Krefeld. Am ersten Maiwochenende findet der Pottbäckermarkt in Krefeld statt. Mit dabei: Herwart Frie, der Porzellan „für gute Laune“ herstellt.
Die kugelrunden Schweinchen stehen ordentlich nebeneinander und warten geduldig darauf, dass Herwart Frie ihnen den letzten Schliff gibt... denn nur so können sie sich in vollfunktionsfähige Salz- und Pfefferstreuer verwandeln. Zum „Porzellan für gute Laune“, wie es auf einem Schild heißt, gehört aber noch so viel mehr! Da sind die kleinen Kronen, „Eierbecher fürs königliche Frühstück“, sagt er, Zuckerschalen, Sahnekännchen, Blumenvasen, Espressotassen, Müslischalen... Und alles, was sich gerade noch auf dem Tisch befindet, plant der 69-Jährige bis zum Wochenende am 4. und 5. Mai fertigzustellen. Denn dann findet der Pottbäckermarkt statt, zu dem Keramik- und Porzallandesignerinnen und -designer aus der ganzen Welt in die Krefelder Innenstadt kommen.
Für Herwart Frie ist es ein echtes Heimspiel, immerhin hat er hier nicht nur an der Fachhochschule von 1981 bis 1986 Design studiert, sondern sich in der ehemaligen Brotfabrik auch eine eigene Porzellanmanufaktur aufgebaut. Denn schon während seines Studiums wurde ihm schnell bewusst, dass ihn besonders das Porzellandesign fasziniert. Was genau daran? Nunja, da muss er nicht lange überlegen: „Bei Keramik arbeitet man ja direkt mit den Händen, beim Porzellan geht man übers Gipsmodell“, erklärt er. „Dadurch ergibt sich eine interessante Formensprache, die für mich viel präziser ist.“ Am besten zeigt er direkt mal am Objekt, was genau er damit meint... Er führt durch seine Werkstatt bis zur Drehscheibe, auf die er eine Gipsform setzt.
Pottbäckermarkt in Krefeld
Seit mehr als 30 Jahren bringt der Pottbäckermarkt viele Keramik- und Porzellandesignerinnen und -designer aus Deutschland und dem Ausland nach Krefeld. Neben Keramik und Design dreht sich am Samstag und Sonntag, 4. und 5. Mai, jeweils von 10 bis 18 Uhr auch alles um Floristik, Kreativität und Genuss. Am verkaufsoffenen Sonntag haben zudem die Geschäfte von 13 bis 18 Uhr geöffnet.
Insgesamt gibt es über die Innenstadt verteilt mehr als 120 Marktstände. Ein kostenloser Shuttle-Bus lädt dazu ein, auch die „Art of Eden“ im Botanischen Garten zu besuchen. Der Eintritt zur Veranstaltung kostet acht Euro (für Kinder gratis).
Arbeiten mit Gips und Porzellan
Dann holt Herwart Frie ein langes Dreheisen hervor, mit dem er nun aus einem Quader... beispielsweise eine Schale herausarbeiten kann. „Das ist wie bei Holzarbeiten“, sagt er, „nur, dass ich nicht entgegen, sondern mit der Richtung drehe.“ Einen Tag lang braucht er im Durchschnitt, bis das Gipsmodell fertig ist. Aber das hat er doch sicher vorher am Computer vorgeplant... Nee, er schüttelt den Kopf, „ich mache höchstens mal eine Skizze“, antwortet er, „ansonsten habe ich nur ein Gefühl davon, wie es aussehen soll, und dann nähere ich mich bei der Arbeit dem Gefühl an.“ Hier beispielsweise, er zeigt auf ein linsenförmiges Sahnekännchen, „wie der Bogen aussieht, hat sich erst bei der Arbeit am Gipsmodell ergeben.“
Mithilfe des Gipsmodells fertigt Herwart Frie eine Gießform an und in die kommt schließlich die Porzellanmasse. Das geht blitzschnell, denn nach gerade mal einer Minute muss er die Schale auch schon wieder aus der Form herausholen. Wenn er das früher macht, ist das Porzellan entsprechend dünner. Er holt ein kleines Tässchen hervor, das tatsächlich fast transparent ist. Normalerweise aber haben seine Stücke alle eine Dicke von gut einem Millimeter. Danach geht‘s weiter zum Ofen, den er nun öffnet. Achja, hier stehen noch einige Schweinchen, Raben, Katzen... „Die muss ich noch rausholen“, sagt er. Bei 900 Grad brennt er das Porzellan, das dabei 15 Prozent kleiner wird.
Design für große Firma
„Danach saugt es wie Löschpapier“, erzählt Herwart Frie. So kann er es lasieren, „wobei das Lasieren bei mir hauptsächlich aus Tauchen besteht“, und dann erneut, dieses Mal bei 1320 Grad, brennen. Aber damit noch nicht genug! Wenn er den Schweinchen noch eine Krawatte oder den Königinnen eine Halskette aufmalt, kommen sie anschließend ein drittes Mal, dann bei 800 Grad, in den Ofen. Ja, Porzellan erfordert viel Zeit und noch mehr Arbeit. Dabei hat er sich zu Beginn seiner Karrie zunächst dem Industriedesign gewidmet, hat sogar eine Teekanne mit Stövchen für die Firma Friesland entworfen. Als die Kanne, die ein wenig an einen Rugbyball erinnert, in Produktion ging, war die Freude groß. „Da habe ich natürlich Hurra gerufen“, erzählt er.
Doch längst hat Porzellan an Wert verloren... „Wer schenkt noch ein Teeservice als Aussteuer zur Hochzeit?“, fragt Herwart Frie. Stattdessen gibt‘s Tassen, Schalen, Teller in jedem Einrichtungsladen zu günstigen Preisen zu kaufen. Deshalb hat er sich schon bald auf seine eigene, kleine Produktlinie spezialisiert, die er auf verschiedenen Kreativmärkten anbietet. Und nach all den Jahren entwickelt er immer wieder neue Objekte. Er nimmt eine schwarze Tasse mit rotem Muster in die Hand und dreht den außergewöhnlichen Henkel nach vorne... „Das ist der Abguss von einem 40 Millionen alten Ammoniten“, erklärt er. „Damit ist das quasi in Porzellan gegossene Erdgeschichte.“
Ans Aufhören denkt Herwart Frie noch lange nicht, dazu macht ihm seine Arbeit viel zu viel Spaß und dazu hat er auch noch viel zu viele Ideen im Kopf. „Mir fehlt nur oft die Zeit“, sagt er. Denn es gibt immer reichlich zu tun, gerade jetzt wieder, kurz vorm Pottbäckermarkt. Alles, was auf dem Tisch steht, muss noch in den Ofen. Die geschichtsträchtigen Espressotassen, die kleinen Kroneneierbecher und, nicht zu vergessen, die lustigen Schweinchensalzstreuer!