Kreis Kleve. Gymnasial-Lehrer half für ISAR Germany im Erdbebengebiet in der Türkei. Wie er solche Einsätze verkraftet und welcher Gedanke ihn tröstet.
Chemiestunde, Oberstufe am Freiherr-vom-Stein-Gymnasium Kleve. Doch es kamen gar nicht erst alle Schüler. Sie rechneten nicht damit, dass ihr Lehrer Norbert Helpenstein am Mittwoch schon wieder vor der Klasse stünde. Er ist nach einer Woche Einsatz im Erdbebengebiet in der Türkei gerade wieder zurück. Montag um 23:30 Uhr in Köln gelandet. Unter großem Beifall von Hunderten Menschen kam das 42-köpfige Team von ISAR Germany (International Search and Rescue / internationale Such- und Rettungsteam) zurück aus Kirikhan in der Türkei. „Wir hatten gehofft, dass niemand zur Begrüßung da wäre. Wir waren so müde“, sagt Helpenstein. „Ich finde es schwierig, gefeiert zu werden für eine Arbeit, die selbstverständlich sein müsste. Ich denke an die Menschen dort. Was sie jetzt brauchen, sind Decken und Zelte bei minus zehn Grad Eiseskälte.“
Auf dem Weg zur Arbeit durch Kleve fahren, alle Gebäude intakt – das ist irritierend
Nachts um eins war Helpenstein dann endlich bei sich zu Hause in Keppeln. Einmal schlafen, am Mittwoch wieder vor den Schülerinnen und Schülern stehen. „Auf dem Weg zur Arbeit durch Kleve fahren, alle Gebäude intakt – das ist irritierend, wenn man gerade aus einer Stadt kommt, wo jedes zweite Haus in Trümmern liegt“, sagt er. Die jüngeren Gymnasiasten, zum Teil aus Syrien, fragten ihn, wie es gewesen sei. „So jungen Menschen mag ich das nicht schildern“, sagt der Lehrer.
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Es war sein siebter internationaler Einsatz. Wie verarbeitet er das Erlebte? „Beim ersten Mal hatte ich damit Schwierigkeiten, aber ich fragte mich, was wäre, wenn ich nicht hingefahren wäre. Es ist besser, dort zu sein, als Zuhause nichts zu tun. Der Gedanke ist für mich tröstlich.“
Zelte und Nahrung, Trinkwasser und Kraftstoff für das Team vom Niederrhein
Norbert Helpenstein ist bei Isar Germany für die Logistik zuständig. In Kirikhan waren die privaten Helfer – wie so oft – unbürokratisch als Erste am Katastrophenort. Zelte und Nahrung für zehn Tage hatten die Deutschen dabei, die Partner von ISAR Turkey sorgten für Trinkwasser und Kraftstoff für die Bergungsgeräte. Helpenstein organisierte Busse zum Einsatzort und Trucks fürs schwere Gerät – Kettensäge, Betonsägen, Stemmeisen, Seilzüge, Kernbohrgeräte, Bioradar, Geophone. Das hielt er stets nach, damit auch die nächste Einsatzmannschaft gut ausgerüstet ist. Der 60-Jährige stimmte den Zeitplan ab und teile den Zeltplatz neu ein, als einen Tag später das THW (Technische Hilfswerk) anreiste.
Der erste Einsatzzug fing sofort an und machte erst mal 50 Stunden durch
42 Leute waren bei ISAR in zwei Einsatzzüge aufgeteilt, die jeweils in Zwölf-Stunden-Schichten versuchten, Menschen aus der Erdbebenstadt zu bergen. „Der erste Zug fing sofort an und machte erst mal 50 Stunden durch“, beschreibt Norbert Helpenstein. „Die Bevölkerung zeigte Stellen, wo sie Lebenszeichen gehört hatte.“ Isar Germany lokalisierte das mit seinen ausgebildeten Trümmer-Suchhunden genauer, setzte dann Horchgeräte und Kameras ein. Die Bergung begann.
„Der Schicksalsschlag holt einen von den Füßen“
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Deutschlandweit berühmt wurde ihr Einsatz für die Frau, die hundert Stunden in den Trümmern lag, ihr totes Kind, ihren toten Mann neben sich. ISAR vom Niederrhein versorgte sie per Schlauch mit Getränken und grub sich tagelang vor. „Als klar war, dass wir sie wohl in drei bis vier Stunden retten könnten, waren alle euphorisch und erleichtert“, beschreibt der Lehrer. „Die Frau hat gelacht und sich bedankt. Wir haben sie bewundert, dass sie so lange durchgehalten hat. Sie wollte leben.“ Aber am nächsten Tag starb sie im Krankenhaus, umgeben von ihrer Familie. „Der Schicksalsschlag holt einen von den Füßen“, beschreibt Helpenstein die Trauer der Isar-Helfer. „Es ist alles nur ein Tropfen auf den heißen Stein.“
Aber vier andere Personen haben die Niederrheiner – u.a. Michael Lesmeister aus Kleve, Sven Beyer aus Goch, Cornelia Wagner aus Uedem-Keppeln – lebend retten können.