtverwaltung prüft, wie im Juni berichtet, geeignete Flächen für eine Unterkunft, die 75 Menschen beherbergen soll. Am Donnerstag, 14. September, wird sich der Stadtrat in seiner Sitzung ab 18 Uhr im Rathaus erstmals öffentlich mit dem akut drängenden Problem der Unterbringung von Geflüchteten beschäftigten. Doch bereits im Vorfeld der politischen Diskussion kommt aus verschiedenen Richtungen Gegenwind für die noch nicht beschlossenen Neubaupläne der Stadt.
Ein Grundstück, das die Stadt Kalkar für eine Sammelunterkunft im Auge haben soll, liegt unmittelbar an der Wohnbebauung an der Theodor-Franken-Straße und Stefan-Paeßens-Straße sowie der Bundesstraße 57. Nach dem Tod der früheren Eigentümerin sollen das Bauernhaus und die Scheune in Altkalkar bereits verkauft sein, die rund 5000 Quadratmeter große Wiese allerdings noch verfügbar sein.
Anwohner befürchten Unruhe
Bewohner aus dem Gebiet Auf dem Behrnen wollen nun verhindern, dass dort eine zentrale Flüchtlingsunterkunft entsteht. „Wir möchten mithelfen, eine harmonische und für alle zufriedenstellende Lösung zu finden. Dies ist nur mit einer dezentralen Unterbringung der Flüchtlinge in Wohnungen, weiträumig auf ganz Kalkar verteilt, möglich – so wie es die Stadt Kalkar in der Vergangenheit vorbildlich gemacht hat“, sagt Ingo Meyer im Namen einiger direkt angrenzender Nachbarn.
Er habe ganz sicher nichts gegen Flüchtlinge und Ausländer und in der Vergangenheit viele internationale Kontakte gehabt. „Doch wir wissen, wie häufig es rund um Flüchtlingsunterkünfte Unruhe gibt, weil dort viele verschiedene Kulturen auf zu engem Raum zum Zusammenleben gezwungen sind“, meint Meyer.
Er und seine Nachbarn sagen, dass sie Bürgermeisterin Britta Schulz verschiedene Alternativvorschläge für eine dezentrale Unterbringung unterbreitet hätten: leerstehende Immobilien, die etwas weiter von der Wohnbebauung entfernt, jedoch nicht zu weit weg vom Stadtkern liegen würden. „Darauf haben wir aber kein Feedback erhalten. Deshalb haben wir das Gefühl, nicht mitgenommen zu werden“, sagt Ingo Meyer.
Stadt erklärt Kriterien für den Standort
Im Gespräch mit der NRZ äußert Bürgermeisterin Britta Schulz Verständnis für einige der Bedenken. Sie verweist aber auch darauf, dass es schwierig sei, ohne einen Ratsbeschluss die Bürger konkret zu informieren. „Da sitze ich in der Klemme“, meint Schulz.
Im Grundsatz liegen die Nachbarschaft Auf dem Behrnen und die Stadt Kalkar nicht weit auseinander. Auch die Verwaltung ziehe eine dezentrale Unterbringung der Geflüchteten wegen der besseren Integrationschancen einer Gemeinschaftsunterkunft vor. „Gleichwohl ist festzustellen, dass für diese Form der Unterbringung aktuell keine ausreichenden Möglichkeiten zur Verfügung stehen“, so die Stadtverwaltung in ihrer Beschlussvorlage für die Ratssitzung. Rat und Verwaltung seien deshalb nun dringend aufgefordert, weitere Unterbringungsmöglichkeiten zu schaffen.
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Eine dauerhafte Unterkunft muss laut städtischen Angaben in einem Allgemeinen Siedlungsbereich von Kalkar oder unmittelbar angrenzend liegen und darf sich nicht in einem Naturschutzbereich befinden. Deshalb eignen sich zum Beispiel nicht die Flächen des Bauhoflagerplatzes hinter der Abwasserbehandlungsanlage. Der Wohnmobilstellplatz an der Sportanlage in Kalkar könnte laut der Verwaltung im Zuge einer Flächennutzungsplanänderung für den Sportcampus als Fläche für eine Gemeinschaftsunterkunft ausgewiesen werden. Doch die Stadt warnt hier vor einem „Planverfahren mit erhöhtem zeitlichen Aufwand“.
