Berlin. Asma und Baschar al-Assad galten einst als Hoffnungsträger im Nahen Osten. Dann wandelten sie sich zum Ehepaar des Grauens.
- Syriens Herrscher Assad ist gestürzt worden
- Rebellen haben Damaskus und andere wichtige Städte eingenommen
- Assad hat das Land 24 Jahre lang als Diktator regiert
- Seine Gewaltherrschaft kostete Hunderttausende das Leben
- Vor allem seine Frau Asma gab immer wieder Rätsel auf
Die siegreichen Tage sind vorbei. Syriens Diktator Baschar al-Assad musste zusehen, wie Rebellen Aleppo einnehmen, wie sie auch Hama und Homs belagerten, wie sie letztlich in Damaskus einfuhren. Der Damaszener Herrscher ist geflohen. Die syrische Armee gab das Ende der Assad-Herrschaft bekannt. Rund 150.000 Menschen sind auf der Flucht. Assads Frau Asma und die drei Kinder sollen sich nach Russland in Sicherheit gebracht haben, berichtet das „Wall Street Journal“. Auch Baschar al-Assad landete nach russischen Angaben in Moskau – man habe ihm Asyl gewährt, teilte das russische Außenministerium mit.
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Den Vormarsch der islamistischen Miliz Hajat Tahrir al-Scham (HTS) und ihrer Verbündeten konnten die syrischen Regierungstruppen nicht stoppen. Assad ist endgültig gestürzt. Das liegt vor allem an seinen geschwächten Verbündeten in der Region: Die libanesische Hisbollah-Miliz ist von Israel schachmatt gesetzt worden. Russland, noch 2015 fest an der Seite des Diktators, konzentriert sich lieber auf den eigenen Krieg in der Ukraine. Und Gegner wie der türkische Staatschef Recep Tayyip Erdogan, der die Rebellen unterstützt, wittern eine gute Gelegenheit.
Syrien: Assad kam nur sehr zufällig zu seinem Amt
Autokratien sind oft eine Sache von Jahrzehnten, denn wenn sie sich einmal festsetzen, wollen die Autokraten sich selbstredend nicht mehr vertreiben lassen. Man sieht es an Wladimir Putin, an Alexander Lukaschenko, an Muammar al-Gaddafi (der fast 42 Jahre über Libyen geherrscht hat), an vielen anderen. Baschar al-Assad, seit dem Jahr 2000 Staatschef in Syrien, macht da keine Ausnahme.
Dabei ist der Mann, Jahrgang 1965, nur sehr zufällig zu seinem Amt gekommen. Eigentlich wollte er Augenarzt werden. Im Damaskus der 1980er-Jahre nahm er ein Medizinstudium auf, das er in London fortsetzte. Er hatte vor, dort zu bleiben. Von einer Karriere im Militär, wie sie sein Vater Hafiz durchlaufen und vor deren Hintergrund er von 1970 bis 2000 mit harter Hand Syrien regiert hatte, war der hochgewachsene Baschar weit entfernt. Sein älterer Bruder Basil sollte den Vater einmal politisch beerben. Während seiner Zeit in London näherte sich Baschar al-Assad seiner späteren Frau Asma Fauaz al-Akhraz an, einer Finanzanalystin, die in Großbritannien geboren wurde, aber syrische Wurzeln hat. Die beiden sollen sich noch aus Teenager-Tagen kennen.
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1994 starb Basil al-Assad bei einem Autounfall. Baschar ging daraufhin zurück nach Syrien, wurde zum Nachfolger seines Vaters aufgebaut und durchlief pro forma eine militärische Ausbildung im Schnelldurchgang. Sechs Jahre später, als Hafiz starb, wurde er als neuer Herrscher installiert. Dafür wurde eigens die Verfassung geändert, denn bis dato musste man 40 Jahre alt sein, um Staatsoberhaupt zu werden. Baschar war zu dem Zeitpunkt aber erst 34. Am 31. Dezember 2000 heiratete er Asma, mit der er offenbar über die Jahre hinweg Kontakt gehalten hatte. Das Paar bekam drei Kinder, und manche sahen schon eine neue Zeit für Syrien heraufziehen – eine junge, moderne Familie, westlich geprägt, eine intelligente und schöne Frau, ein Assad Junior, der vom Terrorstaat seines Vaters weit weg zu sein schien. Sie, Asma, entstammte einer sunnitischen Familie, er, Baschar, der alawitischen Minderheit.
