Krefeld. Thomas Pöhlers Bilder von Bergen sind aktuell im Krefelder Kunstverein zu sehen. Dabei wird es manchmal ganz schön rätselhaft.

Manchmal sitzt Thomas Pöhler an einem Bach, mitten in den Bergen des Piemont, und hört den Stimmen des Wassers zu. Das sanfte Murmeln ist beruhigend, normalerweise, doch zwischendurch gibt‘s auch diese kurzen Schreckmomente! Hat er nicht gerade ein Wort gehört? Steht da etwa jemand hinter dem Baum? Und ja, dann dreht er sich um und sieht lieber mal nach... Das Phänomen fasziniert den Künstler jedes Mal aufs Neue. Deshalb kann er sein Glück noch immer nicht fassen, dass ihm das fast Unmögliche gelungen ist und er die wirren Geräusche in einem einzigen Bild festhalten konnte. Wobei, er ist bescheiden, deshalb formuliert er es lieber so: „Mir wurde es geschenkt.“ Er musste nur seine Kamera auf das Wasser halten und den Auslöser betätigen. Für den Rest ist die Sonne verantwortlich, die unleserliche Schriftzüge auf die glitzernde Wasseroberfläche gezeichnet hat. Mit dem Werk startet die Ausstellung „Die Stadt im Berg“, die aktuell im Krefelder Kunstverein zu sehen ist. Und wie der Titel es bereits verrät, gibt‘s noch viel mehr Berge zu sehen... ja, auch am Niederrhein.

Doch zunächst geht die Reise durch Italien weiter. Dort hat der Krefelder seinen zweiten Wohnsitz, dort verbringt er viel Zeit in der Natur. Auch in den steilen Tälern des nördlichen Piemont, wo es „archaische Terrassierungen von imposantem Ausmaß“ gibt, wie er es formuliert. Als er die riesigen Mauern inmitten des grünen Waldes gesehen hat, daran kann er sich noch erinnern, „dachte ich, ich gucke nicht richtig!“ Umso tragischer, dass die über 3500 Jahre alte Architektur seit 50 Jahren immer weiter verfällt. Wie aber lassen sich die Anlagen doch noch nutzen und retten? Dazu hat er mehrere Menschen befragt – die Videos hat er auf der Website www.terrazzamenti.org hochgeladen. Und auch seine „Architekturpläne“ in der Ausstellung bringen das Weltkulturerbe ins Bewusstsein der Betrachtenden. „Vorübergehende Eingriffe“ nennt er seine Arbeiten, die aus dem Moment heraus entstehen. Aus Ästen baut er Gerüste, die nie im Bild zu sehen sind, dafür aber ihre Schatten, die mit den Fugen ein Muster erzeugen. Und er, der Künstler, nimmt nur die Kamera in die Hand... und knipst ein Foto.

Keine schönen Landschaftsbilder

Mit der Flüchtigkeit spielt der Künstler immer wieder, auch bei seinen „Steinaquarellen“. Und nein, dabei geht‘s nicht um bunt bemalte Steinchen... „Ich habe mit Wasser aus einem Fluss auf die Felsen gemalt“, erklärt er, während er auf die Schwarz-Weiß-Bilder deutet. Wie Schatten liegen die Zeichnungen auf den Steinen – das eine ist gemacht für wenige Minuten, denn gleich verdunstet es im Sonnenlicht, das andere ist für die vermeintliche Ewigkeit, „wobei es die ja auch nicht gibt“, sagt er. Und mit diesem philosophischen Gedanken geht‘s die Treppe hoch, denn oben warten noch weitere Bergspitzen. Genauer gesagt ein Gebirge in den Graubünden. Nun möchte Thomas Pöhler keine „schönen Landschaftsbilder“ machen, wie er sagt. Vielmehr fragt er nach der Rolle des Menschen, sucht nach Zeichen in der Natur... oder hinterlässt solche einfach selbst. Aber ein Künstler kann doch keine Berge anmalen? Nunja... doch. „Ich wollte natürlich nicht mit Fassadenfarbe hochlaufen“, sagt er, „das wäre ein Frevel!“ Stattdessen hatte er eine andere Idee.

