Duisburg. Mit der Ausstellung „Erdung. #until.exit“ wird die Cubus Kunsthalle in Duisburg selbst zu einem Ort der Erdung. Wie das funktioniert.

Ihre Körper sind bedeckt von Moos, Farn, Ästen... und Kaninchenfutter. Reiner Langer streicht vorsichtig über den rechten Arm der Figur, das darf er, immerhin hat er sie erschaffen, und leise rieselt etwas Heu auf den blätterbedeckten Boden. Die Kunst zerfällt, der Mensch wird zu Staub. Es ist „Der Weg zurück“, so nennt er seine Arbeit, „weil es sich auf das eigene Leben bezieht, aber auch ein Sinnbild für die jetzige Zeit ist: Wir haben die Ressourcen ausgenutzt und nun endet Mutter Erde.“ Also war‘s das? Oder gibt‘s doch noch Hoffnung? Nunja, das müssen die Besucherinnen und Besucher der Cubus Kunsthalle schon selbst herausfinden. Aber, so viel sei verraten, die insgesamt zwölf Künstlerinnen und Künstler geben in der Ausstellung unterschiedliche Gedankenanstöße, ermöglichen auf verschiedene Weise eine „Erdung. #until.exit“.

Das kann auch mal Gänsehaut verursachen, wie Reiner Langer nur allzu gut weiß. Denn während seine Waldmenschen ebenso wie seine Aquarellzeichnungen das „absolut Vergängliche“ symbolisieren, befindet sich nur wenige Meter entfernt das „absolute Leben“. Zugegeben, es ist leicht zu übersehen, deshalb ruhig näher an die Vitrine herantreten! Dort liegt auf grünem Vlies ein zartes Ginkgoblatt, dessen Größe für die Künstlerin Mila Langbehn selbst ungewöhnlich ist. „Normalerweise sind meine Arbeiten ein paar 100 oder 1000 Quadratmeter groß“, erklärt sie. Als gelernte Garten- und Landschaftsarchitektin versucht sie mit ihrer „Klimakunst“ nachhaltig etwas zu verändern – das Klima der Stadt, aber auch das Bewusstsein der Menschen. Wieso also jetzt eine kleine Keramik auf einem hohen Podest?

Reiner Langer hat für die aktuelle Ausstellung in der Duisburger Cubus Kunsthalle zwei lebensgroße Figuren erschaffen, die „den Weg zurück“ symbolisieren sollen.
Reiner Langer hat für die aktuelle Ausstellung in der Duisburger Cubus Kunsthalle zwei lebensgroße Figuren erschaffen, die „den Weg zurück“ symbolisieren sollen. © FUNKE Foto Services | Fabian Strauch

Ginkgobaum im Kantpark

„Früher habe ich viel mit Ton gearbeitet, deshalb kehre ich nun zu meinen Wurzeln zurück“, antwortet Mila Langbehn. Und zu dem steinernen Material passt wohl kaum eine bessere Pflanze als der Ginkgo. „Er ist quasi ein lebendes Fossil“, erklärt sie, „weil es ihn schon seit 200 bis 300 Millionen Jahren gibt.“ Genetisch hat er sich kaum verändert, „weil er immer schon ziemlich perfekt war“, selbst trockene Sommer übersteht er. Der Beweis steht nur wenige Meter entfernt... Doch bevor es raus zum Kantpark geht, führt Direktorin Dr. Claudia Schaefer erstmal weiter durch die Kunsthalle. Hier, sie deutet auf ein Gemälde von Yongbo Zhao, auf dem sich der „wissende“ Einstein in eine „weise“ Eule verwandelt, „Wissen und Weisheit sind ja zwei verschiedene Sachen.“ Vielleicht werden die Menschen aber eines Tages weiser, das zumindest hofft Hartmut Kiewert, der Szenarien aus der Zukunft malt.

Noch nie hat Mila Langbehn ein so kleines Kunstwerk geschaffen wie das Ginkgoblatt, das aktuell in der Cubus Kunsthalle in Duisburg zu sehen ist.
Noch nie hat Mila Langbehn ein so kleines Kunstwerk geschaffen wie das Ginkgoblatt, das aktuell in der Cubus Kunsthalle in Duisburg zu sehen ist. © FUNKE Foto Services | Fabian Strauch

Nun, zumindest einer Zukunft, die er sich herbeiwünscht. Es gibt keine Massentierhaltung mehr, stattdessen suhlen sich die Schweine im Schlamm und die Kühe liegen im Gras. Oder aber ist es doch realistischer, dass bald die Seen umkippen und die Natur endgültig aus dem Gleichgewicht gerät – so, wie es Heinz Josef Klaßen in seinen Gemälden aufzeigt? Mit der Frage im Kopf geht‘s zu einer Rauminstallation von Günter Thorn, die fasziniert und doch ratlos macht. Woher kommen die getrockneten Rosen? Wie können die gläsernen Stelen stehen? Zumindest die erste Frage kann der Künstler beantworten: „Ich habe Restbestände in Baumärkten aufgekauft.“ Und wen die andere Frage nicht in Ruhe lässt... muss sich vielleicht einfach nur auf andere, wichtigere Dinge zurückbesinnen. Wie gut, dass Petra Lötschert immer sonntags um 15 Uhr eine Yoga-Stunde anbietet.

Kunst als Heilmittel

„Yoga ist eine Erdung für Körper und Geist“, sagt die Künstlerin, die für die Ausstellung zudem „Antigramme“ erstellt hat. Dabei handelt es sich um eine Ansammlung bestimmter Kräuter, die zu einem einzigartigen „Heilbild“ werden. Kunst als Medikament, sozusagen. Wie heilsam die Natur sein kann, zeigt sich auch... in der Natur. Deshalb geht‘s nun, zum Abschluss, raus in den „Garten der Vergänglichkeit“. Dorthin, wo unter einem Baum der Himmel auftaucht, wo Gummistiefel am Wegesrand liegen, wo ein Fisch die Glühbirne hält, kurz: wo sich Besucherinnen und Besucher erden können.