Düsseldorf. In Düsseldorf herrschte am Rosenmontag Ausnahmezustand. Viele Mottowagen sorgten für Jubel. Die Toten Hosen gaben danach ein Spontan-Konzert.
Viel Konfetti, noch mehr Kamelle und unzählige Male „Düsseldorf Helau“: In der Düsseldorfer Alt- und Innenstadt herrschte passend zum diesjährigen Rosenmontagszug Ausnahmezustand. Und wie die Stadt am frühen Montagabend mitteilte, verwandelten insgesamt 600.000 Menschen die NRW-Landeshauptstadt in eine große Partyzone.
Am Rathaus fanden sich bereits am Mittag rund 70.000 Menschen ein, um beim Rosenmontagszug dabei zu sein und auch die vielen Mottowagen hautnah zu sehen. Düsseldorfs berühmter Wagenbauer Jaqcues Tilly gestaltete dabei ganz traditionell zwölf politische Mottowagen mit satirischen und teils deftigen Anspielungen auf das kommunal- und globalpolitische Geschehen.
123 Mottowagen, 11.285 teilnehmende Jecken
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Um 13.30 Uhr läuteten Düsseldorfs Oberbürgermeister Stephan Keller, der als „Verrückter Hutmacher“ aus „Alice im Wunderland“ verkleidet war und Stefan Kleinehr, Vize-Präsident des Comitee Düsseldorfer Carneval (CC), die Glocken am Marktplatz und eröffneten damit die TV-Übertragung des WDR am Düsseldorfer Amtsgebäude. Da war der Rosenmontagszug bereits eine Stunde unterwegs, denn pünktlich um 12.24 Uhr rollten die insgesamt 123 Mottowagen von der Corneliusstraße Richtung Innenstadt los. Ebenfalls mit dabei: 11.285 Jecken und 109 Fußgruppen, die unter dem diesjährigen Motto „Wat et nit all jöwt...“ durch Düsseldorf zogen.
Wenige Minuten nach dem Beginn der WDR-Sendung erreichten die ersten Fußgruppen den Marktplatz vor dem Düsseldorfer Rathaus. Danach kam die Düsseldorfer Bürgerwehr mit ihrem Wagen und die von Tierschützern kritisierte Reiterstaffel an. Wenig später setzte Regen in der Landeshauptstadt ein. Der guten Laune tat dies aber kein Abbruch. Zum Höhepunkt der diesjährigen Karnevalssession herrschte im Herzen der Düsseldorfer Altstadt beste Stimmung.
Der Regen entpuppte sich anders als noch an Altweiber am Donnerstag jedoch nur als kurzer Schauer. Bereits nach wenigen Minuten lockerte sich der Himmel über Düsseldorf wieder auf. Dass die „Amigos de Bolivia“ beinahe zeitgleich für südamerikanisches Flair in Düsseldorf sorgten und kurze Zeit später wieder die Sonne herauskam, hätte passender nicht sein können. Gegen kurz nach 14 Uhr rollte dann der erste politische Mottowagen von Jaqcues Tilly am Rathaus entlang: Bundeskanzler „Hohlaf“ Scholz aus Pappmaschee wurde mit einem hohlen Kopf ohne Gehirn abgebildet. Unter großem Jubel der feiernden Menge.
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Doch auch die Karnevalsgesellschaften (KG) aus Düsseldorf übten sich in Kritik: Die KG „Gemeinsam Jeck“ verwies mit ihrem Wagen darauf, dass es aus ihrer Sicht in Düsseldorf an vielen Stellen noch an Barrierefreiheit mangelt. Dahinter folgte der Mottowagen der Stadt Düsseldorf zur anstehenden Fußball-EM, die unter dem Motto „Everbody‘s Heimspiel“ in diesem Jahr auch in Düsseldorf stattfinden wird. Auch Weltmeister und Turnierdirektor Philipp Lahm sollte laut Stadtdirektor Burkhard Hintzsche auf dem Wagen mitfahren. Zu sehen war der ehemalige Bayern-Profi aber nicht. Dies könnte aber auch daran gelegen haben, dass der langjährige Weltklasse-Verteidiger körperlich auch noch nie der Größte war.
Putin und Trump zweimal zu sehen, auch OB Keller wird kritisiert
Einen Mottowagen schickte Jaqcues Tilly auf die Straßen, den der Wagenbauer anlässlich des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine bereits vor zwei Jahren angefertigt hatte: Und wie 2022 sollte Russlands Präsident Wladimir Putin erneut an der Ukraine „ersticken“. Wenig später war der russische Diktator erneut zu sehen. Auf einem weiteren, noch deftigeren Mottowagen ließ sich Putin von einem russisch-orthodoxen Priester oral „beglücken“. Auch dafür gab es von den Närrinnen und Narren am Rathaus tosenden Applaus.
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Auch Ex-US-Präsident Donald Trump wurden beim diesjährigen Rosenmontagszug zwei Mottowagen gewidmet. In Anspielung an seine erneute Kandidatur für das Amt des Präsidenten wurde der Republikaner zunächst mit einer Schere in der einen und einer USA-Fahne in Hakenkreuzform in der anderen Hand abgebildet. Bei einem weiteren Mottowagen tötete Trump - diesmal in einem Anzug in US-Farben - einen ukrainischen Soldaten hinterrücks mit einem Speer.