Der Künstler Thomas Pöhler hat das Murmeln des Bachs in einem Bild festgehalten – zu sehen aktuell im Krefelder Kunstverein.
Der Künstler Thomas Pöhler hat das Murmeln des Bachs in einem Bild festgehalten – zu sehen aktuell im Krefelder Kunstverein. © FUNKE Foto Services | Kai Kitschenberg

Denn der Ort ist besonders, wie Thomas Pöhler weiß. Eigentlich liegen hier zwei Gesteinsschichten übereinander – die Ablagerungen eines Flachmeeres über den Steinen des Tiefseebodens. Nur fehlt in dem beschrieben Hochtal aber der obere Teil. Wie das passieren konnte? „Darüber streitet die Wissenschaft“, sagt er. Zeit, dem Gebirge seine verlorengegangene Schicht zurückzugeben! Dazu kratzte er Dolomitschluff aus einem Bachbett, „15 Kilogramm hatte ich in meinem Rucksack“, wanderte dann hoch ins entsprechende Gebirge und bemalte dort einzelne Felsen. Das Ergebnis ist nur noch auf den Fotos zu sehen, längst hat der Regen alles wieder abgewaschen. „Sie müssen auf den Bildern nicht lange suchen“, verrät der Künstler. Und tatsächlich, dort sticht ein zementartiger Stein hervor! Mal liegt er mitten im Geröll, mal hängt er in einer Schlucht. Ja, Thomas Pöhl liebt die Berge, das ist deutlich geworden. Wie also geht‘s ihm, wenn er wieder am platten Niederrhein ist? „Das ist ein Unglück für mich“, sagt er, nur um schnell hinzuzufügen: „Aber der Inrather Berg ist ein Riesentrost.“

„Die Stadt im Berg“

„Die Stadt im Berg“ ist im Krefelder Kunstverein, Westwall 124 in Krefeld, zu sehen. Geöffnet ist immer mittwochs bis freitags von 10 bis 13 Uhr sowie sonntags von 11 bis 13 Uhr.

Die Ausstellung endet am Sonntag, 9. Juni, mit einer Finissage von 11 bis 13 Uhr. Um 11 Uhr ist ein Künstlergespräch mit Thomas Janzen geplant.

Zur Ausstellung erscheint das Buch „Die Stadt im Berg“, das vom Krefelder Kulturfonds 2023 gefördert wird. Weitere Informationen sind zu finden unter www.krefelder-kunstverein.de

Unterwegs auf dem Inrather Berg in Krefeld

Der Künstler Thomas Pöhler führt am Mittwoch, 10.April.2024 durch seine Ausstellung
Der Künstler Thomas Pöhler führt am Mittwoch, 10.April.2024 durch seine Ausstellung " Die Stadt im Berg " im Kunstverein in Krefeld.Foto: Kai Kitschenberg/FUNKE Foto Services © FUNKE Foto Services | Kai Kitschenberg

Hier ist Thomas Pöhler oft unterwegs, um die unterschiedliche Vegetation zu bewundern und „seltsame Gesteine“ zu entdecken. Seine Kamera hat er mit dabei, natürlich, und so hängen im letzten Raum der kleinen Ausstellung einige Fotografien von Kriegstrümmern inmitten der Natur. Zwischen Moos und Brennnesseln blitzen Worte wie „Tanz“ oder „Gaststätte“ auf, manchmal aber sind es auch nur Bruchstücke wie „ffnung“. Und dann sind da noch all die Moniereisen, die einfach aus dem Boden zu wachsen scheinen. Wieso die Eisenstäbe, die sonst für Stabilität in Gebäuden sorgen, plötzlich verschlungen und verdreht sind? Nunja, darauf hat auch der Künstler keine Antwort. „Die Bauarbeiter waren es bestimmt nicht.“ Manchmal bleibt es rätselhaft, bis zum Schluss.