Berlin. Der VfL Bochum hat gegen die Wertung des Spiels beim 1. FC Union Berlin Einspruch eingelegt. Wie geht es weiter? Die wichtigsten Fragen und Antworten.
Nach dem Skandal-Spiel bei Union Berlin (1:1) hat der VfL Bochum am Montag beim DFB-Sportgericht Einspruch eingelegt. Der Schiedsrichter hätte die Partie abbrechen müssen, so die Meinung des VfL. Sie wurde aber fortgesetzt. Der Einspruch ging am Montag fristgerecht beim Deutschen Fußball-Bund ein. Nun werden die Parteien um eine Stellungnahme gebeten. Die wichtigsten Ereignisse, Aussagen, Reaktionen und wie es weitergeht.
Was ist passiert?
VfL-Torwart Patrick Drewes ging nach einem Treffer am Kopf durch ein aus dem Union-Fanblock geworfenes Feuerzeug in der Nachspielzeit zu Boden. Lange musste er im Strafraum vor der Union-Fankurve behandelt werden, wurde dabei von Union-Fans übel beleidigt („Steh auf, Du Sau“). Es flogen weitere Gegenstände aus dem Union-Block.
Die Partie wurde unterbrochen, die Mannschaften gingen in die Kabine, Schiedsrichter Martin Petersen setzte das Spiel nach knapp einer halben Stunde fort. Bochum hatte sein Wechselkontingent ausgeschöpft, spielte nur noch zu neunt, weil Koji Miyoshi früh die Rote Karte gesehen hatte. Stürmer Philipp Hofmann stand im Tor, weil Drewes nicht mehr weitermachen konnte. Die Teams hatten sich aber auf einen Nichtangriffs-Pakt verständigt, schoben sich in den verbliebenen gut zwei Minuten Nachspielzeit nur den Ball hin und her. Die Partie endete mit 1:1.
Wie geht es nach dem Einspruch weiter
„Das DFB-Sportgericht schreibt jetzt in einem ersten Schritt die Beteiligten an und fordert entsprechende Stellungnahmen ein“, teilte der DFB am Montagnachmittag mit. „Nach Vorliegen und Auswertung der Stellungnahmen wird das Sportgericht über den weiteren Fortgang des Verfahrens entscheiden.“ Bis wann das geschehen wird, bleibt vorerst offen. Außerdem habe der DFB ein Ermittlungsverfahren gegen den 1. FC Union Berlin aufgrund des Feuerzeugwurfs aus den Zuschauerrängen eingeleitet. Auch in diesem Verfahren muss der Berliner Klub zunächst eine Stellungnnahme abgeben.
Wie geht es Torwart Patrick Drewes?
„Er war benommen“, sagte VfL-Trainer Dieter Hecking nach dem Spiel. Der Torwart wurde vom Mannschaftsarzt ins Krankenhaus gebracht. Drewes klagte über Kopfschmerzen, Übelkeit und Unwohlsein, in der Klinik wurden mehrere Tests durchgeführt, erklärte der Verein am Sonntag.
Immerhin: Eine Gehirnerschütterung erlitt er durch den Feuerzeug-Treffer nicht, weshalb er mit dem Mannschaftsarzt des VfL die Heimreise antreten durfte. Vorsichtshalber setzte er am Sonntag dennoch mit dem Training aus, am Montag hat die Mannschaft wie geplant frei. Ob der Torhüter am Dienstag wieder dabei sein wird, ist noch offen.
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Was passierte in der Zeit der Unterbrechung?
Die Mannschaften hielten sich überwiegend in der Kabine warm. Es gab einen Austausch in der Schiedsrichter-Kabine mit den Trainern Dieter Hecking und Bo Svensson, mit den Sportverantwortlichen der Teams sowie der Polizei. Zudem holte sich Petersen die Meinung von DFB-Regelexperte Lutz Wagner ein.
Warum wurde die Partie nicht abgebrochen?
Aus zwei Gründen: Die Sicherheit der Spieler sei gewährleistet gewesen, zudem hätte man das Spiel ordnungsgemäß zu Ende führen können. „Von allen Seiten kam die Bestätigung: Die Sicherheit der Spieler ist gewährleistet“, sagte Schiedsrichter Petersen bei Sky.