Kurzfristig wäre dagegen die Errichtung einer Unterkunft auf unbebauten städtischen Flächen möglich, die im Flächennutzungsplan bereits als Baufläche ausgewiesen sind. Die Verwaltung nennt hier konkret die freien Mischbauflächen nördlich angrenzend an die stillgelegte Bahntrasse in Kehrum.
Protest kommt auch aus Kehrum
Allerdings kommt auch aus dem kleinen Stadtteil im Kalkarer Süden Protest. In einem Offenen Brief an die Bürgermeisterin äußern Maik Peters und Theresa Werschmann „im Namen der Anwohner von Kehrum“ ihren Unmut über die Planungen der Verwaltung: „Über ein solches Vorhaben sollten vorab die Anwohner informiert werden.“ Es sei ein „No-Go“, erst grob eine Woche vorher von den ortsansässigen Schützen davon zu erfahren.
In dem Offenen Brief werden zahlreiche Gegenargumente der Anwohner zum Neubau einer Flüchtlingsunterkunft aufgelistet: Diese reichen von der ungleichen Verteilung auf die Stadtteile (75 Flüchtlinge auf 494 Einwohner in Kehrum) und der fehlenden Versorgung mit Ärzten, Schulen und Einkaufsmöglichkeiten über eine Abwertung der Immobilien im Umkreis bis hin zu einem „Sicherheitsrisiko für Anwohner und insbesondere deren Kinder sowie Eigentümer gewerblicher und privater Flächen“. Weitere anonym im Ratsportal veröffentlichte Briefe weisen etwa auf die erschwerte Mobilität durch wenige Busverbindungen zwischen Kehrum und dem fünf Kilometer entfernten Stadtzentrum, aber auch auf eine gefühlte Bedrohung „durch körperliche Übergriffe jeglicher Art“ hin. Die Anwohner plädieren jeweils für eine dezentrale Unterbringung.
Neubaukosten könnten bei 3,5 Millionen Euro liegen
Über Arten und Ausgestaltungen sowie den Standort einer möglichen Flüchtlingsunterkunft wird der Stadtrat am Donnerstag debattieren. Es dürfte einen großen Publikumsandrang im Ratssaal geben. Dann kommen auch die Kosten auf den Tisch. Die Stadt Kalkar rechnet für einen Neubau mit je 38 Quadratmeter großen Wohnappartements und Gemeinschaftsräumen für 75 Personen in herkömmlicher Bauweise mit 3,5 Millionen Euro. Für eine Unterkunft in Holzständerbauweise werden Baukosten in Höhe von 2,4 Millionen Euro veranschlagt.
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Die Stadt Kalkar gibt an, aktuell 52 Wohnungen für die Unterbringung von Geflüchteten angemietet zu haben. Darüber hinaus werden die Obdachlosenunterkunft am Deichweg sowie der ehemalige Jugendtreff in Wissel genutzt. In diesen Unterkünften wohnen derzeit 249 Personen. „Die Aufnahmekapazität ist damit erreicht“, stellt die Stadtverwaltung fest.
Die Bezirksregierung hat die Stadt Kalkar unterdessen in der vergangenen Woche informiert, dass es weitere Zuweisungen von Flüchtlingen in erheblicher Zahl geben werde. Die Rede ist von 15 Menschen pro Woche. 30 Plätze stehen in der Begegnungsstätte in Altkalkar bereit. Insgesamt besteht aktuell für die Stadt Kalkar eine Aufnahmeverpflichtung für weitere 100 Flüchtlinge, so die Verwaltung.
„Wegen der erhöhten Geschwindigkeit der Zuweisungen müssen wir schnell eine Lösung finden und im Rat auch über Container sprechen. Das ist jetzt sogar vorrangig, denn ein Neubau dauert lange“, sagt Bürgermeisterin Britta Schulz zu den jüngsten Entwicklungen.