Kreis Kleve. CDU-Chef Bergmann sieht bei der Integration von Asylbewerbern die Grenzen erreicht. Von Großstädten fordert er mehr Einsatz für den Klimaschutz.
Günther Bergmann steht am Donnerstag, 14. September, als Vorsitzender der CDU im Kreis Kleve zur Wiederwahl. Im NRZ-Interview nimmt er zu aktuellen Themen Stellung. Bei der Energiewende sieht Bergmann jetzt auch mal die Ballungsräume am Zug, die Großstädte hätten noch einiges nachzuholen. Auch beim Thema Asylunterkünfte sieht der CDU-Kreisparteichef die Region am Limit.
NRZ: Wir reden zurzeit viel über die Herausforderungen der Zukunft. Über den Klimawandel und die Folgen in all seinen Facetten, über die soziale Frage, über die Herausforderungen für die Demokratie. Wie sehen Sie die Situation im Kreis Kleve?
Günther Bergmann: Politik darf nicht der Gefahr erliegen, Schwarz-Weiß zu malen. Wenn wir als Konsens haben, dass wir etwas für unsere Umwelt tun müssen – also die Schöpfung bewahren wollen –, dann dürfen wir da nicht mit der Brechstange vorgehen, weil wir sonst Akzeptanz und unseren Wohlstand verlieren werden, um das zu finanzieren, was wir jetzt alles machen müssen. Will heißen: Ich kann nicht jedem Häuslebauer in Deutschland irgendetwas aufzwingen. Das sind gravierende Eingriffe ins Eigentumsrecht.
Die soziale Frage müssen wir dabei viel stärker bedenken. Es ist für viele Menschen schlichtweg nicht zu bezahlen, mal eben 100.000 Euro zusätzlich in ein ererbtes oder erworbenes Haus zu investieren. Das Gleiche gilt für Investitionen in E-Mobilität. Wir müssen die Menschen Schritt für Schritt mitnehmen.
NRZ: In den Kommunen dokumentieren jetzt die Klimaschutzpläne sehr schön, vor was für einer wahnsinnigen Aufgabe wir da eigentlich stehen. Und Wissenschaftler sagen uns tagtäglich, dass wir schnell agieren müssen. Das beißt sich mit Ihrem Ansatz „Schritt für Schritt mitnehmen“.
Bergmann: Wir dürfen aber auch keine falschen Erwartungen schüren. Der Anteil, den Deutschland an den weltweiten Maßnahmen leisten kann, ist ja verschwindend gering. Wenn China gerade 385 neue Kohlekraftwerke baut, dann ist das ein Skandal, der unsere begrenzten Möglichkeiten aufzeigt.
Und Deutschland hat ja schon fast die Hälfte an CO2 eingespart. Es wird immer der Eindruck erweckt, als hätten wir noch nichts gemacht. Das stimmt nicht, es ist viel passiert. Die anderen Länder werden aber erst folgen, wenn sie sehen, dass wir in Deutschland erfolgreich sind. (A.d.R.: 1990 stieß Deutschland 1052 Millionen Tonnen CO2 aus, 2022 waren es 657 Millionen Tonnen)
NRZ: Unser Konsumverhalten trägt dazu bei, dass der CO2-Ausstoß in Ländern wie China steigt. Unsere Aufgabe ist es nicht nur, die Energiewende zu schaffen, sondern auch den Konsum zu reduzieren. Wie wollen Sie das Ihren Wählern vermitteln?
Bergmann: Aber die Wirtschaft macht doch schon eine Menge. Nehmen Sie Biotech aus Emmerich. Die produzieren vollkompostierbare Verpackungsbeutel für Obst und Gemüse. Es gibt viele solcher innovativen Unternehmen, die tätig sind in diesem Bereich. Aber es kann nicht sein, dass wir immer nur mit Verboten arbeiten. Wir müssen nicht nur unser Konsumverhalten überdenken, sondern auch Freiheiten für Innovationen lassen. Natürlich kann jeder seinen kleinen, bescheidenen Beitrag leisten.
NRZ: Der Kreis Kleve ist Ökomodellregion, 30 Prozent der landwirtschaftlichen Fläche sollen ökologisch genutzt werden. Aus meiner Sicht dümpelt das Projekt vor sich hin. Ist diese Zielmarke in einer Hochleistungsagrarregion, wie sie der Kreis Kleve nun einmal ist, realistisch?
Bergmann: Wenn den Landwirten wirtschaftliche Perspektiven geboten werden, dann werden einige diesen Schritt auch gehen. Unsere konventionelle Landwirtschaft macht allerdings auch einen tollen Job. Wir dürfen diese Landwirte nicht gegeneinander ausspielen. Leider gibt es gerade eine gehörige Kaufzurückhaltung bei den Bioprodukten, weil alles teurer geworden ist. Aber ich denke, dass sich diese Entwicklung wieder ändern wird.
NRZ: Thema Windkraft. Einige Regeln sind in NRW jetzt gelockert worden. Sie haben im Wahlkampf gesagt, dass der Kreis Kleve einen wichtigen Anteil zur Ausweisung von Windkraftanlagen bereits geleistet hat – jetzt seien mal städtische Regionen gefordert. Stehen Sie noch dazu?