Asma al-Assad: Von der Reformerin zur „Blockflöte des Regimes“?
Drei Monate reiste Asma al-Assad inkognito durchs Land, um es kennenzulernen. Später engagierte sie sich für Wohltätigkeitsorganisationen und ermunterte junge Menschen, den Wandel in Syrien voranzutreiben. Sie sprach von „religiöser Harmonie“, die im Land herrsche. Dabei war es ihr Schwiegervater Hafiz, der 1982 ein Massaker an bis zu 20.000 Sunniten befohlen haben soll.
Mit den Jahren werden die Widersprüche offensichtlicher, und alte Wegbegleiter der Finanzanalystin sagen: Sie hat sich zur „Blockflöte des Regimes“ gemacht. Ihre anfängliche Rolle als Reformerin hat sie aufgegeben. Ihrem Mann hält sie weiterhin die Treue, von den Taten des Regimes hat sie sich nie öffentlich distanziert. Auf Facebook zeigt sie sich regelmäßig mit Assad, auch heute noch. Dabei hat sie inzwischen ihren eigenen Kampf zu bestehen: 2018 wurde bei ihr Brustkrebs diagnostiziert, sechs Jahre später erkrankte sie an Leukämie.
Beobachter gehen davon aus, dass die Öffnungsprozesse Anfang der 2000er-Jahre abrupt von Baschar al-Assad selbst gestoppt wurden – aus Sorge, die Stabilität des Regimes könnte leiden. International entfernte sich der Präsident immer weiter vom Westen, spätestens als er nach dem 11. September 2001 nicht mit den USA kooperieren wollte und man seinen Leuten 2005 eine Beteiligung an der Ermordung des libanesischen Premierministers al-Hariri vorwarf. Zur selben Zeit vereinbarte Assad mit dem russischen Präsidenten Putin eine engere Zusammenarbeit.
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Die sollte sich für Assad im Bürgerkrieg auszahlen. Mithilfe der russischen Luftwaffe eroberte das syrische Militär ab September 2015 die Rebellenhochburg Aleppo zurück. Hunderttausende kamen ums Leben, Regimegegner wurden gefoltert und verschwanden in Gefängnissen. Schon 2013 ließ Assad Giftgas gegen Rebellen einsetzen, 1400 Menschen starben, 2014 ließ er Fassbomben auf Zivilisten abwerfen. Ein Akt der grauenvollen Eskalation. Assad, der vor dem russischen Einsatz gerade einmal zehn Prozent des syrischen Staatsgebietes kontrollierte, war nach 2015 wieder gefestigt.
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Seine Getreuen band er auch mit viel Geld an sich – Finanzspritzen gibt es dank der illegalen Fentanyl-Produktion im Land reichlich. Assad hat sein Regime zu einem Mafia-System umgebaut. Mitglieder seiner Familie haben sich Immobilien im Wert von vielen Millionen Euro in Europa und Russland angeschafft, wie eine Recherche des Anti-Korruptions-Netzwerks „Global Witness“ 2019 aufdeckte.
Vielleicht auch, um einen Plan B zu haben? Die Einnahme Aleppos, der zweitgrößten Stadt, war der Anfang vom Ende gelten. Ein Video zeigt, wie Bewaffnete durch eine örtliche Residenz des Herrschers streifen – eine Schmach. Später rückten die Kämpfer auf Damaskus vor, dort plünderten Zivilisten anschließend die Residenz des gefallenen Herrschers und bestaunten Prunk und Protz.
Für Putin ist es zwar ein Imageverlust, dass seine militärische Beihilfe nicht von dauerhaftem Erfolg war. Aber wenn er sich entscheiden muss, wird er seinen eigenen Kampf wählen – und Assad kein zweites Mal retten. Dass er ihm nun „Asyl aus humanitären Gründen“ in Moskau gewährt, könnte seine letzte Hilfestellung für den Syrer gewesen sein.