Emmerich. Sechs Bürgermeister-Kandidaten und acht Parteien oder Wählergemeinschaften, die in den Rat in Emmerich wollen – die NRZ analysiert die Lage.
Die Kommunalwahl wird in kaum einem anderen Ort so vielseitig und spannend sein wie in Emmerich. Sechs Bürgermeisterkandidaten. Acht Parteien und Wählergemeinschaften, die in den Rat wollen. Und das, obwohl Die Linke diesmal nicht antritt. Die NRZ bietet eine Wahlanalyse.
Bei der Bürgermeisterwahl tritt zum vierten Mal in Folge Peter Hinze für die SPD an. Der 60-Jährige verlor erst zweimal gegen Johannes Diks (CDU), um ihn dann im dritten Anlauf zu entthronen. Mit klaren 67,22 Prozent in der Stichwahl. Zwei Wochen davor lagen Diks, Hinze und Joachim Sigmund (BGE) fast gleich auf – die BGE-Wählerschaft schwenkte scheinbar komplett auf den Vrasselter um.
Peter Hinze: im Rathaus beliebter Krisenmanager
Nun kann der SPD-Politiker gestärkt sein Amt verteidigen. Im Rathaus ist er beliebt, seine Art der Mitarbeiterführung kommt gut an. Er ist authentisch, ehrlich, nimmt die Überparteilichkeit seiner Rolle sehr ernst und hat sich in zwei großen Krisen während seiner Amtszeit bewährt: zuletzt Corona, zu Beginn seiner Amtszeit die Flüchtlingskrise.
Gestalterisch sollte man die Möglichkeiten des Bürgermeisters nicht überschätzen. Sicherlich hat Hinze die Entwicklung großer Baumaßnahmen wie an der Kaserne mit voran getrieben. Aber ohne SPD-Mehrheit im Rat, kann seine Partei alleine nichts durchdrücken. Es war auffällig, dass CDU und BGE sich mehrfach gemeinsam gegen den Bürgermeister stellten. So haben diese etwa die deutliche Senkung der Kindergarten-Beiträge, die eigentlich die BSD angeregt hatte, sich gemeinsam auf die Fahne geschrieben, während der Bürgermeister den haushalterischen Mahner gab.
Matthias Reintjes hat sich als junger Fraktionschef bewährt
Größter Konkurrent für Hinze ist sicherlich Dr. Matthias Reintjes (CDU). 2015 wurde der Eltener mit nur 26 Jahren neuer Fraktionschef. Der Mut der Fraktion hat sich ausgezahlt. Der Berater der Gemeindeprüfungsanstalt ist in die Rolle hineingewachsen. Bei hitzigen Debatten im Rat ist er es oft, der versucht einen Kompromiss zur Güte zu finden.
Im Wettstreit um die CDU-Bundestagskandidatur scheiterte der junge Reintjes nur knapp an Stefan Rouenhoff aus Goch. Ein Achtungserfolg. Er landete vor dem Reeser Bürgermeister Christoph Gerwers. Aber lange schien es, als wenn Reintjes seine politische Zukunft in Düsseldorf oder Berlin sehen würde. Nun greifen er und seine Verlobte Marie Reeke, die für den Kreistag kandidiert, vor Ort an – Sie könnten das neue Power-Pärchen Emmerichs werden.
Joachim Sigmund – zwischen oppositionellem Mahner und gestaltendem Macher
Nicht chancenlos im Rennen um den Chefsessel im Rathaus ist Joachim Sigmund (63). Die BGE mit ihm an der Spitze hat sich in dieser Wahlperiode immer wieder geschickt positioniert und für die Mehrheiten im Rat gesorgt. So konnte Sigmund immer wieder die Rollen tauschen: mal oppositioneller Mahner, mal gestaltender Macher. Der Diplom-Verwaltungswirt hat auch als Berufssoldat Erfahrungen sammeln können, die bei der Führung einer Verwaltung helfen können. Sicherlich ein Kontrastkandidat zu Peter Hinze.
Kann Sabine Siebers von der grünen Welle profitieren?
Die große Unbekannte im Bürgermeisterrennen dürfte Sabine Siebers (60, Grüne) sein. Die Grünen feierten in den vergangenen Jahren etliche Wahlerfolge auf allen Ebenen. Zumindest bis zur Corona-Krise schienen ökologische Themen zunehmend an Bedeutung für die Wählerschaft zu gewinnen. Auch in Emmerich fanden CDU und SPD ihr grünes Gewissen. Das Original in dieser Thematik sind aber die Grünen. Kann Rechtsanwältin Siebers davon profitieren? Dafür müsste sie sich vielleicht als Persönlichkeit öffentlich noch mehr profilieren.
Keine große Rolle im Bürgermeisterrennen werden Thomas Meschkapowitz (56, BSD) und Christopher Gietmann (33, AfD) spielen. Meschkapowitz ist sicherlich ein erfahrener Ratsherr, der seine sozial-ökologischen Positionen gut verkauft. Aber die Gefolgschaft der BSD insgesamt in Emmerich ist einfach zu klein. Christopher Gietmann aus Kleve kennt in Emmerich kein Mensch. Die AfD hat den Kandidaten sozusagen per Stellenausschreibung gelockt.
>> 36 Ratsmandate für acht Parteien und Wählergemeinschaften zu erreichen
Und die Ratswahlen? Es wird erstmals keine Sperrklausel (Mindestergebnis, um in den Rat zu kommen) geben. Entsprechend bunt könnte es mit acht Parteien/Wählergemeinschaften im Rat werden, der ja durch die gewachsene Einwohnerzahl Emmerichs auch noch größer wird und dann 36 Mandate zählen wird. Und es könnte auf interessante Fraktionsgemeinschaften hinaus laufen. Dafür sind mindestens zwei Ratsmitglieder nötig, bringt aber Vorteile: Stimmrecht in den Fachausschüssen, die Möglichkeit einen Ausschussvorsitz zu übernehmen, es winken Zuschüsse und ein Fraktionsraum im öffentlichen Gebäude.
Die Ergebnisse der Ratswahlen sind von der Personenwahl um das Bürgermeisteramt unabhängig zu sehen. Hier spielt die Persönlichkeit des Kandidaten weniger eine Rolle, als die Gesinnung der Wähler. Wechselwähler lassen sich durch Themen im Wahlkampf überzeugen. Traditionell sind CDU und SPD in Emmerich die stärksten Fraktionen. Gefolgt von der BGE, die nun zweitstärkste Kraft werden möchte.
Aus BGE-Absplitterung entstanden: Wo steht die UWE?
Für die anderen Fraktionen wäre alles über zwei Sitze im Rat ein Erfolg. Den Grünen ist dies diesmal zuzutrauen. Neben der BSD und der AfD treten auch die FDP, die eigentlich auch im aktuellen Rat vertreten wäre, wenn Christoph Kukulies (heute AfD) sich nicht mit der Partei überworfen hätte, und die UWE an.
Die Unabhängige Wählergemeinschaft, die durch eine Absplitterung aus der BGE entstanden ist, muss sich selbst erstmal politisch positionieren. Kann die UWE auch BGE-Wähler für sich begeistern? Die FDP hat sich bisher vor allem dadurch profiliert, dass sie in Emmerich eine Realschule zurück haben will. Da gibt es Potenzial in einer frustrierten Gesamtschul-Elternschaft.