Kleve. Vor zehn Jahren trafen sich die deutsche und niederländische Regierung zu Gesprächen – in Kleve. Peter Altmaier und Theo Brauer erinnern sich.
Ja, der Regen. An den kann sich Peter Altmaier noch gut erinnern: „Das Treffen wurde überschattet von einem enormen Regenguss. Es hörte einfach nicht mehr auf.“ Was der ehemalige Bundesumweltminister noch so lebendig vor Augen hat, kann Kleves Alt-Bürgermeister Theodor Brauer (74) in bekannter Manier ausmalen: „Es hat geschüttet, es regnete ohne Unterlass. Das war ein richtiger Aufguss!“
Ins Wasser gefallen waren die deutsch-niederländischen Regierungskonsultationen trotz der kräftigen Regenschauer allerdings nicht. Im Gegenteil: Heute vor zehn Jahren trafen sich die Kabinettsmitglieder von Angela Merkel und Mark Rutte zum ersten Mal nach dem Zweiten Weltkrieg zu gemeinsamen persönlichen Gesprächen im Museum Kurhaus. „Das war ein historischer Tag“, sagt Theodor Brauer, der sich noch an viele Details des für ihn so wichtigen Regierungstreffens erinnern kann.
Die drei Damen aus dem Rathaus
Zum Beispiel an den Anruf von Ronald Pofalla: „Kannst Du ein paar Räumlichkeiten besorgen?“, habe dieser zu ihm gesagt, so Brauer: „Ein paar Räumlichkeiten!“ Natürlich nahm der damalige Bürgermeister dieses Geschenk dankend an: Zwei Monate lang war die Stadtverwaltung daraufhin quasi im Ausnahmezustand – bis zuletzt wurden die Details organisiert. Und Brauer dankt vor allem seinen drei Frauen im Rathaus: Barbara Lamers, Daniela Rennecke und Vanessa Neu, die diesen Tag „gewuppt haben“. „Ich werde nie vergessen, wie Barbara Lamers am Pfingstsonntag im Rathaus saß und mir half: „Ich lass dich nicht allein“, hat sie gesagt. „Das war einmalig.“
Peter Altmaier nahm damals als Umweltminister an den Gesprächen teil. Altmaier, der fließend Niederländisch spricht und seit über 40 Jahren ein großes Herz für die kleineren Nachbarn hat, tat sich im Vorfeld allerdings mit der Aufnahme jährlicher formeller Regierungskonsultationen schwer: „Ich wollte der Kanzlerin nicht noch mehr Arbeit bereiten“, sagt er offen. Denn Deutschland hatte schon mit sehr vielen anderen Regierungen jährliche Konsultationen, und wenn man dieses Format mit den Niederlanden aufgenommen hätte, wäre die Wahrscheinlichkeit groß gewesen, dass auch andere EU-Staaten, wie zum Beispiel Belgien, Dänemark und die skandinavischen Länder, Konsultationen gewünscht hätten.
Ronald Pofalla wollte, dass das Treffen in Kleve ausgerichtet wird
Die Lösung habe dann Ronald Pofalla gefunden: Er wollte, dass das Treffen in Kleve ausgerichtet wird, aber nicht regelmäßig, sondern zunächst als einmalige Veranstaltung, erinnert sich Altmaier. Umso schöner sei es, dass es heute gerade mit den Niederländern besonders gut funktioniere.
Der 23. Mai 2013 war ein Donnerstag, weiß Theo Brauer. Er hatte sich eine Rede überlegt, aber am Ende frei gesprochen: „Vom Blatt ablesen bringt gar nichts“, sagt er, man müsse die Stimmung spüren und sich auf den Moment einlassen – Spontanität sei alles. Zu Beginn des Tages begrüßte er alle Minister vor dem Kurhaus, ehe Angela Merkel um 14.45 Uhr vorgefahren wurde. Besonders die Niederländer Frans Timmermans, der damals Außenminister war, und Finanzminister Jeroen Dijsselbloem hätten ihn beeindruckt. „Dijsselbloem führte die Eurogruppe. Das waren schon wichtige Regierungsvertreter.“
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Peter Altmaier war vor diesem Regierungstreffen noch nie in Kleve. „Ich war sehr angetan vom Neuen Tiergarten und der Stadt“, erzählt er. Er erinnert sich, dass die Kabinette nicht vollständig in Kleve angetreten waren. Während der Gespräche im Museum Kurhaus hätten die Niederländer in aller Regel Deutsch gesprochen, so Altmaier. Aber es wurde auch auf Englisch kommuniziert, er selbst habe einen Beitrag auf Niederländisch gehalten: „Es war nicht so, dass wir große, strittige Fragen verhandeln und entscheiden mussten“, so Altmaier. Die Regierungskonsultationen seien dafür gedacht, dass man sich menschlich näher kommt und versteht.
Welche Themen standen auf dem Programm?
Doch welche Themen standen auf der Agenda? Die NRZ erhielt vom Bundespresseamt das Protokoll der Pressekonferenz. Demnach gab es fünf Schwerpunkte, die in Kleve besprochen wurden: Es ging um den Ausbau der Erneuerbaren Energien, bei dem der niederländische Netzbetreiber Tennet in Deutschland eine wichtige Rolle spielen sollte. Es ging um solide Finanzen und den Aufbau einer Bankenaufsicht sowie um die Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit. Auch der Abbau von Bürokratie für Unternehmen im jeweiligen Nachbarland wurde besprochen und es wurde über die Anerkennung von Berufsqualifikationen geredet.
Das Treffen in Kleve sei insgesamt weniger streng geregelt gewesen als Konsultationen mit anderen Ländern: „Einfach weil es familiärer und kameradschaftlicher war“, so Altmaier.
Unterm Schirm von Merkel und Rutte
Und wie war das noch mal mit dem legendären Regenschirmfoto? Natürlich kann Theo Brauer davon erzählen, als sei es gestern gewesen: „Also, ich wollte der Bundeskanzlerin natürlich den Regenschirm halten. Ja von wegen, den ließ sie sich nicht nehmen. ,Ich beschirme Sie’, hat sie gesagt. Und dann stand ich da zwischen Merkel und Rutte und beide haben den Schirm über mich gehalten“, sagt Brauer lachend.
Vergessen waren da die enormen Vorbereitungen, die vielen Gespräche mit dem Kanzleramt, die Auflagen für Sicherheitsvorkehrungen, die aufwendigen Planungen für die Presseversorgung und das Essen. Brauer weiß noch gut, dass Margret Kothes mit den Frauen vom Freundeskreis kleine Canapés zubereitet hat: „Unglaublich toll.“
Peter Altmaier hat den Tag auch sehr genossen. Nach den Gesprächen im Kurhaus fuhr er mit einigen Kabinettskollegen noch nach Nimwegen, wo Angela Merkel die Ehrendoktorwürde der Radboud-Universität erhielt. „Ich fand das toll“, sagt Altmaier. In der Stevenskerk wurde gefeiert, anschließend gab es ein Essen im Nimweger Rathaus. „Es ging noch bis 22.30 Uhr“, erinnert sich Theo Brauer an einen der größten Tage in seinem Leben.