Der DFB lobte ihn. Petersen habe richtig und stringent gehandelt, das ist die wichtigste DFB-Erkenntnis. „Aus unserer Sicht waren seine Entscheidungen rund um den Vorfall korrekt“, teilte der Verband am Sonntag auf Anfrage des sid mit. „Er hat nach dem Vorfall richtigerweise beide Teams zunächst einmal in die Kabinen geschickt, um dem Ordnungspersonal die Gelegenheit zu geben, die Situation im Stadion zu beruhigen“, heißt es in der DFB-Stellungnahme. „Anschließend hat er sich auch mit der Polizei und dem Sicherheitsbeauftragten kurzgeschlossen, um deren Einschätzung zur Lage in Erfahrung zu bringen. Auch dieses Vorgehen war richtig und notwendig.“
Die Frage einer ordnungsgemäßen Durchführung bzw. Weiterführung des Spiels sei ebenso wichtig wie die Einschätzung, ob die Sicherheit der Beteiligten gewährleistet sei. Der Verband: „Martin Petersen hat beide Fragen auf der Grundlage des Regelwerks und der ihm vorliegenden Informationen bejaht und die Partie deshalb zu Ende geführt. Zudem hat er in der Spielunterbrechung die Kommunikation mit beiden Mannschaften gesucht.“
Ähnlich äußerte sich bereits am Samstag DFB-Schiedsrichter-Lehrwart Lutz Wagner, bei dem sich Petersen auch in der Unterbrechung Rat eingeholt hatte. „Der Schiedsrichter hat sich korrekt verhalten“, sagte er. „Alles andere ist Sache des DFB-Sportgerichts.“
Welche Position bezieht der VfL Bochum?
Der VfL Bochum hat am Montag Einspruch gegen die Wertung beim DFB-Sportgericht eingelegt. Geschäftsführer Ilja Kaenzig äußerte sich bereits unmittelbar nach der Partie vor TV-Kameras und im Journalisten-Kreis in der Interviewzone auch gegenüber dieser Redaktion. Kaenzig sprach dabei ruhig, aber bestimmt. „Am Montag werden wir Einspruch einlegen“, sagte der Geschäftsführer des VfL Bochum in den Katakomben des Stadions in der Alten Försterei.
„Aus unserer Sicht hätte der Schiedsrichter das Spiel abbrechen müssen. Das ist nicht geschehen. Wir haben mitgeteilt, dass wir das Spiel mit Protesthinterlegung zu Ende bringen werden“, sagte Kaenzig. Einzig der Schiedsrichter darf in solch einer Situation entscheiden, ob eine Partie weitergespielt wird. Auch Stürmer Philipp Hofmann und Trainer Dieter Hecking betonten, dass sie nur „unter Protest“ die Partie zu Ende brachten.
VfL-Chef Ilja Kaenzig: „Das Regelwerk ist ganz klar“
„Wir sind der Meinung, dass das Spiel laut Regelwerk hätte abgebrochen werden müssen“, sagte Kaenzig. „Es kann ja nicht der Maßstab sein, ob jemand verletzt, schwer verletzt, ohnmächtig oder sonst was ist“, meinte der VfL-Geschäftsführer. „Das Regelwerk ist ganz klar. Wir hatten unser Wechselkontingent ausgeschöpft, der sportliche Nachteil war schon gegeben.“
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„Wir haben uns in der Schiri-Kabine zusammengesetzt. Wir haben einen Nicht-Angriffs-Pakt geschlossen und es war klar, dass wir nur unter Protest zu Ende spielen“, erklärte Bochums Coach Dieter Hecking.
Was sagt Union Berlin?
Geschäftsführer Horst Heldt verurteilte das Verhalten „eines Einzelnen“ und erklärte den Nichtangriffs-Pakt. „Der VfL konnte nicht mehr wechseln, die waren nur noch zu neunt. Die Empfehlung war, dass wir das Spiel zu Ende bringen, damit es einen Schlusspfiff gibt. Da ist es selbstverständlich, dass wir nicht gegen neun Mann anrennen, um ein Tor zu machen.“
Der Feuerzeugwerfer wurde auf der Unioner Fankurve „Waldseite“ schnell identifiziert. „Der Täter konnte ausfindig gemacht werden“, sagte Heldt. Dieser wurde bereits der Polizei übergeben. „Es hat es leider schon häufiger gegeben, dass ein Einzelner sich zu solch einer Tat hinreißen lässt. So möchte das keiner zu Ende bringen“, erklärte Heldt.