Doch am Montag gab es auch Kritik an der Kommunalpolitik: OB Stephan Keller wurde als singender Tenor abgebildet, der für die geplante neue Oper am Rhein in Düsseldorf eine Milliarde Euro bezahlen will. Ihm gegenüber stand eine „fette Lady“, die dafür im Gegenzug mehr bezahlbaren Wohnraum in Düsseldorf fordert. Eine Anspielung auf den politischen Kuhhandel aus dem vergangenen Jahr. Denn im Sommer 2023 sagte die Düsseldorfer SPD der CDU ihre Unterstützung für das milliardenschwere Prestigeprojekt zu, wenn dafür bis 2030 8000 neue Wohnungen in Düsseldorf entstehen.
Kritik an Thomas Geisel, Jubel für Fortuna
Doch auch Düsseldorfs Ex-Oberbürgermeister Thomas Geisel wurde beim Rosenmontagszug durch den Kakao gezogen. Auf einem Mottowagen hielt der ehemalige SPD-Politiker den Mantel seiner neuen „Königin“ Sahra Wagenknecht. Eine Anspielung auf den Politik-Hammer Anfang Januar: Denn da gab der Ex-OB bekannt, für das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) als Spitzenkandidat für die Europawahl anzutreten. Diese Entscheidung sorgte vor allem bei seiner langjährigen Stammpartei und seinen ehemaligen Wegbegleitern aus Düsseldorf für viel Kritik.
Auch der Rechtsruck in Deutschland und die Demonstrationen gegen die AfD aus den vergangenen Wochen nahm Tilly zum Anlass, dazu einen Mottowagen zu machen. Darauf zu sehen war ein großer Regenbogenfisch mit der Aufschrift „Wir sind mehr“, der einen kleinen blau-braunen AfD-Fisch frisst, der „Wir sind das Volk“ brüllt. Dahinter folgte der Toleranzwagen - unter lautem Szenenapplaus. Ein weiterer Mottowagen thematisierte den anhaltenden Nah-Ost-Konflikt. Abgebildet wurde ein israelischer Panzer, der vor einer Frau und einem Kind steht, während sich dahinter ein Terrorist der Hamas versteckt. Großer Jubel brannte am Rathaus auch für diesen Wagen auf.
Noch lauter wurde es am Düsseldorfer Rathaus, als der Mottowagen von Fußball-Zweitligist und Pokalhalbfinalist Fortuna Düsseldorf den Marktplatz erreichte. „Fortuna, Fortuna“ hallte es aus rund 70.000 Kehlen. Mit an Bord unter anderem: Profi Matthias Zimmermann. Und der Verteidiger gab wie auf dem Platz alles und warf den vor allem jüngeren Jecken viel Kamelle entgegen. Die Firma Ahoi Brause war auch in diesem Jahr wieder mit einem Wagen vertreten. TV-Moderator und Stefan Raab-Praktikant Elton durfte dabei ebenso wenig fehlen, wie unzählige Tüten Brausepulver.
Als letzte große Gruppe zog die Prinzengarde der Stadt Düsseldorf gegen 16 Uhr am Rathaus vorbei. Aus vielen Kehlen hieß es dann noch einmal mehrfach „Düsseldorf Helau“. Dahinter folgte der Wagen vom diesjährigen Prinzenpaar. Prinz Uwe I und Venetia Melanie geizten dabei nicht an Kamelle und ließen große Mengen Gummibärchen regnen. 20 Minuten später erreichten die letzten Wagen den Rathausplatz, ehe der „Zoch“ geschlossen Richtung Düsseldorf-Bilk weiterzog, wo er sich am Nachmittag auflöste.
Nach dem Zug gaben die Toten Hosen auf dem Balkon der Brauerei „Uerige“ noch ein kleines Spontan-Konzert. Der Platz vor dem Traditionsgebäude platzte dabei aus allen Nähten, die Stimmung war auf dem Siedepunkt. Mit dabei: Fortuna-Legende Axel Bellinghausen, der beim Song „Bayern“ lauthals mitgrölte.
Unfall legt zeitweise U-Bahnverkehr lahm, Polizei dennoch mit positivem Fazit
Unterdessen hat ein Unfall in Düsseldorf-Pempelfort den U-Bahnverkehr Richtung Altstadt am Mittag für drei Stunden teilweise zum Erliegen gebracht. An der Adlerstraße wurde eine Passantin von einer U-Bahn der Linie U72 erfasst und musste nach Angaben der Düsseldorfer Polizei schwer verletzt ins Krankenhaus geliefert werden. Viele Jecken, die am Mittag mit der U-Bahn Richtung Altstadt fahren wollten, mussten anschließend zu Fuß zum Rosenmontagszug weiterlaufen.
Insgesamt hat die Polizei Düsseldorf ein positives Fazit zum diesjährigen Rosenmontagszug gezogen. „Es gab keine Zwischenfälle, es herrschte überall gute Laune bei teilweise gutem Wetter“, resümierte Polizeisprecher Kim-Ben Freigang auf NRZ-Nachfrage. Die Sperrungen rund um die Zugstrecke wurden nach dem „Zoch“ „sukzessive aufgelöst“, so Freigang weiter. Nennenswerte Zwischenfälle gab es nicht. Polizeidirektor Thorsten Fleiß zeigte sich zufrieden mit dem Verlauf des Umzuges: „Es ist schön zu sehen, dass heute bei schönem Wetter und guter Laune so friedfertig in Düsseldorf der närrische Höhepunkt gefeiert wurde. Auch für uns als Polizei macht unsere Arbeit umso mehr Spaß, je weniger wir bei negativen Einsatzanlässen einschreiten müssen.“