Uedem-Keppeln. Cornelia Wagner aus Keppeln arbeitet hauptberuflich bei der Feuerwehr Düsseldorf. Jetzt rettete sie ehrenamtlich Erdbeben-Opfer in der Türkei.
Der Urlaub ist gebucht, die Sachen gepackt und die Vorfreude groß. Doch dann geht der Handyalarm los – und die Keppelnerin Cornelia Wagner ändert sofort ihre Pläne. Sagt die Reise ab, packt ihre Einsatzklamotten und ihren Hund und geht nur kurz die Welt retten. Fast so, wie es Sänger Tim Bendzko in seinem schon legendären Song beschreibt.
Dies erlebte Cornelia Wagner jetzt beim Jahrhundert-Erdbeben am 6. Februar im Süden der Türkei und Norden Syriens. Natürlich weiß die 31-jährige Conny (so nennen sie alle Freunde) genau, dass sie das – die Welt retten – eben nicht kann. Aber es ist eine Tatsache, dass sie das Leben einzelner Menschen retten kann und bereits mehrfach gerettet hat. Nicht nur hauptberuflich als Feuerwehrfrau, sondern auch ehrenamtlich als Rettungshundeführerin bei der privaten Hilfsorganisation I.S.A.R. Germany. Gemeinsam mit einem 42-köpfigen Team – darunter sieben Rettungshunden – konnte sie aus den Schuttmassen vier Menschen unmittelbar nach dem Beben in der Türkei orten, ausgraben und retten.
Cornelia Wagner ist Leiterin der I.S.A.R.-Germany-Ortungsgruppe
Es war nicht ihr erster Auslandseinsatz und es wird ziemlich sicher auch nicht ihr letzter gewesen sein. Denn die Arbeit mit Hunden und engagierten Menschen gehört zu ihrem Leben dazu. Ist ihre Leidenschaft, ihre Passion, ihr Talent. Conny Wagner opfert ihre Freizeit gerne für die gute Sache. Weil sie es kann und weil „ich dabei helfen kann, die Welt ein kleines bisschen besser zu machen“, sagt Wagner.
Als Leiterin der I.S.A.R.-Ortungsgruppe, die nach Katastrophen unter Schutt und Trümmern Überlebende aufzuspüren hilft und so Leben rettet, hat sie alle Hände voll zu tun. Schließlich leitet sie nicht nur das Training der sogenannten Trümmersuchhunde, sie hat auch die Verantwortung für ihre eigene Trümmersuchhündin Datura, ein Riesenschnauzer aus Arbeitslinie. „Die meiste Zeit ist sie kein Schoßhund, sie will arbeiten und fordert das auch lautstark ein“, beschreibt Cornelia Wagner die Arbeitswut ihres Hundes.
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Ein idyllisches Zuhause auf dem platten Land
Der Spagat zwischen ihrem Beruf mit 24-Stunden-Schichten bei der Feuerwehr in Düsseldorf auf dem Löschboot und ihrem privaten Engagement ist nicht immer einfach. Da die Keppelnerin Single ist, wird ihr Hund während der Arbeit in einer Pension betreut. Das klappt reibungslos und tut dem guten Mensch-Hund-Team keinen Abbruch. Wobei beide es sicherlich schöner finden, wenn sie mitten auf dem platten Land in der idyllisch gelegenen Katstelle außerhalb der Ortschaft gemeinsam ihre Zeit verbringen können.
Engagement liegt der sympathischen Feuerwehrfrau im Blut. Helfersyndrom? „Nein“, meint Conny Wagner. „Nur die Überzeugung, dass ich ein bisschen was in der Welt bewegen kann.“ Auch wenn sie ihr enthusiastisches Engagement für Menschen in Katastrophenlagen aller Art nicht unbedingt in die Wiege gelegt bekam, hat sie früh gespürt, dass das ihr Ding ist. Bereits mit zehn Jahren trat sie in der Eifel, wo sie geboren wurde und aufwuchs, dann auch gegen alle Widerstände in eine Rettungshundestaffel ein. Sie erlernte das Handwerk als Hundeführerin bei der Arbeit mit bereits fertig ausgebildeten Hunden von Freunden und Bekannten.