Welches Urteil kann das DFB-Sportgericht fällen?
Das ist offen. Der VfL Bochum hofft, dass die Partie mit 2:0 für Bochum gewertet wird. Möglich, aber unwahrscheinlich ist auch ein Wiederholungsspiel. Oder dass es beim 1:1 bleibt.
Sportanwalt Markus Buchberger, Professor für Sportrecht an der Hochschule Koblenz, schätzt die Chancen auf einen Bochumer Erfolg als realistisch ein, erklärte er dieser Redaktion. Buchberger verweist auf Paragraf 17, Satz 2, b in der Rechts- und Verfahrensordnung des DFB, in dem Einsprüche gegen Spielwertungen geregelt werden. Demnach rechtfertige eine „Schwächung der eigenen Mannschaft durch einen während des Spiels eingetretenen Umstand, der unabwendbar war und nicht mit dem Spiel und einer dabei erlittenen Verletzung im Zusammenhang steht“ einen Einspruch (Bericht: hier).
Wann fällt das DFB-Sportgericht ein Urteil?
Das ist offen. Der Einspruch des VfL Bochum gegen die Spielwertung ging am Montag fristgerecht ein, teilte der DFB mit. Das DFB-Sportgericht schreibe jetzt in einem ersten Schritt die Beteiligten an und fordere entsprechende Stellungnahmen ein. „Nach Vorliegen und Auswertung der Stellungnahmen wird das Sportgericht über den weiteren Fortgang des Verfahrens entscheiden“, heißt es in der Pressemitteilung.
Welche Strafen drohen Union Berlin?
Klar ist, dass Union Berlin eine Strafe erhält, weil es als Gastgeber für die Sicherheit zuständig und für das Verhalten seiner Fans verantwortlich ist. Welche, ist offen. Neben einer Geldstrafe ist auch ein Teilausschluss von Fans bei Heimspielen oder sogar ein Totalausschluss möglich. Aber auch, dass Berlin mit dem Auftrag für künftig bessere Sicherheitsvorkehrungen davonkommt. Wann das Urteil gefällt wird, ist noch offen.
Unabhängig vom Einspruch des VfL Bochum vor dem DFB-Sportgericht hat der DFB-Kontrollausschuss jedenfalls „wegen des Feuerzeugwurfs aus dem Zuschauerbereich und der daraus resultierenden Folgen ein Ermittlungsverfahren gegen den 1. FC Union Berlin eingeleitet“, erklärte der DFB am Montag. „Der Verein wird hier ebenfalls zur Stellungnahme angeschrieben.“
Gab es ähnliche Fälle?
Nicht direkt, wohl aber Wertungen nach Spielabbrüchen aufgrund ähnlicher Vorfälle. Hier entschied das DFB-Gericht zugunsten der Gastvereine. So bei einem Zwischenfall mit Schiedsrichter Martin Petersen, der auch am Samstag das Spiel leitete. 2015 wurde er in der DFB-Pokal-Begegnung zwischen dem VfL Osnabrück und RB Leipzig selbst mit einem Feuerzeug aus dem Heimblock am Kopf getroffen. Das Spiel wurde abgebrochen – und am Grünen Tisch für die Sachsen gewertet.
Auch in Bochum gab es im März 2022 einen Abbruch, als Schiedsrichter-Assistent Christian Gittelmann von einem Bierbecher am Kopf getroffen worden war. Die Partie wurde mit 2:0 für Mönchengladbach gewertet. Zudem erhielt der VfL eine Geldstrafe (100.000 Euro) sowie einen Teilausschluss von Fans für die Saison 2023/24, dies aber auf Bewährung.
Allerdings: In beiden Fällen waren die Partien abgebrochen worden. Und es waren Mitglieder des Schiedsrichter-Teams betroffen. Diesmal war ein Spieler der Leidtragende.
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