Voerde. Wann der letzte Betriebstag des Traditionslokals ist und was die Entscheidung des Pächters, die Reißleine zu ziehen, für Voerde bedeutet.
Paukenschlag für die Gastronomie in Voerde: In wenigen Monaten wird Hinnemann an der Bahnhofstraße seine Türen schließen. Der Pächter der alteingesessenen Gaststätte mit mehr als 170-jähriger Geschichte zieht nach reiflicher Überlegung die Reißleine. Bis zu der getroffenen Entscheidung sei es ein langer, ein Jahr dauernder Prozess gewesen, in dem er viele Gespräche mit Vertrauten geführt habe, erklärt Thomas Klein am Donnerstag im Gespräch mit der NRZ. Der Entschluss, das vor mehr als sieben Jahren von ihm als Nachfolger seiner Tante Marlies Bergmann übernommene Traditionshaus zu schließen, habe „verschiedene Gründe“. Einer sei die eigene Gesundheit. Dieser zentrale Punkt ist es aber nicht allein. Hinzu kommen Probleme, mit denen die Gastronomie landauf, landab zu kämpfen hat. Dazu gehört etwa die Schwierigkeit, Personal zu finden, „um Entlastung“ zu bekommen – was für Thomas Klein aufgrund seiner gesundheitlichen Situation noch einmal verstärkt von Bedeutung gewesen wäre.
Anders als früher steht der 33-Jährige heute nur noch in der Küche. Dorthin ist er vor einem Jahr komplett gewechselt. Vor der Corona-Pandemie dagegen befand sich sein Arbeitsplatz nicht am Herd, sondern in dem Lokal selbst. Dort war er präsent und in Kontakt zu den Gästen, baute zu ihnen eine Verbindung auf. Manche Freundschaft entstand. „Ich bin absolut gerne Gastwirt“, sagt Thomas Klein. Seit 14 Jahren arbeitet der gelernte Hotelfachmann, der in seiner Zeit der Selbstständigkeit die Abschlussprüfung zum Koch nachholte, in der Gastronomie.
Höhere Lohnkosten durch gestiegenen Mindestlohn
„Von Monat zu Monat ist der Druck größer geworden“, bringt Klein die zunehmenden Schwierigkeiten für die Branche auf den Punkt. Seit 2021 seien die Einkaufspreise für alle Produkte „immens gestiegen“. Der Gasthof-Hinnemann-Pächter nennt das Beispiel Speiseöl. Zwischenzeitlich habe sich der Preis im Vergleich zu der Zeit vor der Corona-Pandemie um etwa 150 Prozent erhöht, aktuell seien es immer noch 80 bis 100 Prozent. Auch Obst und Gemüse seien teurer geworden. Darüber hinaus sind höhere Lohnkosten durch den gestiegenen Mindestlohn zu stemmen. Dies müsse er an die Gäste weitergegeben. „Es geht nicht nur darum, dass ich Geld verdiene“, sagt Klein mit Hinweis auf seine Beschäftigten.
Auf der anderen Seite stellt er fest: „Die Leute kommen weniger.“ Stammgäste sagen ihm, sie würden gerne häufiger im Gasthof einkehren, könnten sich dies aber aufgrund der aktuellen Situation „nicht mehr erlauben“. Die Menschen gehen wegen der Preissteigerungen, die auch sie unmittelbar betreffen, weniger essen. Geselligkeit könne man auch erleben, wenn man sich im privaten Rahmen trifft. Das Besondere der Gastronomie ist für Thomas Klein etwas anderes: „Die Dienstleistung, die wir geben, ist, dass man sich um nichts kümmern muss.“
So reagieren Stammgäste auf die traurige Nachricht
Die Entscheidung, den Gasthof Hinnemann, der während des Lockdowns erst renoviert worden war, zu schließen, habe er lange vor sich hergetragen. „Ich habe das mit vollem Herzen gemacht“, sagt Thomas Klein. Der 33-Jährige sah aufgrund der vielen für die Gastronomie schwierigen Voraussetzungen aber für sich nicht mehr die Perspektive für eine gute weitere Zukunft, um die Gaststätte „erfolgreich weiterführen und auf meine Gesundheit achten zu können“. Ende vergangener Woche hat er damit begonnen, die Stammgäste über das bevorstehende Aus zu informieren. Letzter Öffnungstag ist der 30. Juni. Die Reaktionen beschreibt er so: Zunächst seien die Leute geschockt, wenn sie die Nachricht zum ersten Mal hören. Erklärt Thomas Klein ihnen die Gründe, erntet er Verständnis für seinen Entschluss, der ihm nicht leichtgefallen ist.
Ihm war es bei der Übernahme wichtig, nicht allein ein reines Restaurant zu betreiben, sondern auch die „kleine Kneipe“ zu behalten. So sollen auch Gruppen, die sich bei Hinnemann einfach auf ein Getränk treffen wollen, dort einen Platz finden. Das Aus der Traditionsgaststätte ist nicht allein für das dadurch schwindende gastronomische Angebot in Voerde ein herber Verlust. Das Lokal an der Bahnhofstraße ist Treffpunkt für viele Vereine, Kegelclubs etc. – deren Zahl beziffert Thomas Klein auf bestimmt um „die 40 bis 50, Minimum“. Der große Saal, in den um die 130 Personen passen, ist Veranstaltungsort für Feiern zum Beispiel an Karneval oder für Parteiversammlungen.
Pächter gibt sich in punkto Nachfolge nicht allzu optimistisch
Thomas Klein weiß um die gesellschaftliche Bedeutung, die der Gasthof Hinnemann hat. Nach der Schließung gibt es in Voerde „eine Möglichkeit weniger, wo die Leute hingehen können. Vielen Stammtischen, Vereinen, Clubs wird die Grundlage genommen“. Insofern wäre es sein „größter Wunsch“, dass das Lokal „so weitergeführt“ wird. Es wäre „super schade“ für Voerde, wenn es die alteingesessene Gaststätte mit Tradition nicht mehr gebe. Angesichts der aus seiner Sicht „allgemein schwieriger“ werdenden Rahmenbedingungen für die Gastronomie gibt sich Klein allerdings in punkto Nachfolge nicht allzu optimistisch. „Wenn man sich mal umschaut: Viele Gaststätten stehen leer. Es werden mehr zu- als aufgemacht.“ Wie es beruflich für ihn selbst weitergeht, weiß Thomas Klein im Moment nicht: „Es ist noch nichts Genaues in Planung.“ Eines hat er sich vorgenommen: Alte Freundschaften, die eingeschlafen sind, möchte er wieder pflegen.
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