An Rhein und Ruhr. Wölfin Gloria droht der gezielte Abschuss, doch das geht Bauern aus dem Kreis Wesel nicht weit genug. Jäger halten den Plan für „unmöglich“.

Die Landesregierung will Wölfin Gloria schießen lassen, aber wer am Ende den Abzug des Gewehrs zieht, ist noch unklar. „Von uns wird es keiner machen“, sagt Werner Schulte. Er selbst ist Jäger und mit „uns“ meint er seine Jägerkollegen im Kreis Wesel. Für sie sei es „unmöglich“, ein bestimmtes Tier wie Gloria zu erkennen und zu schießen: „Das funktioniert nicht.“

Jäger hätten Angst, ein anderes Tier zu töten, das nicht zum Abschuss freigegeben ist. Wölfe sind nämlich durch deutsches und europäisches Gesetz besonders geschützt und dürfen nur mit Sondergenehmigung gejagt werden.

„Keiner von uns wird sich vor den Karren spannen lassen und riskieren, seinen Jagdschein zu verlieren und eine hohe Geldstrafe zahlen zu müssen“, meint der stellvertretende Vorsitzende der Kreisjägerschaft Wesel.

Wölfin Gloria: Fragen zum Abschuss bleiben offen

Gloria hat seit 2018 Dutzende Nutztiere gerissen und ist wohl auch für drei Risse Ende Oktober verantwortlich, bei denen der Wolfsschutz eigentlich vorschriftsmäßig war. Das teilte das Landesumweltamt (Lanuv) am Mittwoch mit. Zwischen Ende September und Oktober werden dem Tier sechs Vorfälle zugeordnet.

Wölfin Gloria im Wald bei Hünxe: Dieses Bild gelang Jägerin Sabine Baschke aus Wesel 2018.
Wölfin Gloria im Wald bei Hünxe: Dieses Bild gelang Jägerin Sabine Baschke aus Wesel 2018. © Sabine Baschke / dpa

„Damit hat der Wolf zum wiederholten Mal in kurzen Abständen als wirksam erachtete Herdenschutzmaßnahmen überwunden“, sagte ein Sprecher. Weitere wirtschaftliche Schäden seien zu erwarten. Daher erarbeite die Landesregierung mit dem Kreis „die Grundlagen für die Prüfung einer Entnahme“.

Ein Sprecher des NRW-Umweltministeriums äußert sich auf Nachfrage nicht dazu, wann Gloria geschossen werden darf, wer mit dem Abschuss beauftragt wird und wie gewährleistet werden soll, dass allein die Wölfin mit der Kennung GW954f getötet wird.

Pony-Riss in Hünxe: Nabu-Vorsitzender sieht Schuld bei Halter

Währenddessen rumort es zwischen Jägern, Bauern und Tierschützen am Niederrhein wegen des Schermbecker Wolfsrudels – vor allem, nachdem wohl in der Nacht zu Dienstag ein Shetlandpony in Hünxe gerissen wurde. Besitzer Ludger Hutmacher (85) fand sein Tier „furchtbar hergerichtet“ auf der Koppel und ist sich sicher: „Das war ganz klar der Wolf.“

Davon geht auch Peter Malzbender aus. Der Vorsitzende des Naturschutzbunds (Nabu) im Kreis Wesel gibt jedoch dem Halter die Schuld am Riss, weil er seine Tiere nicht mit einem wolfsabweisenden Zaun geschützt habe: „Der Wolf wurde mit lebendem Huftier angefüttert“, heißt es in einer Mitteilung von Mittwoch.

Die Vorwürfe des Nabu-Vorsitzenden lösen in den sozialen Medien viele Reaktionen aus. In Kommentaren unter Beiträgen zum Thema stimmen manche Malzbender zu und meinen, Halter müssten ihre Tiere nachts in den Stall bringen. Andere fordern, das ganze Rudel schießen zu lassen.

Jäger aus Wesel: „Auch Schutzzaun hätte nicht geholfen“

Werner Schulte habe seit Mittwoch viel telefoniert, vor allem mit Jägern, die von Malzbenders Aussage empört sind, so wie er selbst: „Ich habe mir die Koppel angeschaut und hätte mit Ludger Hutmacher weinen können“, berichtet er.

Der 85-Jährige habe seine Tiere „super gepflegt“. Tatsächlich habe der Halter keinen speziellen Schutzzaun gegen Wölfe aufgestellt. „Aber auch der hätte nicht geholfen, weil es genug Wölfe gibt, die die Zäune überwinden“, meint Schulte.

Bauern fürchten um ihre Tiere und fordern Rudel-Entnahme

Nicht nur Wölfin Gloria könne über Schutzzäune springen, sagt auch Bauer Johannes Leuchtenberg: „Das haben ihre Artgenossen mittlerweile auch gelernt.“ Dadurch habe das Rudel viel Schaden angerichtet, der nicht durch höhere Zäune, sondern einen früheren Abschuss hätte verhindert werden können. Der Vorsitzende der Kreisbauernschaft Wesel fordert: „Malzbender sollte sich bei Tierhaltern entschuldigen.“

Viele Bauern am Niederrhein hätten „schon lange Angst um ihre Tiere“, meint Leuchtenberg. Selbst größere Weidetiere seien in Gefahr, so wie Kühe, die Leuchtenberg hält. Er habe davon gehört, dass Wölfe Kühe in Gräben drängen und anfressen würden.

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In hohen Zäunen sieht der Landwirt keine Lösung: „Um alle Tiere zu schützen, müssten alle Kuhweiden und Pferdekoppeln umzäunt werden, und das kann nicht im Sinne des Nabu sein.“ Stattdessen fordert er, nicht nur Gloria, sondern alle auffälligen Wölfe zu töten, die Zäune überwinden und Tiere reißen.

Nabu-Verbände zu Abschuss-Plan: „Gefahr ist groß, dass sich Rudel auflöst“

Die Nabu-Kreisverbände Borken und Wesel sowie der Stadtverband Bottrop warnen davor, Gloria zu töten. Rolf Fricke vom Nabu Bottrop meint in einer Mitteilung, das Schermbecker Rudel sei das einzige in NRW. „Wird nun daraus die einzige reproduzierende Fähe getötet, ist die Gefahr groß, dass sich dieses Rudel auflöst und erlischt.“

Zudem würde die Entnahme das Problem nicht lösen, findet Martin Frenk vom Nabu Borken. Das Gebiet um Schermbeck habe sich als geeignetes Revier erwiesen. „Andere Wölfe werden kommen, oder sie sind schon da.“ Stattdessen fordern er und seine Kollegen von der Politik, Zäune und Herdenschutzhunde zu fördern sowie Tierhalter für ihren Herdenschutz zur Verantwortung zu ziehen.

>> ABSCHUSS VON GLORIA: WAS DIE LANDTAGSOPPOSITION FORDERT

  • „Die Entnahme der Wölfin Gloria ist ein längst überfälliger Schritt“, meint Dietmar Brockes, Sprecher für Umwelt der FDP-Fraktion im Landtag. Er wirft der Landesregierung vor, Weidetierhalter im Stich gelassen zu haben. Sie müsse eine Höchstzahl an Wölfen festlegen und die Entnahme von Problemwölfen erleichtern.
  • Auch die SPD-Landtagsfraktion fordert einen schnellen Abschuss von Gloria und besseren Weideschutz. Zudem müssten die Wölfe besser überwacht werden: „Wenn man zum Beispiel über einen Sender weiß, wo sich Gloria aufhält, kann man sie gezielt schießen“, sagt der umweltpolitische Sprecher René Schneider.