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Schon mit 16 Jahren zog sie von zu Hause aus. Ein Jahr zuvor hatte sie sich ihren ersten eigenen Hund, Bordercollie Diego, geholt. Er starb erst im vergangenen Jahr mit 15 Jahren. Mit ihm hat Conny Wagner Erfahrungen in der Flächensuche und später in der Trümmersuche gesammelt, Einsatzprüfungen bestanden und ist Einsätze gelaufen.
Die einzige Frau auf ihrer Feuerwehrwache
Nach dem Fachabi startete sie ihre Ausbildung zur Feuerwehrfrau in Düsseldorf. Als eine von nur drei Frauen unter 900 Feuerwehrleuten und als einzige Frau auf ihrer Wache. Kein Zuckerschlecken. Eher Härtetest mit „schwierigen und auch besseren Zeiten“, wie Wagner im Rückblick sagt. Und mit jeder Menge Ausbildung in Stufen. Sie beinhalteten auch fundierte Kompaktausbildungen in vier Gewerken: Zimmermann, Elektrik, Sanitär- und Heizungswesen, Karosseriebau. Das erklärt das handwerkliche Geschick der jungen Frau, die so ziemlich alles selbst bauen und reparieren kann. Dann folgte die Stufe zur Rettungsassistentin, später setzte Wagner die Ausbildung zur Notfallsanitäterin oben drauf. Heute ist das Löschboot in Düsseldorf ihr dienstliches Zuhause – die Arbeit am und auf dem Wasser hat sie immer interessiert.
Die Arbeit mit ihren Hunden in ihrer Freizeit hat sie dabei nie vernachlässigt und vor ein paar Jahren auch die anspruchsvolle Sichtung bei I.S.A.R. Germany bestanden. Heute gehört sie zum festen Stammteam. Da der Geschäftsstellensitz in Kleve liegt und I.S.A.R. in Weeze an der Training Base Weeze ein umfangreiches Übungsgelände hat, zog es auch Wagner an den Niederrhein und hier nach Keppeln.
Cornelia Wagner: „Du wirst demütig vor der Welt und ihren Kräften“
Ihre Bereitschaft so viel Engagement ehrenamtlich einzubringen, fällt ihr nicht schwer: „Ich weiß ja, dass ich das Richtige tue!“ Dabei helfen Conny Wagner auch ihr Biss, ihr Ehrgeiz und ihre Willensstärke. Freunde beschreiben sie außerdem als ausgesprochen hilfsbereit und eher zurückhaltend. Geduld? „Wenn es wie jetzt in der Türkei darum geht, nicht aufzugeben und sich Stück für Stück vorzuarbeiten, sich durchzubeißen, dann ja. Aber ungeduldig bin ich bei Menschen, deren Wertevorstellungen so komplett in eine falsche Richtung abdriften“, verrät die Keppelnerin.
Aber grundsätzlich sei sie „schwer aus der Ruhe zu bringen.“ Nach einer kurzen Pause ergänzt sie: „Wenn du viel Leid gesehen hast, dann setzt du die Prioritäten anders. Du wirst demütig vor der Welt und ihren Kräften und lernst, die wirklich wichtigen Dinge zu schätzen. Lebenszeit zum Beispiel. Wenn Menschen in deinen Armen sterben, dann bist du dankbar über die Zeit, die du selber hast.“
Und deswegen nutzt Conny Wagner ihre Lebenszeit in der knappen Freizeit, um ihrer Jagd-Passion zu folgen oder mit Hund im Wohnmobil zu verreisen. Außerdem besucht sie (fast) täglich ihre geliebte und mittlerweile in Till lebende Großmutter.