Bergmann: Ich halte das immer noch für wichtig. Der ländliche Raum hat bei der ganzen Transformation schon ganz viel geleistet. Die urbanen Zentren, die viel machen können, haben zu wenig getan. Wenn ich in Großstädten an vielen Straßen nicht einen Baum sehe und weiß, dass das die besten CO2-Fresser sind und diese gleichzeitig den Asphalt durch ihren Schatten schützen, dann kann ich nur sagen: Tut doch auch mal was! Es gibt viele Gewerbegebiete, wo eine Windkraftanlage nicht nur gut hinpassen, sondern auch den Bedarf der Unternehmen vor Ort prima decken würde.
Wir sind in diesem Jahr in NRW übrigens absolute Nummer 1 bei den neuen Anlagen. Unser Ziel steht: 1000 Anlagen in dieser Legislaturperiode.
NRZ: Trotzdem sieht der Regierungsbezirk Düsseldorf vor, dass gerade im Kreis Kleve ein gehöriger Anteil an Windkraftanlagen hinzugebaut werden soll. Landrat Gerwers hat bereits eine entsprechende Stellungnahme formuliert.
Bergmann: Wir werden erst einmal ein Problem mit den Konzentrationszonen bekommen. Hier stellt sich das Problem des Re-Powerings. Wenn jetzt noch drei Anlage in einer Zone stehen, können es künftig – mit viel Glück – nur noch zwei sein. Weil die Anlagen größer sind und sich – unfachmännisch gesprochen – gegenseitig den Wind wegnehmen.
NRZ: Sind aus Ihrer Sicht alle Stellschrauben für die Förderung der Erneuerbaren Energien gedreht?
Bergmann: Nein. Vor allem die urbanen Bereiche könnten bei den PV-Anlagen noch viel nachlegen: Warum nicht auf allen Parkplätzen eine PV-Überdachung? Das wäre ein Booster. Auch die gewerblichen Gebäudeflächen könnte man dazu nutzen.
Hingegen fangen wir jetzt an, darüber zu diskutieren, ob wir landwirtschaftliche Nutzfläche für Agro-PV ausweisen sollen. Das kann doch wohl nicht wahr sein. Sinn und Zweck der Landwirtschaft ist es, für gute Nahrungsmittel zu sorgen. Die Verknappung von Flächen macht am Ende die Lebensmittel für alle teurer und den Landwirten das Leben noch schwerer.
NRZ: Themenwechsel: Viele Lehrer fühlen sich überfordert, angesichts der Integrationsleistung, die sie vollbringen sollen: große Klassen, integrative Schüler, Asylbewerber. Darunter leiden die ruhigen Schüler, die kaum gefördert werden. Das schafft Akzeptanzprobleme.
Bergmann: Wir müssen uns um alle kümmern. Wenn ich sehe, was für eine Leistung in allen Schulformen vollbracht wird, dann kann ich nur sagen: großen Respekt. In den Schulen wäre dieser Prozess ohne die Sonderdinge durch Corona und Krieg auch leichter. Wir müssen gucken, ob man nicht von den Anforderungen auch etwas zurücknimmt, um sich mehr zu kümmern.
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NRZ: Wie sehen sie die Lage im Kreis Kleve bezüglich der Integration von Asylbewerbern?
Bergmann: Wir müssen das Asylrecht mit Zähnen verteidigen, aber wir müssen auch dafür sorgen, dass es nicht so oft missbraucht wird. Da muss die Ampel in Berlin endlich handeln. Trotzdem können die kleinen Kinder nichts dafür und um die müssen wir uns kümmern – in den Kitas, in den Schulen. Dass das total schwierig ist, ist klar. Zusätzliche Lehrer können wir uns nicht schnitzen und wir haben mit der Schulsozialarbeit ja auch schon was gemacht. Wir haben 100.000 Kinder zusätzlich im System, dabei fehlten ja schon im alten jede Menge Lehrer.
Klar ist: Wenn die Flüchtlingszahlen weiter steigen werden, wird die Stimmung im Land kippen. Die Kapazitäten im Kreis Kleve sind ausgeschöpft. Wir bekommen keine Wohnungen mehr. Die städtischen Mitarbeiter, die ja alle ihre Kontakte aktiviert haben, leisten Tolles, wissen aber oft nicht mehr weiter.
Das Land findet kaum noch Möglichkeiten, adäquate Einrichtungen zu bauen, weil die Kommunen keine Ballung von Asylbewerbern mehr wollen. Das heißt: Wenn ich die Masse nicht bewältigen kann, dann muss ich die Masse reduzieren. Eine klare Aufgabe für die Ampel! Ich habe natürlich Verständnis dafür, wenn jemand wirtschaftlich vorankommen möchte und hierin kommt. Aber wir können das als Deutschland nicht alles alleine leisten. Schließlich gibt es zurzeit 80 Millionen Flüchtlinge auf der Welt.