Tabqa. Im Schatten des Sturzes von Assad ist ein Konflikt mit der Türkei eskaliert. Das macht eine Rückkehr für Geflüchtete lebensgefährlich.
Assads Gewaltherrschaft ist Geschichte. Ist es jetzt Zeit, die syrischen Flüchtlinge in Deutschland wieder nach Hause zu schicken? Ahmad Omar ist über eine solche Frage irritiert. „Ich verstehe solche Forderungen nicht. Sie sehen doch, was hier los ist. Die Situation ist völlig unklar. Wir werden angegriffen.“ Omar ist Co-Vorsitzender der Verwaltung von Tabqa, einer Stadt im Norden Syriens. Er arbeitet rund um die Uhr, weil er Tausende Menschen versorgen muss, die vor Kämpfen in seine Stadt geflohen sind.
In Tabqa sitzen drei Tage nach dem Sturz Assads viele Menschen am Straßenrand. Dichter schwarzer Rauch steigt von den Feuern auf, an denen sie sich aufwärmen. Hinter uralten Traktoren sind auf Anhängern ihre Habseligkeiten gestapelt. Sie sind auf der Flucht vor den protürkischen Milizen, die vor einigen Tagen die Shahba-Enklave nördlich von Aleppo eingenommen haben, welche bis dahin von der kurdisch dominierten Selbstverwaltung in Nordostsyrien kontrolliert wurde.
Im Schatten des Sturzes von Assad ist ein anderer Konflikt eskaliert. Die Türkei will mithilfe ihrer islamistischen Verbündeten der Syrischen Nationalarmee (SNA) die Selbstverwaltungsstrukturen zerschlagen, zumindest aber schwächen. Ankara hält die Autonomieregion für ein Projekt der kurdischen Arbeiterpartei PKK, die in der Türkei und Deutschland als Terrororganisation gilt. Etwa 120.000 Menschen sollen bislang vor den Kämpfen geflohen sein.
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Ehmed: „Deutsche Regierung sollte ihre Bemühungen darauf richten, einen Waffenstillstand zu erreichen“
„Während die internationale Gemeinschaft den Sturz Assads feiert und auf einen Neuanfang hofft, der alle Bevölkerungsgruppen einbezieht, ist die Realität genau das Gegenteil“, klagt Ilham Ehmed, die Außenbeauftragte der Selbstverwaltung. Angesichts der türkischen Angriffe sei jetzt nicht der richtige Zeitpunkt, um über Rückführungen von Flüchtlingen zu diskutieren, kritisiert sie die Debatten in Deutschland. „In erster Linie sollte die deutsche Regierung ihre Bemühungen darauf richten, einen Waffenstillstand zu erreichen“, fordert Ehmed. Danach könne man über alles sprechen.
Im alten Fußballstadion von Tabqa haben die Behörden eine Zeltstadt errichtet. Mindestens 5000 Menschen sollen hier untergebracht sein. Kinder mit filzigen Haaren und dreckiger Kleidung spielen im Staub. Männer reden wild gestikulierend auf hilflos wirkende Helfer ein. Sie wollen Wasser, Essen, Medikamente für ihre Angehörigen. Von allem gibt es zu wenig. In einigen der größeren Zelte leben bis zu 50 Menschen. Manche haben sich seit fast zehn Tagen nicht mehr waschen können und tragen noch immer die Kleidung, in der sie geflohen sind.
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Am Dienstag haben die SNA-Milizen auch Manbidsch eingenommen. Sie sollen in der Stadt eine Klinik des Kurdischen Roten Halbmonds verwüstet und Gräueltaten begangen haben. Auf einem Video ist zu sehen, wie SNA-Kämpfer zwei verwundete Soldaten der Demokratischen Streitkräfte Syriens (SDF) in ihren Betten ermorden. Kobane an der Grenze zur Türkei wird seit Tagen bombardiert.
Selbst wenn die Lage sich beruhigen sollte, glaubt Tabqas Verwaltungschef Omar nicht, dass viele Syrerinnen und Syrer derzeit aus Deutschland zurückkehren wollen. „Manche müssen befürchten, hier vielleicht trotz des Sturzes von Assad verhaftet zu werden. Außerdem ist die wirtschaftliche Lage katastrophal. Es wird Jahre brauchen, Syrien wieder aufzubauen.“