Düsseldorf. Der berühmte Düsseldorfer Wagenbauer Jacques Tilly wird für seine provokanten Mottowagen geliebt - und gehasst. So geht er mit Anfeindungen um.

Es ist 10.35 Uhr an Rosenmontag: Jacques Tilly kommt die Rheinkniebrücke herunter geradelt. Er ist ein bisschen spät dran, weil einige TV-Sender auf der Corneliusstraße auf ihn warten. Trotzdem reicht es für einen freundlichen Gruß Richtung NRZ. „Da wollen wir uns jetzt mal einen schönen Tag machen“, sagt Düsseldorfs weltberühmter Wagenbauer. Weiter geht es Richtung Zugaufstellung nach Friedrichstadt. Am Morgen noch hat der 60-Jährige zu Hause in Oberkassel gemütlich gefrühstückt, jetzt ist es mit der Ruhe vorbei. Sein Handy klingelt im Sekundentakt. Kaum hat Tilly ein Gespräch beendet, will der nächste irgendetwas. Das Enfant terrible des Karnevals bricht im Straßenverkehr alle Gesetze, die man so brechen kann: Er telefoniert beim Radfahren, er radelt in einem durch über rote Ampeln. „Macht doch Spaß“, sagt der Künstler im roten Overall. „Die Straßen sind ja ohnehin gesperrt und - guck mal - die Polizei sagt auch nichts.“

Jacques Tilly bei der Arbeit

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    Der Mottowagen, der den US-Republikaner Trump zeigt, der von hinten einen ukrainischen Soldaten mit einem Speer durchbohrt, fährt im Rosenmontagszug durch die feiernde Menschenmenge.
    Von Christopher Damm, Jasmin Ohneszeit, Stephan Wappner, Johannes Below

    Auf der Corneliusstraße, vor Tillys Trump und Hakenkreuz-Mottowagen, warten die TV-Sender. ARD, WDR, NTV - und wie sie alle heißen - stellen den Bildhauer vor ihre Kameras und wollen ein Statement. Und sind die Interviewenden auch noch so anstrengend - Tilly gibt wie immer geduldig und eloquent Antwort. „Putin und Trump sind eine Katastrophe für die Weltgemeinschaft“, spricht er einem Reporter ins Mikrofon. „Bei all den Krisen auf dieser Erde - man spricht ja auch schon von Polykrisen - braucht es ein starkes satirisches Bekenntnis.“

    Selfies, Interviews, Diskussionen

    Der Star-Bildhauer nimmt sich aber nicht nur für die Journalistenschar Zeit, sondern für alle, die etwas von ihm wollen. So viele Menschen wollen ein Selfie mit Düsseldorfs Obernarr, so viele Menschen wollen kurz einfach in seiner Nähe sein. Sogar für diejenigen Zeitgenossen, die diskutieren wollen, hat der Mann ein Ohr. Ein Jeck, der schon gegen 11 Uhr etwas Schlagseite zu haben scheint, spricht Tilly auf Putin an. Die Homophobie des russischen Präsidenten, dass also Putin in seinem Land Jagd auf Schwule mache, das müsste man auch mal thematisieren. Tilly fasst den Mann an den Schultern und sagt: „Schau mal ein Stück weiter hinten, da findest du etwas zu dem Thema.“ Weiter hinten parkt der Mottowagen, auf dem sich Wladimir Putin von einem Priester der russisch-orthodoxen Kirche oral befriedigen lässt. „Das ist ein mein Lieblingswagen dieses Jahr“, verrät Tilly.

    Reden, reden, reden: Jacques Tilly am Vormittag während des Interview-Marathons.
    Reden, reden, reden: Jacques Tilly am Vormittag während des Interview-Marathons. © NRZ | Stephan Wappner

    Am Sonntagabend lief es für Jacques Tilly wie geschmiert. Während er mit seinem Team in den vergangenen Jahren auch schon einmal bis tief in die Nacht zu Rosenmontag die Mottowagen zusammen gezimmert und bemalt hatte, waren in diesem Jahr die letzten Arbeiten am Tulpensonntag schon gegen 20 Uhr, wie er sagt, beendet. „Das hat ganz gut geklappt. Wir hatten es ja auch nicht schwer, Themen zu finden, bei all dem, was auf der Welt so passiert.“ Und weil Tilly diesmal auch besonders fies mit seiner Satire war, stellt sein Kostüm mit dem Maleranzug, dem Teufels-rot angemalten Gesicht und der spitzen Mütze auch was dar? „Ich bin natürlich als Giftzwerg verkleidet!“

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    Tilly ist Anti-Alkoholiker

    Tilly radelt gegen 12.15 Uhr weiter Richtung Rathaus. Dort warten schon seine Frau Ricarda Hinz (Düsseldorfer Aufklärungsdienst) und sein Kabarettisten-Kumpel Jürgen Becker auf ihn. Für die hat er aber erstmal keine Zeit, weil sich natürlich auch die Polit-Prominenz mit ihm ablichten lassen will. Selfies ohne Ende. „An so einem Tag komme ich wohl auf hunderte Selfies, ist aber okay“, sagt Tilly. Auch sein Handy meldet sich weiter unaufhörlich. Der Wagenbauer nimmt das alles mit stoischer Gelassenheit hin. Und es fällt ihm laut eigener Aussage auch nicht schwer: „Ich mag die Menschen, ich mag alle Menschen.“

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    Na ja, vielleicht nicht unbedingt die Despoten dieser Welt. Als der „Zoch“ am Rathaus vorüberzieht, wird Tilly mehrmals lautstark von der Menge gefeiert. Der Mottowagen mit Putin und dem blasenden Priester wird besonders bejubelt. Der Moderator brüllt Tillys Namen ins Mikro, der Mann im roten Overall winkt fast schon ein wenig verlegen zurück. Tilly bleibt nüchtern, Tilly ist Anti-Alkoholiker. An so einem Tag gar nicht so leicht.

    Von Kellers Keller-Party zum Abendessen an die Luegallee

    Als der Rosenmontagszug vorüber ist, geht es wieder zurück ins Rathaus zur Kellerparty, zu der natürlich OB Stephan Keller (haha) eingeladen hat. Tilly feiert ein bisschen mit, freut sich aber auch schon auf den Abend. Dort lässt er den Abend mit Familie und Freunden im französischen Café de France an der Luegallee im heimischen Oberkassel gemütlich ausklingen. So gemütlich, wie er angefangen hat. „Es war ein rundum gelungener Tag“, sagt Düsseldorfs berühmtester Wagenbauer erschöpft, aber glücklich. „Ich habe ein paar böse Mails bekommen wegen des Hamas-Wagens. Das gehört zu einem perfekten Tag dazu.“